Arbeitszeitverkürzung -“ ein Gutmenschen-Traum

’žWürde jeder mit einer ganzen Stelle auf nur zwei Stunden pro Woche verzichten, könnten mehr Arbeitslose beschäftigt werden,’œ schrieb in der vergangenen Woche eine Alt-68-erin in einem großen deutschen Nachrichtenmagazin.

Ach, wie süüüüß! Arbeitszeitverkürzung als Lösung der Arbeitslosen-Problematik! Der alte Traum der Theoretiker, Gewerkschafter, Sozialromantiker und Milchmädchen. Wenn das funktionieren würde, wäre die 35-Stunden-Woche ja der Brüller schlechthin geworden. Die Wahrheit schaute allerdings ganz anders aus. Und tut es noch immer.

Hat diese 68-erLady, die in ihrem Leserbrief so von ihrer Arbeitszeitverkürzung schwärmt, mal hingehört, was ihre Kolleginnen und Kollegen dazu meinen? Wenn der fragliche Betrieb nicht eine krasse Ausnahme darstellt, hat man nämlich für die ehemals Vollzeit arbeitende Kollegin, die nun nur noch 28 Stunden pro Woche in der Firma einrückt, mitnichten einen Arbeitslosen eingestellt, sondern die Arbeit auf die traurigen Hinterbliebenen verteilt. Arbeitsverdichtung nennt man das.

Das ist auch der Grund, warum ich den Teufel tun und meine Arbeitszeit reduzieren werde. Liebend gerne würde ich von der o.g. Milchmädchenrechnung profitieren, auf einen Teil der Kohle verzichten und ein bisschen Lebensqualität gewinnen, indem ich z.B. freitags nicht in der Firma arbeite, sondern meinen privaten Kram erledige.

Eine gute Bekannte von mir hat auch schon mit dem Gedanken gespielt, dann aber in einem jähen Anflug von Pragmatismus gemeint: ’žSchau dich doch um unter den Kolleginnen, die mit einem Teilzeitvertrag aus der Elternzeit zurückgekommen sind. Was ist passiert? Sie müssen das, was sie seither in 5 Arbeitstagen geleistet haben, jetzt in 3 oder 4 schaffen. Für weniger Kohle. Und das ist ja nicht Zweck der Übung.’œ

Recht hat sie.

Es ist übrigens erstaunlich, wie enorm sich Arbeit verdichten lässt. Eine Kollegin hat mir neulich vorgerechnet, dass sich ihr Zuständigkeitsbereich in den letzten zehn Jahren verachtfacht hat. Ich habe beobachtet: Die Bereiche, die wir zu betreuen haben, haben sich in den letzten 15 Jahren verdoppelt, das Personal nahezu halbiert. Wenn das dann wirklich nicht mehr zu schaffen ist, wird ’žoutgesourct’œ, die nachfolgenden Fremdfirmen zu Sonn- und Feiertagsschichten verknackt um das vorne Versäumte wieder aufzuholen – oder noch ein bisschen schneller und noch ein bisschen schlampiger gearbeitet. Das muss dann halt reichen, so rein qualitativ.

Das kann man dann treiben, bis der Arbeitsbereich sowieso aus Kostengründen nach Indien oder in die Ukraine verlegt wird, bis der Laden pleite ist – oder bis die Heuschrecken einfliegen. Und in all diesen Fällen muss man sich um das Thema ’žArbeitszeitverkürzung’œ in der Regel keine Gedanken mehr machen. Dann ist man schneller auf Null als man gucken kann …

  1. Deine Meinung zum Thema „Arbeitszeitverkürzung“ gefällt mir, zeigt es doch, dass es in diesem Land nicht nur Sozial- und Arbeitsromantiker gibt. Die Wirklichkeit des Arbeitslebens unterscheidet sich nach wie vor sehr stark zu den immer wieder aufs Trapez gebrachten Gewerkschaftsvorstellungen. Hinzu kommt, dass Arbeitszeitverkürzungen bisher eigentlich noch nie zu einem Mehr an Stellen geführt haben, vielmehr wurde dann von den Arbeitnehmern verlangt, das Pensum beispielsweise einer 40-Stunden-Wochen dann eben in 38 Wochenstunden zu erledigen.
    Sicher sind Gewerkschaften wichtig, aber nur dann, wenn sie wirklich etwas für die Interessen der Arbeitnehmer machen, sie sind aber höchst überflüssig, solange sie nichts anderes machen als sich selbst zu karikieren und weiterhin die Forderungen erheben, sie schon vor 30 Jahren Unsinn waren.

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