Theresa Hay: Bären, Wölfe und große Fische – Reiseerzählungen aus Alaska

Theresa Hay: Bären, Wölfe und große Fische – Reiseerzählungen aus Alaska, Mildenau 2011, Telescope-Verlag, ISBN 978-3-941139-97-8, Softcover, 132 Seiten mit zahlreichen Aufnahmen in Farbe und s/w, Format 14,8 x 21 x 0,7 cm, EUR 13,90.

„Es war ein sehr beeindruckender Aufenthalt in Hallo Bay. Nie habe ich außergewöhnlichere und größere Bären gesehen, nirgendwo war ich so verbunden mit der Natur. Nie war ich einem Wolf so nah, nirgendwo hat mich die Natur soi fasziniert und so herausgefordert. Nie habe ich eine so vielfältige, bizarre Landschaft erlebt, nirgendwo habe ich mich der Natur so ausgeliefert gefühlt. Ich war oft an den Grenzen meiner Möglichkeiten.“ (Seite 129)

Seit Ende der 80-er Jahre reist Theresa Hay zusammen mit ihrem Mann Gerd in den Sommermonaten nach Alaska, um dort Braun- und Schwarzbären zu beobachten, zu fotografieren und zu filmen. Brooks River, Pack Creek, Anan Creek, der Denali National-Park, Admiralty Island und Kodiak Island zählen dabei zu ihren bevorzugten Gebieten. Die Aleuten-Range, speziell die Küste mit ihren vielen Buchten, stand jahrelang auf ihrer Wunschliste. Erst 2007 und 2010 kam ein Besuch bei den Küstenbären in Hallo Bay im Katmai-Nationalpark zustande.

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Die langgezogene Bucht auf der Alaska-Halbinsel, dem Beginn der Aleuten-Kette, liegt gegenüber der Insel Kodiak und an der Meeresenge Shelikof Strait. Es ist ein Eldorado für die großen Küstenbären, weil hier viele große und kleine Flüsse ins Meer münden und die Lachse zum Laichen flussaufwärts ins Landesinnere ziehen. Die Bären verstehen sich auf Lachsfang und wissen die fetten Leckerbissen zu schätzen!

Macht man sich als Betrachter jemals Gedanken darüber, unter welchen Bedingungen Fotos wie dieses entstehen? Welche Strapazen Forscher, Filmer und Fotografen auf sich nehmen, um an neue Erkenntnisse und spektakuläres Bildmaterial zu kommen? Theresa Hays Reiseerzählungen BÄREN, WÖLFE UND GROSSE FISCHE lassen erahnen, was für ein atemberaubendes Erlebnis es ist, in Alaska Bären zu beobachten – und was für eine Anstrengung.

Wenn in Alaska auf eines Verlass ist, dann auf das unbeständige Wetter. Die Autorin und ihr Mann wissen das und warnen ihre Reisegefährten – ein befreundetes Ehepaar – schon in der Planungsphase. Es kann allerhand schief gehen bei so einer Tour nach Hallo Bay. Möglich, dass der Buschflieger vom Küstenstädtchen Homer aus gar nicht erst starten kann … dass es ständig regnet … dass die Rückreise sich verzögert, weil der Flieger sie witterungsbedingt nicht abholen kann … dass sie sämtliche Anschlussflüge verpassen … und vieles andere mehr. Doch die Freunde wollen es wagen, und so wird eine Schlechtwetterversicherung abgeschlossen, Flüge und Unterkunften gebucht. Ende Juli 2007 geht’s von Frankfurt nach Anchorage, von dort aus nach Homer auf der Kenai-Halbinsel und dann, so das Wetter es zulässt, weiter nach Hallo Bay.

Das Packen für so eine Bärentour in der Wildnis ist übrigens eine Kunst für sich. Unnützes Gedöns kann man da nicht mitschleppen! Ein Passagier und sein Gepäck dürfen zusammen nicht mehr als 125 kg wiegen, denn mehr packt der Buschflieger nicht. Und wenn man bedenkt, was allein eine professionelle Film- und Fotoausrüstung auf die Waage bringt, kann man sich vorstellen, dass der Rest der Ausstattung bestenfalls minimalistisch ausfällt.

Die Reisenden schaffen es tatsächlich bis Hallo Bay und wohnen dort in einem Zeltlager, aus dem man sich tunlichst nicht ohne die erfahrenen Guides entfernen sollte – aus Gründen der eigenen Sicherheit. Auch wenn man reichlich Erfahrung hat und sämtliche „Bären-Regeln“ beherrscht, ist das besser so.

Geduld ist eine der wichtigsten Eigenschaften beim Beobachten von Tieren. Wer zu schnell aufgibt, sieht nichts. Trotz schlechten Wetters haben die Bärenfreunde eine paar interessante Begegnungen. Aus nächster Nähe beobachten sie eine Bärenmutter mit zwei Jungen beim Grasfressen. Sie treffen auf einen gewaltigen alten Bären, der voller Narben ist und einen arthritisch-schleppenden Gang hat. Als der auf die Gruppe zumarschiert, wird der Gruppe angst und bange …

Am Strand beobachten sie Bären beim Graben nach Muscheln. Die erwachsenen Tiere haben eine elegante Technik, um an das essbare Innere zu kommen. Die Jungen müssen das offensichtlich erst lernen. Auch der wirtschaftliche Umgang mit der eigenen Energie ist wohl Erfahrungssache. Sie sehen einen Jungbären, der einen beträchtlichen Aufwand betreibt, um einen kleinen Lachs zu fangen.
Manchmal rücken sich Mensch und Bär auch enger auf den Pelz als erwünscht. Generell sind Braunbären zwar nicht an Menschen interessiert, aber es kann immer mal zu gefährlichen Missverständnissen kommen. Und dann können die Tourteilnehmer nur hoffen, dass die Guides im Ernstfall wissen, was zu tun ist.

Wie bei der Planung befürchtet, klappt der Rückreisetermin nicht. Das Wetter ist zu schlecht, der Buschflieger kann sie nicht abholen und nach Homer zurückbringen. Sogar für Exkursionen ist es zu regnerisch und windig, und so sitzen die Reisenden tagelang in Hallo Bay fest. Sämtliche Anschlussflüge sind weg. Ein Wunder eigentlich, dass sie Stimmung nicht auf den Nullpunkt sinkt. Aber die Hays wussten ja, worauf sie sich einlassen und ihre Freunde waren gewarnt.

Vor Jahren hat das Wetter schon einmal der Autorin und ihrem Mann einen Strich durch die Rechnung gemacht und einen Flug nach Hallo Bay komplett vereitelt. Und was macht man, wenn man in Homer ist? Pensionswirtin Janet hat einen Tipp: Fischfang! Und so gehen die beiden, die nicht allzu viel Angelerfahrung haben, an Bord eines Fischerboots und fangen tatsächlich zwei riesige Heilbutte, die sie anschließend als tiefgekühlte Filets mit nach Deutschland nehmen. So eine Alaska-Reise ist eben immer für eine Überraschung gut.

Im Juli 2010 brechen die Hays erneut mit drei Reisegefährten nach Hallo Bay auf. Diesmal ist das Wetter so regnerisch und garstig, dass Gerd Hay seine beiden Kameras einbüßt – Wasserschaden und Kurzschluss! Das fängt schon gut an.

Eine Begegnung mit dem großen, narbigen Bär, den die Freunde schon von ihrem letzten Besuch kennen, mündet in eine brenzlige Situation. Und ein verstauchter Knöchel macht die Teilnahme an den Exkursionen zu einer schmerzhaften Strapaze. Doch die Tierbegegnungen entschädigen die Tourteilnehmer für alles! Ob sie fast über einen schlafenden Bären stolpern, Bär und Wolf beim Lachsfang beobachten oder einem braunen Riesen ausweichen müssen, der ihnen den Weg versperrt – diese Erlebnisse sind es, die den unvergleichlichen Reiz der Tierbeobachtung ausmachen Da nimmt man auch die altbekannte Zitterpartie in Kauf: Kommt der Flieger aus Homer, um uns abzuholen, oder kommt er nicht?

Wir erfahren hier einiges über Bären, Wölfe und andere Wildtiere, Wissenswertes über Alaska – und wir gewinnen hochinteressante Einblicke in die Abläufe solcher Bärenbeobachtungs-Touren. Die abenteuerlustigen unter den Leserinnen und Lesern, werden vermutlich gleich recherchieren, wie man am besten nach Alaska kommt. Und weniger mutigen unter uns werden froh sein, dass es Menschen gibt, die solche Anstrengungen und Aufregungen freiwillig auf sich nehmen um uns dann anschaulich in Wort und Bild davon zu berichten …

Film: © Theresa Hay, Fotos: © Gerd Hay,
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Rezensent: Edith Nebel
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