Michael Meisheit: Soap – Roman

Michael Meisheit: Soap, Berlin 2012, Verlag Michael Meisheit, ISBN 978-3-0-00-40286-9, Softcover, 219 Seiten, Format: 20,2 x 12,6 x 1,6 cm, EUR 9,90. Auch als Kindle-Edition erhältlich, EUR 4,99.

„Da geht in irgendeiner Studiodeko die Tür auf, ein schlechter Schauspieler kommt herein und sagt zu einer genauso schlechten Schauspielerin: ‚Wir müssen reden.’ Das tun sie dann, Mehr passiert da nicht. Das ist Soap!“ (Seite 147)

Großes deutsches Kino will der Berliner Filmstudent Lukas Witek machen – und landet durch Zufall als Drehbuchautor bei der Seifenoper „Schöneberg“. Warum, das weiß er selbst nicht so genau. Irgendwie hat Produzent Walter Christoph einen Narren an ihm gefressen, obwohl Lukas die Serie noch nie gesehen hat, seine ersten Drehbuchversuche alles andere als überzeugend sind und Chefautor Axel Berger ihm zunächst völlige Talentlosigkeit bescheinigt.

Dass Lukas trotzdem bleiben will, ist zum Teil seinem Ehrgeiz geschuldet und zum Teil seiner Autorenkollegin Maria Schmitt, in die er sich Hals über Kopf verliebt hat. Dumm nur, dass sie die Lebensgefährtin von Chefautor Berger ist und daran auch nichts ändern möchte.

Aus Frust lässt sich Lukas mit der Jungschauspielerin Vanessa ein, einem materiell verwöhnten und emotional vernachlässigten Teenager, einer naiv-labilen Kindfrau. Lukas weiß, dass er das Mädchen nur benutzt. Vanessa ahnt es auch, doch kann sie den Gedanken nicht ertragen, verlassen zu werden. Vanessa will Lukas, Lukas will Maria, und Maria weiß nicht so genau, was sie will.

Im selben Maß, wie Lukas Witek seine Arbeit bei Schöneberg in den Griff bekommt und immer raffinierter das Leben der Serienfiguren bestimmt, entgleitet ihm die Kontrolle über sein eigenes. Drogenmissbrauch und Suizidversuch, Liebes-Chaos und Lebensgefahr – wenn er mal einen Augenblick zum Nachdenken kommt, hat er das Gefühl, plötzlich selbst in einer Seifenoper zu leben. Doch das Allerschlimmste weiß er noch gar nicht …

Die Pointe der Geschichte ist ungeheuerlich. Als Leser malt man sich –zig Möglichkeiten aus, wie den Beteiligten die Sache um die Ohren fliegen könnte. Man muss durchaus kein Fan von Seifenopern sein, um bei diesen Szenarien Schnappatmung zu bekommen.

Michael Meisheit ist seit 15 Jahren Drehbuchautor bei der real existierenden TV-Serie „Lindenstraße“. Nicht von ungefähr hat der Held seines Debutromans also diesen Beruf.

„Soap“ darf man natürlich nicht als Schlüsselroman zur Lindenstraßenproduktion lesen, auch wenn die eine oder andere geschickt eingeflochtene Anekdote vielleicht dem realen Leben entstammen mag. Wer aber etwas für Serien und Seifenopern übrig hat, für den ist Lukas‘ Arbeitswelt eine Fundgrube an interessanten Hintergrundinformationen. So also entstehen die Rollen und Geschichten! Aus diesem und jenem Grund sind die Dinge so wie sie sind! Ja, das leuchtet ein. Und was man als Autor dabei alles berücksichtigen muss, welchen Einschränkungen diese Arbeit unterliegt, davon macht man sich als Fernsehzuschauer normalerweise keinen Begriff.

Das Wissen, das man hier so nebenbei erwirbt, hat die Nebenwirkung, dass man nie wieder so unbefangen fernsehen, lästern und meckern kann wie zuvor. Man wird gewissermaßen zum Zuschauer mit Insiderwissen und wird den Serienmachern künftig ganz bewusst auf die Finger schauen. Damit hat der Autor eine Zuschauergattung geschaffen, die in seinem Roman noch gar nicht vorkommt. Dort gibt es nur die in Ehrfurcht erstarrten Fans eher schlichten Gemüts und die respektlosen Meckerpötte, die den selbst gewählten Realitätsanspruch der Serie beim Wort nehmen und jede Ungenauigkeit und Ungereimtheit bemerken und im Internet bespötteln. Das soll im realen Leben auch nicht viel anders sein …

Wie gesagt: Die dramatische Geschichte über Liebe und Intrigen funktioniert auch ohne dass man eine Affinität zu einer bestimmten Fernsehserie hat. Für Lindenstraße-Fans hat der Roman lediglich eine interessante zweite Ebene. Lukas Witek und seine Kollegen sprächen in diesem Zusammenhang vermutlich von „Subtext“.

Der Autor
Michael Meisheit studierte von 1993 bis 1995 in Köln Lehramt für Sonderpädagogik. Anschließend begann er sein Studium für Film und Medien mit Schwerpunkt Drehbuch an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Nachdem der Regisseur und Lindenstraße-Erfinder Hans W. Geißendörfer ein Seminar an der Filmhochschule gegeben hatte, verfasste der 24-jährige Student Probedrehbücher, die er dem Produzenten gab. Seit 1997 ist Michael Meisheit Autor für die ARD-Serie Lindenstraße.

Rezensent: Edith Nebel
EdithNebel@aol.com

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5 Kommentare

  1. „Dort gibt es nur die in Ehrfurcht erstarrten Fans eher schlichten Gemüts und die respektlosen Meckerpötte, die den selbst gewählten Realitätsanspruch der Serie beim Wort nehmen und jede Ungenauigkeit und Ungereimtheit bemerken und im Internet bespötteln. Das soll im realen Leben auch nicht viel anders sein …“

    Das hast du schön formuliert. Vor meinem geistigen Auge ziehen diverse Mitforisten vorbei. *g* Das Buch werde ich bei nächster Gelegenheit sicher auch lesen, es klingt sehr interessant.

  2. Wir kommen da nicht gut weg, wir kritischen Zuschauer. Aber als Autor würde ich mich natürrrrlich auch fragen, warum die Leut‘ das gucken, wenn sie doch nur meckern. Weil sie das Lästern und Nitpicken als gemeinschaftliches Hobby erkoren haben?

    Meine Theorie ist ja, dass die Lindenstraßenmacher eine virtuelle Nachbarschaft geschaffen haben für alle, die ihre Nachbarn nimmer kennen – und wir besorgen nun den Dorfklatsch und zerreißen uns die Mäuler über die Schandtaten der Serienhelden. Und anders als im richtigen Leben können wir für unverständliche Aktionen jemanden verantwortlich machen: Die Autoren sind schuld!

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