Maren Frank: Liebe an Bord

Maren Frank: Liebe an Bord, édition el!es, Meerane 2012, ISBN 978-3-941598-40-9, Softcover, 234 Seiten, Format: 19 x 12 x 2 cm, EUR 15,90.

„Wut und Verzweiflung mischten sich, während Diana sich ihre nahe Zukunft in allen Details ausmalte. Nein, sie wollte das nicht, Sie wollte nicht täglich ums Überleben kämpfen. Sie wollte ein Bett, einen Herd und einen Supermarkt um die Ecke. Sie wollte ein festes Haus mit Heizung, Dusche und Toilette. Sie war einfach nicht geschaffen für das hier. Sie hatte das auch nie gewollt.“(Seite 172)

Diana Melling, eine Ruhrgebietspflanze Mitte 20, hat einen bewegten Lebenslauf: ein abgebrochenes Biologiestudium, eine Ausbildung zur Krankenschwester, hier einen Job, da einen Job … Gerade arbeitslos geworden, bewirbt sie sich spontan auf eine Anzeige, in der eine Reederei Krankenschwestern für ein Kreuzfahrtschiff sucht.

Arbeiten, wo andere Urlaub machen – warum nicht? Diana ist frisch von ihrer Lebensgefährtin Brigitte getrennt, ihre Eltern leben nicht mehr. Ihre einzige feste Bezugsperson ist ihre Tante Magdalena. Sie ist also frei und ungebunden.

Die mürrische Frau Kemp, die das Vorstellungsgespräch führt, macht ihr keine große Hoffnung. Umso überraschter ist Diana, als sie den Job tatsächlich bekommt und Frau Kemp sich als die Kapitänin der „Königin der Wellen“ entpuppt – und als Schwiegertochter des Reeders.

In ihrer schmucken weißen Uniform, souverän und befehlsgewohnt, ist Kapitänin Valerie Kemp eigentlich eine tolle Frau, stellt Diana fest. Eine überaus faszinierende Frau sogar, wenn auch sehr distanziert und, wie gesagt, Ehefrau und Mutter. Sie wird garantiert kein Interesse an einer kleinen Krankenschwester haben, schon gar kein romantisches. Leider.

Aber Diana hätte für eine Romanze auch gar keine Zeit. Sie teilt sich Arbeit und Kabine mit ihrer leichtlebigen Kollegin Melly, und Frau Dr. Fedorowa, genannt „Dr. Kalaschnikow“, legt viel Wert auf Disziplin und ist eine geradezu militärisch strenge Chefin.

Gerade, als es so aussieht, als würden sich Diana und Kapitänin Kemp tatsächlich ein wenig näherkommen, geschieht das Ungeheuerliche: Die beiden werden zufällig Zeuginnen eines Gesprächs über eine Straftat. Ehe sie sich überhaupt einen Reim auf das Gehörte machen können, werden sie schon überwältigt und über Bord geworfen. Ein Ruderboot ohne Riemen lässt man ihnen. Damit können sie sich nach ein paar höllischen Tagen auf dem Pazifik auf eine unbewohnte Insel retten.

Befehlsgewohnt übernimmt Valerie Kemp das Kommando. Wasser suchen, Signalfeuer machen, Fische fangen, Hütte bauen … Stadtkind Diana, die ohne Valeries Hilfe in der Wildnis verloren wäre, tut, was sie ihr sagt. Okay, sagen wir: Sie bemüht sich.

Dass die beiden durchaus auch ihre romantischen und erotischen Momente zusammen haben, ändert nichts an dem Ungleichgewicht in der Beziehung. Valerie gibt den Ton an – und Diana tut das, was Maren Franks Romanheldinnen auf so unnachahmliche Weise können: zicken, bocken, trotzen, kindisch, hysterisch und beleidigt sein, das Geschehen mit trockenem Humor kommentieren – und über sich hinauswachsen, wenn es wirklich darauf ankommt.

Beiden Frauen ist klar, dass sie hier nicht Mrs Robinson und Frau Freitag spielen – sie kämpfen Tag für Tag ums Überleben. Ewig werden sie auf dieser Insel nicht durchhalten, auch wenn die ungestörte Zweisamkeit ihren Charme hat. Sie müssen alles tun, damit man sie findet und rettet. Auch wenn das bedeutet, dass jede wieder in ihr altes Leben zurückkehrt und ihr gemeinsames Glück ein Ende hat.

Aber … sucht man sie überhaupt? Valerie und Diana können nicht wissen, was auf der „Königin der Wellen“ los ist und welche Geschichte die kriminellen Subjekte der Crew und den Passagieren über ihr Verschwinden aufgetischt haben …

Wer zu einem Buch der édition el!es greift, weiß, was ihn – oder, besser gesagt: sie – erwartet: eine lesbische Liebesgeschichte vor einem spannenden Hintergrund. Die Liebesszenen sind recht explizit, so ist das Konzept der Reihe. Sie dominieren aber nicht die Handlung. Der Leser, der nicht zur Kernzielgruppe des Verlags gehört, erlebt eine amüsante und packende „fish out of water“-Geschichte um eine junge Frau, die sich gleich zweimal in einem gänzlich ungewohnten Umfeld bewähren muss – als Landei auf dem Schiff und als Stadtpflanze in der Wildnis – und die dabei auf ihre große Liebe trifft. Und da läuft das ganze Programm ab: Euphorie und Eifersucht, Hoffnung und Verzweiflung, Gewissensbisse und Missverständnisse. Vertraute Probleme vor grandioser Kulisse werden hier zur kurzweiligen Unterhaltung.

Die Autorin
Maren Frank, geb. 1977 in Wanne-Eickel, begann ihre Laufbahn als Illustratorin. Sie illustrierte Kinderbücher, Fantasy-Geschichten und Märchen, bis jemand sie auf die Idee brachte, doch ihre eigenen Geschichten zu schreiben, was sie dann auch vielseitig und erfolgreich tat. Maren Frank starb im März 2012 im Alter von 34 Jahren. Ich möchte an dieser Stelle aus dem Nachruf von Ruth Gogoll, édition el!es, zitieren: „Maren Frank, Schriftstellerin und Illustratorin, wird uns sehr fehlen.“
Ich werde ihre zickig-aufmüpfigen Heldinnen vermissen.

Rezensent: Edith Nebel
EdithNebel@aol.com

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