Fragen ohne Antwort

„Er hätte doch das schönste Leben haben können“, sagte jemand aus Gerhards Familie – und fragte sich, wie wir alle, warum er es sehenden Auges aufs Spiel gesetzt hat. Er hat genau gewusst, was er tat oder eben nicht tat, er war ja nicht blöd.

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Wenn die Familie liebevoll und die Kindheit relativ unbeschwert war, wenn man seinen Job liebt, viele Interessen hat, eine langjährige Partnerschaft pflegt und keinerlei finanzielle Sorgen hat – wieso wählt man dann statt einer Veränderung des Lebens den sicheren Tod? Wie gerät man überhaupt in so eine Todesspirale, wenn man ein ganz stinknormales Leben führt?

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Ich habe zu seinen Lebzeiten auf diese Fragen keine Antwort bekommen und höchstens ein unwilliges Knurren geerntet, wenn sie überhaupt mal zu stellen wagte. Was hat er gesucht, das ihm sein alltägliches Leben nicht geben konnte? Vermutlich kannte er die Antwort ebensowenig wie die Ärzte und Therapeuten. Denen schien das auch ein Rätsel zu sein.

Wenn man weiß, dass man schwer krank ist, kann man sich doch in Behandlung begeben, wenn einem sein Leben und seine Familie lieb ist, oder? Ich verstehe es einfach nicht, und ich empfinde seinen Tod als eine gigantische Verschwendung. Es gelingt mir nicht zu akzeptieren, dass mein Partner seine Gesundheit und sein Leben so missachtet und weggeworfen hat. Und dass es jetzt kein „wir“ mehr gibt, nur noch ein „ich“. Und auch wenn ich genau weiß, dass mir niemand sagen kann, wie und warum es so weit kam, stelle ich mir diese Fragen wieder und wieder.

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Und das ist mein Lieblingsfoto. Gerhard und seine „Suzi“, 1997:

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4 Kommentare

  1. Liebe Edith,
    denke die Frage ist so nicht richtig. Einerseits hat dein Mann ein gutes Leben gehabt, soonst hätte er es so nicht leben wollen und andererseits schaffe ich es auch bestimmte Behandlungen nicht anzutreten oder auf andere Art zu reagieren, als es von allen möglichen und unmöglichen Leuten erwartet wird. Mein Hausarzt klagt noch heute, dass ich auf seine Frage nach einem kompletten Gesundheits- Check regelmäßig antworte: „Mir reicht bereits was ich von meinem Gesundheitszustand weiß, ich möchte nicht noch mehr wissen müssen!“
    Also eine Verweigerungshaltung kann durchaus sein und wenn ich ehrlich bin, mit den tatsächlichen Folgen rechne ich nicht! Im Übrigen ist es wohl müßig, noch lange darüber nachzudenken, denn, entschuldige bitte, dein Gerhard hat es doch nun hinter sich. Also denke nicht zu lange darüber nach!
    Lieben gruß
    Rainer

  2. Du hast sicher recht. Aber ich bin immer noch in dem Bemühen gefangen die Entwicklung verstehen zu wollen, auch wenn ich weiß, dass es müßig ist.

    Und irgendwie empfinde ich es als verdammt unfair, dass einer mit 53 mit dem Leben schon abgeschlossen und die Sache hinter sich gebracht hat … statt dass er mit dem Partner und der Familie eine Zukunft vor sich hat.

  3. Wäre es möglich, dass deinem Mann in einem Lebensbereich, der ihm wichtig war, die Zügel aus der Hand geflutscht sind – womöglich aus Gründen, die er nicht selbst zu verantworten hatte? Vielleicht im Beruf? Und dass er deshalb um so beharrlicher darauf bestand, dass ein anderer Lebensbereich, seine Gesundheit, nur ihn etwas anginge?

    1. Da ist durchaus was dran.

      Er war früher mal ein überaus engagierter Mitarbeiter, der abends noch mit Kollegen wegen Problemlösungen telefonierte und vor einigen Jahren einen Preis für den besten Verbesserungsvorschlag bekam. Dann kam die Kurzarbeit, er war ein Jahr daheim. Danach wurde die Firma umstrukturiert, und er hatte nicht mehr das Gefühl, dass seine Erfahrung und sein Engagement wertgeschätzt wurden. Das war sehr schlimm für ihn. Seine Reaktionen auf diese Veränderungen waren, sagenwirmal, etwas unbesonnen und kamen gar nicht gut an. Das hat ihn hart getroffen und auch sehr verändert.

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