Oliver Stolle, Sascha Chaimovicz (Hrsg.): Eine Kugel Strappsiatella, bitte! 555 unfreiwillig komische deutsche Geschichten

Oliver Stolle, Sascha Chaimovicz (Hrsg.): Eine Kugel Strappsiatella, bitte! 555 unfreiwillig komische deutsche Geschichten, München 2016, Wilhelm Heyne Verlag, ISBN 978-3-453-60379-0, Softcover, 208 Seiten, nicht paginiert, 21 Fotos, durchgehend farbige Seitengestaltung, Format: 11,9 x 1,9 x 13,2 cm, Buch: EUR 9,99 (D), EUR 10,30 (A), Kindle Edition: EUR 8,99.

Abbildung: (c) Wilhelm Heyne Verlag
Abbildung: (c) Wilhelm Heyne Verlag

„Die besten Geschichten kann man sich nicht ausdenken – die schreibt nämlich das Leben selbst“ (Klappentext)

Das Buch basiert auf „unfreiwillig komischen Alltagszenen“, die die NEON-Redaktion unter der Rubrik „Deutsche Geschichten“ veröffentlicht. Jeden Monat dürfen dort drei aufmerksame Zuhörer erzählen, was ihnen zu Ohren gekommen ist, ob an der Supermarktkasse, im Café, in der Bahn oder auf der Straße. Amüsant sei das, „weil die Menschen hier kurz die Kontrolle über ihre Sprache oder ihr Handeln verlieren und offenbaren, was ihnen wirklich durch den Kopf geht“. So steht’s im Vorwort.

Klasse, dachte ich. An schrägen Dialogen habe ich eine diebische Freude und erzähle gerne Freunden und Kollegen von absurden Gesprächen, die ich aufgeschnappt oder selbst geführt habe. Entlarvend sind die Beiträge in dem Buch in der Tat. So richtige Brüller fand ich aber nur wenige. Und manche Sprüche waren schon alt, als ich noch jung war.

Eher verstörend und peinlich als lustig


Dass diese Sprüchesammlung von „NEON“, dem Magazin für junge Menschen zwischen 20 und 35, herausgegeben wurde, hätte mir eigentlich zu denken geben sollen. Ich habe das Buch trotzdem gelesen und feststellen müssen: Ich bin zu alt für dieses Konzept. Himmelschreiende Dummheit, ein eklatanter Mangel an Bildung, pure Unverschämtheit, ein respektloser und menschenverachtender Umgang miteinander oder die Äußerungen unzurechnungsfähiger Personen sind für meinen Geschmack eher peinlich oder erschreckend als lustig. Da müsste jemand helfend eingreifen statt wiehernd mit dem Finger auf diese Leute zu zeigen.

Wenn eine überforderte Mutter eins ihrer drei quengelnden Kinder entnervt im Genick packt und keift: „Jetzt halt endlich die Klappe! Weißt du, was ICH alles will?! Hä?! Das Leben ist scheiße, oder warum habe ich euch am Arsch?“ (Beitrag Nr. 254, Berlin), ist das möglicherweise ein Fall fürs Jugendamt, aber nicht meine Art von Humor. Kinderkram wie dieser ist schon eher mein Fall: „Eine katholische Kirche. Der Pfarrer predigt: ‚Der Herr beschütze uns vor allem Bösen in der Welt.’ Die Fünfjährige in der Ersten Reihe ergänzt: ‚Und vor dem bösen Wolf.’“ (Beitrag Nr. 112, Straubing). Wäre ich da Ohrenzeuge gewesen, hätte ich an Ort und Stelle laut losgelacht.

Nett ist auch die Episode in der Buchhandlung: „Ich hätte gerne das Buch ‚Wie wir uns liebten’ von Lorenz Müller“, verlangt die Kundin. Die Buchhändlerin geht, ohne mit der Wimper zu zucken, zum Regal und bringt das gesuchte Werk: ‚Als wir träumten’ von Clemens Meyer. (Beitrag Nr. 233, Berlin)

Sprüche für Leute im Alter von 20 bis 35


Manches habe ich schlicht nicht verstanden. Vielleicht ist das nur in der jeweiligen Mundart witzig. Warum jemand „ablösen“ mit „abküssen“ verwechseln sollte, hat sich mir zum Beispiel nicht erschlossen. Und wenn’s irgendwelche Szenewitzchen sind, ist bei mir sowieso Feierabend, da fehlen mir aus Altersgründen einfach die Vokabeln. Atzen? Pogen? Da hat mich selbst Google nicht wesentlich weiter gebracht.

Es ist, wie gesagt, nicht die „Schuld“ der Herausgeber, sondern meine. Ich habe ein Buch gelesen, das nicht für meine Altersgruppe bestimmt war. Also kann ich nur feststellen: Für Leute meines Alters (50+) ist das nichts. Ob die Sprüche das Humorzentrum der 20- bis 35jährigen Leserinnen und Leser treffen, vermag ich nicht zu beurteilen.

Rezensent: Edith Nebel
EdithNebel@aol.com

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