Ute Böttinger: Friedrichsruhe. Ein kulinarischer Krimi

Ute Böttinger: Friedrichsruhe. Ein kulinarischer Krimi, Meßkirch 2016, Gmeiner Verlag, ISBN 978-3-8392-1826-6, Softcover, 310 Seiten, Format: 11,8 x 2,7 x 20 cm, Buch: EUR 11,99 (D), EUR 12,40 (A), Kindle Edition: EUR 9,99.

Abbildung: (c) Gmeiner Verlag
Abbildung: (c) Gmeiner Verlag

Öhringen, im Juni 2016: Das malerische Städtchen im Nordosten Baden-Württembergs hat sich für die Landesgartenschau herausgeputzt und erwartet jede Menge auswärtige Besucher. Was man da am allerwenigsten gebrauchen kann, ist ein spektakulärer Kriminalfall, der das Publikum verschreckt. Genau damit aber bekommen es Kriminalhauptkommissar Karl Friedrich Freiherr von Bühl, 55 und aus dem Sauerland zugezogen und seine Kollegin, Kriminalkommissarin Marie Lena Dambach, Anfang 20 und ein einheimisches Gewächs, jetzt zu tun.

Ein Promi wird vermisst. Entführung? Mord?


Der Sternekoch Olaf Ben Struck vom Luxushotel Residenz Jagdschloss hätte bei einer Live-Fernsehsendung auf dem Öhringer Marktplatz seinen zweiten Michelin-Stern verliehen bekommen sollen und ist nicht erschienen. Er war auch nicht, wie er versprochen hatte, am Morgen bei seiner Frau und seinem neugeborenen Sohn im Krankenhaus. Und das, wo er als überaus zuverlässig bekannt ist! Dass er sich freiwillig vom Acker gemacht hat, ist praktisch ausgeschlossen. Privat und beruflich kann es für ihn gar nicht besser laufen als jetzt. Es muss ihm also etwas zugestoßen sein.

Eine Blutlache vor einer Sportschule in Waldenburg und sein verlassen aufgefundenes Auto legen den Schluss nahe, dass Struck niedergeschlagen und abtransportiert wurde. Ob tot oder lebendig, das ist noch ungewiss. Nur der Leser weiß, dass der Koch noch lebt und unter Drogen gesetzt und gefangen gehalten wird. Es müssen mindestens zwei Täter sein. Doch was ihre Motive und Absichten sind, bleibt rätselhaft.

Neider, Stalker, Schweinereien


Die Kommissare von Bühl und Dambach haben inzwischen erfahren, dass Struck anonyme Drohungen bekommen und in den letzten Wochen ziemlich gestresst und beunruhigt gewirkt hat. Er hatte natürlich Neider in der Gastronomiebranche und außerdem ein Stalkingproblem mit einer früheren Freundin. Caroline Struck erwähnt außerdem, dass ihr Mann von einer „großen Schweinerei“ gesprochen habe, der er auf der Spur sei. Da sie aber keine Ahnung hat, was er damit gemeint haben könnte, wird dieser Punkt ermittlungstechnisch nicht verfolgt. Dabei hätte vielleicht eine ortsansässige Geschäftsfrau mehr darüber gewusst. Dass auch sie seit einigen Wochen schwer in Sorge ist, weiß aber nur der Leser, nicht die Polizei.

Nach sechs Tagen geht endlich eine Lösegeldforderung ein. Warum erst jetzt? Und kann man das Lebenszeichen Strucks tatsächlich als ein solches verstehen?

Von alleine wären die Polizisten vermutlich nie auf die Lösung gekommen. Wenn nicht ein Mitwisser kalte Füße bekommen hätte, wäre der Fall auf ewig ungeklärt geblieben. Vielleicht sollen Friedrich und Marie Lena weniger futtern und quasseln und stattdessen mehr ermitteln.

Tolle Tourismuswerbung, wenig Krimi


Ich habe die Seiten nur grob ausgezählt und so genau lassen sich die Themenbereiche auch nicht immer abgrenzen, aber über den Daumen gepeilt ist FRIEDRICHSRUHE zu 30% Krimi, zu 50% Heimatkunde, Kulinarik & Tourismuswerbung und zu 20% „Sauerland-Friedrichs“ privater Befindlichkeitskram.

Das Geplänkel zwischen den Kommissaren ist amüsant: Da ist der dienstmüde Hauptkommissar, der vom vorzeitigen Ruhestand träumt, seine im Ausland lebende Freundin vermisst und sein nicht unbeträchtliches ererbtes Vermögen gerade in den Aufbau einer sozialtherapeutischen Einrichtung für straffällige Jugendliche steckt – im Sauerland, wohin er umgehend zurückkehren will. Wenn er nicht doch zu Muriel nach Meran zieht. Und da ist die bodenständige, flapsige und ehrgeizige Jungkommissarin Marie Lena. Die hat sich zwar mit ihrem Verlobten Micha und dem innigen Kontakt zu den Schwiegereltern in spe, einem Gastwirts-Ehepaar, ganz bürgerlich eingerichtet, aber eigentlich möchte sie jetzt gar nicht heiraten und Mutter werden, wie es der Familie vorschwebt. Sie liebt ihre Arbeit und will erst einmal Karriere machen. Wie von Bühl und Dambach sich kabbeln, das liest man gern.

Wer nicht gerade Vegetarier oder Veganer ist, dürfte bei dem omnipräsenten Gerede vom Essen (mit viel Fleisch!) dauernd Appetit bekommen. Und der eine oder andere Leser wird vielleicht auch gern mal die Landesgartenschau in Öhringen besuchen wollen, nachdem er jetzt so viel darüber gelesen hat. Wirkliche Spannung kommt allerdings kaum auf. Dazu wird die Krimihandlung zu sehr von den Tourismus- und Beziehungsthemen dominiert.

Ein Hauch von Seifenoper


Die junge Kriminalkommissarin Marie Lena wirkt in ihrer unbekümmert-frischen Art sehr sympathisch. Ihr Chef, Friedrich „Freddie“ von Bühl und seine glamouröse Meraner Journalisten-Freundin, bei deren Beschreibung ich sofort die Schauspielerin Laura Leighton (die Sydney Andrews aus der Serie MELROSE PLACE) vor Augen hatte, haben ein bisschen was von Seifenopernhelden. Gutaussehend, sehr reich geboren bzw. geschieden, überaus kultiviert und ein klein wenig schnöselig. Die passen so gar nicht zu den handfesten Hohenlohern, in deren Welt es sie verschlagen hat.

Dass Friedrich sich in der „Provinz“, in die er nur seiner verstorbenen hohenlohischen Frau zuliebe gezogen ist, nie wohlgefühlt hat, kann man sich vorstellen. Dass diese Ehe nicht funktioniert hat, ebenfalls. Wenn er von seiner Alexandra spricht, kommt sie sehr dominant und er ziemlich waschlappig rüber.

Warum eigentlich wird ausdrücklich erwähnt, dass Friedrichs Gattin denselben Familiennamen trug wie sein jetziger Chef – Deininger – wenn nichts daraus folgt? Die ganze Zeit über dachte ich, jetzt kommt sicher gleich raus, dass der Polizeipräsident in Wirklichkeit Friedrichs Schwager ist und sie sich nur vor Publikum siezen. Aber nichts war’s. Alexandra von Bühl hätte genauso gut eine geborene Meier, Müller oder Schmidt sein können.

Ich denke, FRIEDRICHSRUHE ist hauptsächlich etwas für Leser, die in Öhringen und Umgebung jeden Stein (er-)kennen. Auch als Tourismuspromotion oder Landesgartenschau-Souvenir könnte das Buch gut funktionieren. Aber als reiner Krimi, bei dem Leser aus der Region lediglich einen kleinen Heimvorteil haben, haut das Konzept nicht so recht hin. Es ist wie ein langer Artikel über die Schönheiten und Vorzüge des Hohenlohischen, aufgehängt an einem etwas zu dünnen Krimiplot. Und ein verzweifelter, überforderter „Bösewicht“, dem einfach eine schwierige Situation komplett über den Kopf wächst, hätte es meines Erachtens auch getan.

Die Autorin
Ute Böttinger, geboren im schwäbischen Herrenberg, lebt mit einem waschechten Hohenloher in einem 130-Seelen-Dorf bei Öhringen. Die Journalistin und Autorin begann ihr Schreiben zunächst in der Lokalredaktion einer Tageszeitung, hat sich aber seit vielen Jahren freischaffend vor allem kulinarischen Themen zugewandt. Für namhafte Magazine war sie als Restauranttesterin unterwegs.

Rezensent: Edith Nebel
EdithNebel@aol.com

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