Anja Eichbaum: Inselcocktail. Kriminalroman

Anja Eichbaum: Inselcocktail. Kriminalroman, Meßkirch 2017, Gmeiner Verlag, ISBN 978-3-8392-2109-9, Softcover, 406 Seiten, Format: 12 x 3,5 x 20 cm, Buch: EUR 14,00 (D), EUR 14,40 (A), Kindle Edition: EUR 10,99.

Abbildung: (c) Gmeiner Verlag

Es gibt sicher attraktivere Termine, um Norderney zu besuchen als ein Wochenende Ende Oktober. Trotzdem verschlägt es ein halbes Dutzend Personen aus unterschiedlichen Gründen zu diesem Zeitpunkt auf die Insel. Das Wetter ist ungastlich, aber deswegen sind sie nicht hier.

Ruth Keiser, Juristin und Polizeipsychologin, geschieden, eine erwachsene Tochter, reist an, weil sie ab Montag im Auftrag der Caritas ein Seminar leiten soll. Die temperamentvolle Friseurin Daniela Rick (41) aus Bonn hat gerade eine Trennung hinter sich und gönnt sich eine zweiwöchige Auszeit auf ihrer Lieblingsinsel.

Vier Frauen, verabredet mit demselben Mann


Studienrätin Constance Tarnow (36), eine attraktive langhaarige Blondine, die Kommunikationswissenschaftlerin und Ex-Arztgattin Dörthe Brandtstetter (42) aus Mainz, die etwas wunderliche IT-Fachfrau und leidenschaftliche Geocacherin Merle Rosenbaum (41) aus Mannheim sowie die gutmütige und ein bisschen naive Krankenschwester Juliane Kamper, geschieden und allein erziehende Mutter des kleinen Noah, sind alle aus demselben Grund hier: Ohne voneinander zu wissen, sind sie an diesem Wochenende mit ihrer Internetbekanntschaft mit dem albernen Nickname „Johannes Duweißtschonwer“ verabredet. Jede der Damen hofft auf die große Liebe, aber der geheimnisvolle Herr lässt sich nicht blicken und vertröstet die vier mit immer neuen phantasievollen Ausreden.

Krankenschwester Juliane hat als erstes die Nase voll. Solche Spielchen braucht sie nicht, da fährt sie lieber wieder heim in ihre WG und zu ihrem Sohn. Doch sie sitzt auf der Insel fest. Der schwerste Orkan seit Jahrzehnten schneidet Norderney vom Festland ab. Auch Lehrerin Constance will nur noch anstandshalber zu dem Treffen gehen, falls es denn je stattfindet. Während sie auf Johannes gewartet hat, hat sie nämlich in der legendären „Milchbar“ den sympathischen Medizintechniker Jan Jahnke kennengelernt, der ebenfalls als Tourist hier ist. Nun braucht sie keinen virtuellen Johannes mehr.

Tod nach dem Date


Am Abend amüsieren sich Friseurin Daniela Rick und ihre Pensionswirtin Marthe Dirkens noch über eine ziemlich exzentrischen Frau, die mit dem bevorstehenden Date mit ihrem Chatpartner prahlt, am nächsten Morgen wird diese tot am Strand gefunden. Mittlerweile ist der Orkan so stark, dass die Spurensicherung nicht nach Norderney kommen und die Leiche auch nicht zur Obduktion aufs Festland gebracht werden kann. Aus der Not heraus formiert sich eine ungewöhnliche Ermittlertruppe bestehend aus Polizisten und Zivilisten.

Polizeipsychologin Ruth Keiser steht ihrem alten Bekannten, dem Inselpolizisten Martin Ziegler bei. Unterstützung bekommen sie von Krimifan Daniela Rick, die dadurch in den Fall gestolpert ist, dass sie mit der Toten in derselben Pension gewohnt hat und mit Ruth Keiser flüchtig bekannt ist. Mit von der Partie ist auch Computerfachmann Frank Prinzen, ein Freund von Daniela, der derzeit beruflich auf der Insel ist, sowie die Ärztin Anne Wagner.

Vom Festland abgeschnitten – Zivilisten ermitteln


Das provisorische Ermittlerteam gibt sich alle Mühe, herauszufinden, was der Frau zugestoßen ist. Doch ohne Autopsie ist nicht einmal die Todesursache klar. Äußerliche Verletzungen sind nicht erkennbar. Die Frau hatte gesundheitliche Probleme und könnte auch eines natürlichen Todes gestorben sein.

Erst als eine weitere junge, fitte Frau aus unerfindlichen Gründen bewusstlos zusammenbricht, verdichtet sich der Verdacht auf Fremdeinwirkung. Auch diese Frau hatte ein Date mit einem Bekannten aus dem Internet – offenbar mit demselben wie die Tote. Hat der Kerl auch noch andere Damen auf die Insel bestellt und plant nun, eine nach der anderen umzubringen? Wenn ja, müssen diese Frauen schleunigst gefunden werden!

Weitere Frauen in Gefahr


Den in die Geschichte eingestreuten Tagebuchaufzeichnungen entnehmen wir Leser, dass genau das des Täters Plan ist. Er scheint auf einem wahnhaften Rachefeldzug zu sein. Und da wir wissen, wer noch alles mit „Johannes“ verabredet ist und die Vorgeschichte der Frauen kennen, fiebern wir mit ihnen mit. Ach, bitte, lass die am Leben, die ist ohnehin schon vom Schicksal so gebeutelt! Und die andere bitte auch! Die scheint gerade ihren Weg zu finden.

Wird die Polizei mit ihren Laien-Hilfskräften die gefährdeten Frauen rechtzeitig finden und warnen können? Und was genau geht im Kopf von „Johannes“ vor? Haben wir ihn am Ende die ganze Zeit über vor der Nase gehabt? Von manchen Leuten im Dunstkreis der Ermittler wissen wir nur das, was sie uns erzählt haben. Und so verdächtigt man als Leser mal diesen und mal jenen und bekommt, genau wie die Ermittler, erst recht spät eine Vorstellung davon, was hier wirklich läuft.

Nebeneffekt Tourismuswerbung


INSELCOCKTAIL funktioniert als Krimi und als Tourismuswerbung ;-). Nur die Datingportale kriegen hier ein Imageproblem. Man zittert mit den möglichen Opfern und rätselt mit dem bunt zusammengewürfelten Ermittlerhaufen. Und man möchte bitte jetzt sofort auf die Insel, am besten in die abgerockte Pension von Marthe Dirkens, und am Abend in der Milchbar beim Cocktail den Sonnenuntergang genießen.

Erzählt aus vielen Perspektiven


Die Lektüre erfordert Konzentration, weil die Geschichte nicht den einen Protagonisten hat, bei dem alle Fäden zusammenlaufen, sondern alle fünf bis zehn Seiten ein Perspektivwechsel stattfindet und die Ereignisse aus der Sicht einer anderen Person weitererzählt werden. Ich habe mir einen Spickzettel gemacht mit Name, Alter, Beruf, Herkunft und Familienstand, weil ich sonst bei den schnellen Szenenwechseln zu viel Orientierungszeit benötigt hätte.

Es hat natürlich seinen Reiz, wenn die Hintergrundgeschichten der verschiedenen Personen erst nach und nach enthüllt werden, aber wenn man als Leser dabei den Überblick behalten will, hat man gut zu tun. Durch diese „multiperspektivische“ Erzählweise wird aber auch jede Handlung nachvollziehbar. Was die Personen tun, ist kein Zufall. Alles ergibt sich aus ihren vorangegangenen Erfahrungen. Man kann es verstehen. Das gilt, auch wenn dessen Gedanken ziemlich krank sind, zum guten Schluss auch für den Mörder.

Die Autorin
Anja Eichbaum stammt aus dem Rheinland, wo sie bis heute mit ihrer Familie lebt. Als Diplom-Sozialarbeiterin arbeitet sie seit vielen Jahren leitend in der Kinder- und Jugendhilfe. Frühere biographische Stationen wie eine Krankenpflegeausbildung und ein »halbes« Germanistikstudium bildeten Grundlage und Füllhorn zugleich für ihr literarisches Arbeiten. Seit 2015 geht sie mit ihren Werken an die Öffentlichkeit und kann seitdem auf spannende Projekte und Erfolge verweisen (1. Platz für eine Thriller-Kurzgeschichte; Radioveröffentlichungen; Mitwirkung an »Bonn schreibt an Kinderbuch: Ankommen in Bonn«). Aus ihrer großen Liebe zum Meer und besonders zur ostfriesischen Insel Norderney ist nun ihr erster Krimi entstanden.

Rezensent: Edith Nebel
EdithNebel@aol.com

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