Katzen kauft man nicht

Achtundzwanzig Jahre meines Lebens bin ich ’“ irgendwie ’“ ohne Katzen ausgekommen. Als eine Schwester im Krankenhaus einmal zu mir sagte, ich sei ein ’žKatzentyp’œ, war ich voellig verbluefft. Bis dato war ich noch keiner Katze naeher als 2 Meter gekommen. Bei uns zu Hause gab es keine Tiere. Vater verabscheute jegliche Abhaenigkeit. ’žWohin mit den Viechern, wenn man verreist?’œ, hiess es bei ihm stets.

’žKatzentyp? Ich? Ich habe doch ueberhaupt keine Katze!’œ, wandte ich ein. Die Krankenschwester lachte. ’žDas will nichts heissen. Das geht oft schneller als man denkt!’œ

Und richtig: Einige Monate spaeter war ich Besitzerin eines schildpattfarbenen Persermix-Kaetzchens. So ganz aus eigenem Antrieb geschah das freilich nicht. Eine Kollegin ging im Betrieb mit der Nachricht hausieren, ihr Nachbarsjunge habe vor kurzem ein Kaetzchen angeschleppt: ’žPapi, ich hab ihm das Leben gerettet!’œ ’“ ’žToll’œ, sagte der Papi. ’žIn ein paar Wochen verreisen wir!’œ Das Tierchen sollte dann ins Heim. ’žKommt nicht in Frage’œ, sagte meine Kollegin. ’žDas bring ich schon gut unter…’œ

Am naechsten Samstag brachte sie mir mein Kaetzchen ins Haus. Komplett mit Klo, Streu und Futter, Impfpass und Haarbuerste. ’žAch uebrigens: Sie heisst Dusty!’œ So kam ich zu meiner ersten Katze.

Bei Bekannten holte ich mir erst einmal ’žPflege-Anleitungen’œ. Ich wusste ja so gut wie gar nix ueber Katzen. Dass sie kratzen, Fisch moegen und auf Baeume klettern. Das war aber auch schon alles.

Erstaunlich schnell wird man jedoch zum Experten. Die Katzen erziehen einen schon dazu. Und noch zu manchem anderen. Ich lernte, still zu sitzen und nicht staendig hektisch herum zu rennen, denn die Katze lag auf meinem Schoss. Ich bewegte mich langsam und vorsichtig statt hastig, denn Dusty erschrak sonst. Und ich gewoehnte mir ab, mit meinem Eigentum ’žzickig’œ zu sein. Beim ersten Mal, als Dusty die teuren Gardinen erklomm, am Sofa kratzte, sich durch Herunterwerfen von Blumentoepfen auf der Fensterbank Platz fuer einen Ausguck schuf, die Toilettenpapier-Rolle bis aufs letzte Blatt abwickelte, mit den Vorderpfoten die Toilettenspuelung drueckte, weil das so schoen rauschte … traf mich fast der Schlag. Irgendwann sagte ich mir dann: Das ist jetzt nicht mehr MEINE Wohnung, das ist jetzt UNSERE. Und mit allem, was ich mir nicht abgewoehnen kann, muss ich eben leben. So lehrte mich die Katze Gelassenheit.

Es war allerdings nicht fair, sie den ganzen Tag alleine zu lassen. Meine berufliche Beanspruchung stieg, und ich war laenger und laenger ausser Haus. Sie sollte sich nicht einsam fuehlen muessen. Und ich beschloss: Dusty braucht einen Partner.

’žDu musst unbedingt mal zum Minigolf mitkommen’œ, sagte mein Freund eines Tages. ’žNeben dran ist ein Bauernhof mit mindestens zwanzig verwilderten Katzen. Die haben gerade Junge.’œ Junge Katzen -! Da war ich gleich dabei.

Die armen Tiere dort taten mir Leid. Kleine, magere Katzen, die im Schweinestall hausten und sich von dem ernaehrten, was ihnen gastwirt und Gaeste zukommen liessen. Eine schmutzige Schuessel mit Pizzaresten stand auf dem Hof, das war ihr ganzes Futter. Wenn ich da an meine wohlgenaehrte Dusty zu Hause dachte! Manche Tiere hatten Schnupfen und sassen ganz apathisch in der Ecke.

Auf einmal sah ich aus dem Augenwinkel etwas kleines Grauses durch in Loch in der Stalltuer flitzen. Ein silbergraues Kaetzchen ohne jede Zeichnung, aber mit einer weissen Schwanzspitze. Ich hatte nicht viel mehr gesehen als ein kleines Hinterteil. Aber mir war klar: ’žDas Kerlchen will ich als Spielgefaehrten fuer meine Dusty’œ.

’žNimm’™s mit’œ, sagte der Wirt. Aber es brauchte noch Wochen und viele Fangversuche, bis mein Freund das kleine Tierchen nach Hause brachte. Im Kofferraum seines Autos transportierte er es heim. ’žDu glaubst nicht, was mir der Kleine fuer Schwierigkeiten gemacht hat’œ, sagte er. ’žErst hab ich ihn auf den Ruecksitz gesetzt und das Fenster einen Spalt aufgelassen, damit er Luft kriegt. Nach ein paar Sekunden flitzte er schon wieder durch den Hof! Weiss der Hilmmel, wie der da rauskam. Dann hab ich ihn in den Kofferraum gesteckt. Kaum drehe ich mich um, sitzt er auf der Ablage. Er muss durch soooo eine kleine Ritze gekrochen sein! Mit dem wirst du noch viel Freude haben!’œ

’žSmokey’œ nannten wir den kleinen Ausbrecherkoenig und quartierten ihn erst einmal in meinem Buero ein. Quarantaene. Denn er hatte, wie seine ganze Familie, Katzenschnupfen und Floehe.

Er rollte sich auf dem Teppich zusammen und schlief sich erst einmal aus. Zusammen gerollt war er nicht groesser als eine Packung Papiertaschentuecher.

Wir stellten ihm einen Plastikteller voller Katzenfutter hin. Hunger hatte er wie ein Wolf. Er setzte sich gleich zu seinem Fressen in den Teller. Und schniefte beim Schlabbern ganz erbaermlich, denn er bkam duch den Schnupfen kaum Luft. Aber bruellen konnte der Kleine! Als ich die Buerotuer hinter ihm schloss, protestierte er so laut, dass man es noch draussen im Haugang hoerte. ’žWas wird denn der, wenn er gross wird?’œ, fragte ich. ’žEin Puma?’œ

Am naechsten Tag setzte ich meine Handvoll Kater in einen Schuhkarton, zog ein Einkaufsnetz darueber und ab ging es zum Tierarzt. ’žDen bringen wir schon durch’œ, hiess es. Die Katzenpflege ergab fuer einige Wochen volles Programm: Augensalbe verabreichen, zerstampfte Tabletten unters Futter mogeln, mit Flohpuder aus einem grauen Kater einen weissen machen, gut fuettern und fest lieb haben … Ich hab dem kleinen Kerl sogar ein Kamillendampfbad verpasst. Er liess es sich gefallen, und offensichtlich tat es ihm gut.

Als er endlich mal zu schniefen aufhoerte, atmeten wir auf. Als er sich das erste mal putzte, waren wir uebergluecklich. Wenn er dafuer genug Atem und Interesse aufbrachte, dann war er sicher ueber den Berg!

Dusty war von dem neuen ’žBaby’œ zunaechst alles andere als begeistert. Sie knurrte, fauchte und spuckte. Aber Smokey rueckte ihr immer wieder auf die Pelle. Riesengross wurden ihre Augen, wenn er sich neben ihr niederliess. ’žDarf der das?’œ, schien sie uns zu fragen.

Eines Tages, als er sich wieder einmal ihr zu Fuessen zum Schlafen nieder legte, seufzte sie tief ’“ und legte sich dazu. Das Eis war gebrochen. Fortan schliefen sie Seite an Seite oder Nase an Nase. Sogar an Smokeys Angewohnheit, sich mit einem Aufschrei der Begeisterung auf sie zu stuerzen und ihr den Kopf abzulecken, hat Dusty sich mit der Zeit gewoehnt.

Irgendwann wurde aus dem struppigen Kinderfellchen ein seidenweicher grauer Pelz. Und aus dem mickrigen Gassenkind mit den duerren Frosch-Schenkeln wurde ein wohlgenaehrter Vier-Kilo-Kater. Der sehr genau weiss, was er will.

Ein Wecker ist ueberfluessig, seit wir den Kater haben. Smokey weiss genau, wann Fruehstueckszeit ist. Und bruellt puenktlich morgens um 5 vor der Schlafzimmertuer. Seine Stimmgewalt, die uns gleich am ersten Tag aufgefallen war, hat er behalten. Seine Herkunft aus dem Schwinestall kann er nicht ganz verleugnen: Seine Manieren sind ein bisschen rustikal geblieeben. Nicht nur beim Essen. Wenn er schmusen moechte, tut er das, egal, was seine Menschen gerade machen. Er trampelt ueber Strickzeug oder Tageszeitung hinweg und laesst sich uns auf den Schoss fallen. Und wenn er spielen moechte dann schleppt er den naechst besten Gegenstand an und laesst ihn vor dem Menschen seiner Wahl fallen. Dann wartet er. Das heisst, er wuenscht zu apportieren, wie ein Hund. Ich weiss bis heute nicht, ob wir ihm das beigebracht haben oder er uns.

Und ich weiss heute beim besten Willen nicht mehr, wie ich 28 Jahre meines Lebens ohne Katzen ausgekommen bin. Die Krankenschwester hat recht gehabt: ich bin ein Katzentyp mit Leib und Seele!

Manchmal ziehen wir mit einer Kilodose Katzenfutter und einem Doesenoeffner im Gepaeck los. Auf den Minigolfplatz. Smokeys arme Verwandte besuchen …

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