Die Stimme ihres Herrn

„Tschüss“, sagt mein Mann und schnappt sich seine Sporttasche. „Ich geh dann mal“. Und die Wohnungstür schnappt hinter ihm ins Schloss. O je! Jetzt kann ich nur hoffen, dass seine zickige Espresso-Maschine das nicht gehört hat! Ich hätte nämlich gerne einen Kaffee – und die Maschine geruht nur dann zu funktionieren, wenn er in Hörweite ist. Wie vieles, was der Gatte ins Haus geschleppt hat, kann mich auch dieses Biest nicht leiden und hört ausschließlich auf die Stimme ihres Herrn.

Dabei bin ich durchaus kein technischer Depp – ich domptiere, warte und repariere lässig und erfolgreich alle Arten von Büromaschinen und wurde in meiner Jugend auch mit größeren Kalibern fertig – mit verschiedensten Druckmaschinen. Aber das Kaffeemonster, das sich mein Mann von seiner Jubiläumsprämie gekauft hat, widersetzt sich mir mit bösartiger Hartnäckigkeit und verweigert mir den Dienst.

Es ist immer das gleiche Spiel: Ich schleiche mich an, drücke den Einschaltknopf – wobei man ja im Grunde nix falsch machen kann – und erwarte, dass auf dem Display die Meldung aufleuchtet „aufheizen und spülen“. Aber nichts dergleichen tut sich. Erstmal versucht es das Biest mit der Meldung „stand by“. Ha! Ich drücke den Startknopf, genau wie’s mein Mann in solchen Fällen immer macht. Das Ding grinst hämisch und nörgelt: „Wassertank füllen.“ Okay, bitte, füllen wir den Wassertank. Ich baue den Tank hab, trage ihn zum Wasserhahn und fülle ihn bis zur Markierung mit kaltem Leitungswasser. Dann setze ich den Tank wieder ein. Und erneut kommt die Meldung „Wassertank füllen“. Langsam werde ich ungeduldig: „Hör mal, du Biest, der Tank ist voll bis zum Anschlag. Alles andere ist Einbildung. Also nerv mich nicht und mach jetzt Kaffee!“ Das Biest weigert sich.

Ich bau den Tank wieder ab, setze ihn erneut auf, und die Meldung erlischt. Aber jetzt kommt nicht etwa der Kaffee. Jetzt fordert die Maschine: „Satzbehälter leeren“. Auch gut, auch das mache ich. „Ist jetzt gut, du Monster? Krieg ich jetzt endlich meinen Kaffee? Oder hast du sonst noch Wünsche?“ Das hätte ich besser nicht fragen sollen. Denn jetzt möchte es Kaffeebohnen. Die bekommt es. „Aber nun kommt der Kaffee … oder?“ Nee! Denkste! Jetzt will der Apparat auch noch entkalkt werden. Nun reicht’s mir endgültig: „Nun ist aber gut! Hast du jetzt endlich alles durch? Oder kommt noch was? Wie wär’s mit entspinnen, entzicken und entnörgeln?“ Die Maschine schweigt. „Weißt du was?“, sag ich zu ihr, „Du kannst mich mal gern haben! Jetzt mach ich mir einen Tee!“ Die Teemaschine hat mir meine Schwiegermutter geschenkt – damit komme ich wunderbar klar.

Und der Espresso-Automat ist nur ein Beispiel! Mindestens genau so widerspenstig, gattenfixiert und frauenfeindlich ist unsere HiFi-Anlage. Habe ich schon erwähnt, dass Unterhaltungselektronik seit frühester Jugend das Hobby meines Mannes ist? Nein? Dann wissen Sie’s jetzt. Alles was neu auf dem Markt ist und Krach macht, bevölkert früher oder später unseren Haushalt. In jeder Ecke des Wohnzimmers hängt mindestens ein Lautsprecher, neben der Couch steht eine selbst gebaute Bass-Box, die die Ausmaße eines mittleren Kühlschranks hat. TV-Gerät, Satelliten-Receiver – analog und digital – Videorekorder, DVD-Player, Kassettendeck und Plattenspieler und diverses Gedöns, von dem ich nicht mal ansatzweise ahne, was es macht, stehen ordentlich gestapelt und unordentlich verkabelt in einem Regal übereinander. Von den Geräten zum Fernseher verläuft ein daumendicker Kabelkanal die ganze Wand entlang. Ein halbes Dutzend Fernbedienungen liegen auf dem Tisch.

Um ganz normal fernsehen zu können, muss ich acht Knöpfe an vier verschiedenen Geräten drücken. Manchmal klappt das. Aber nur, wenn niemand etwas verstellt hat und keine Katze auf die Fernbedienung getreten ist und absonderliche Funktionen in Gang gesetzt hat. Also eher selten. Eine winzige Abweichung in den Standard-Einstellungen, und ich bin aufgeschmissen. Ich hab sogar schon mal meinen Mann im Krankenhaus angerufen, weil ich trotz verzweifelten Knöpfchendrückens nur einen lila Bildschirm hatte und keinen Ton. Auch wenn mir der Gatte seit 25 Jahren versichert, das sei alles furchtbar einfach und sämtliche Fernbedienungen funktionieren gleich – ich hab da einen ganz anderen Eindruck! Vor allem, weil er, sobald ich endlich weiß, was ich machen muss, mindestens ein Gerät durch ein neues ersetzt. Und wieder steh ich da wie der Ochs vorm Berg und fange von vorne an, mir Knöpfe, Tasten und Funktionen einzuprägen. Immer und immer wieder … und mit zweifelhaftem Erfolg. Mittlerweile hab ich resigniert. Wenn ich wieder mal kein Bild und keinen Ton zustande kriege, ziehe ich mich in mein Büro zurück. Dort hat’s den ganzen Gerätepark noch einmal – 10 bis 20 Jahre älter, eine Nummer kleiner und so einfach, dass auch ich damit zurecht komme.

Aber nicht nur der häusliche Maschinenpark ist auf meinen Mann fixiert – der familieneigene „Tierpark“ ist mindestens genau so zickig. Ich sag nur: Kater Rocky. Den hat mein Mann aufgezogen, und nun ist er für alle Zeiten für dieses Tierchen die Bezugsperson. Mich nimmt der Kater gar nicht für voll. Komplimentiere ich die ganze Katzenbande abends in die Wohnung, weil ich die Türen schließen möchte, ist Rocky immer der letzte. Ich bitte, ich bettle, ich pfeife, ich winke, fuchtle und befehle. Keine Reaktion. Er sitzt irgendwo hinter den Blumen und tut so, als sei er eine Gießkanne. Er ignoriert mich einfach und bleibt in seinem Versteck. Wahrscheinlich lacht er mich aus. Womöglich macht er sogar unanständige Gesten mit einer Vorderpfote. Weiß man’s? Ich seh’s ja nicht! Ich hab den Kater schon draußen übernachten lassen, weil ich ihn einfach nicht ins Haus gebracht habe. Das interessiert ihn alles nicht. Er hört nur auf die Stimme seines Herrn, basta. Meistens überlasse ich das Rocky-Hereinbitten meinem Mann. Der muss sich dazu nicht mal aus seinem Sessel erheben. Ein kurzer Pfiff und ein Fingerzeig in Richtung Haus – und der Kater kommt gelaufen. Fehlt nur noch, dass er salutiert.

Neulich musste ich doch grinsen. Vielleicht gibt es wirklich so etwas wie ausgleichende Gerechtigkeit? Mein Mann saß an meinem Computer und mühte sich mit dem Schreibprogramm. Er fluchte und schimpfte und rief irgendwann ganz verzweifelt „Weib, komm doch mal her! Ich habe irgendeinen falschen Knopf erwischt! Wie krieg‘ ich jetzt den verflixten Blocksatz wieder raus?“ Ich griff lächelnd nach der Maus und klickte elegant aufs Flattersatzsymbol in der Menüleiste. Zack! Und der Blocksatz war weg. Den Computer habe nämlich ich gekauft. Und der hört nur auf mich!

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