Soziales – wie man auf Madeira lebt und arbeitet
Kinder, Schule, Studium:120 Tage nach der Geburt gilt für die berufstätigen madeirensischen Mütter der Mutterschutz, diese Zeit wird voll bezahlt. Für jedes Geburt gibt es EUR 100,– Kindergeld … eine Art Prämie.
Für die Kleinkinderbetreuung ist gesorgt. Die Vereinbarkeit von Nachwuchs und Beruf dürfte gewährleistet sein: Ab dem Alter von 4 Monaten bis zum Alter von zwei Jahren kann man seine Kids in eine Krippe geben. Ab drei Jahren dann in den ganztägigen Kindergarten. Die Gebühren sind gehaltsabhängig.
Natürlich herrscht Schulpflicht, wir sind hier in Europa. Jedes Dorf hat eine eigene Grundschule bis zur 4. Klasse, danach müssen die Kids in die nächstgrößere Gemeinde zur Schule. Die ersten 9 Schuljahre sind für alle gleich, es gibt hier keine so frühe Trennung in verschiedene Schularten wie im Gymnasium. Erst ab Klasse 9 trennen sich die Wege der Schüler – entweder in Richtung Berufsschule oder in Richtung Abitur/Studium. Die meisten Schulen sind übrigens Ganztagesschulen.
Für die Schüler gibt es 3 Monate Sommerferien, 2 Wochen Weihnachtsferien, zwei Wochen Osterferien und 3 Tage frei an Karneval. Ich muss mir das direkt mal näher anschauen: Ist da eigentlich noch Zeit übrig, in der man lernen kann?
Kindergeld gibt’s auch, nicht nur diese EUR 100,– Geburtsprämie:
Es gibt ein monatliches Stillgeld von EUR 20,– bis das Kind 10 Monate alt ist. Danach gibt es EUR 25,- pro Kind und Monat gibt es, so lange ein Kind in die Schule geht und studiert.
Ab drei Kindern gibt es vom dritten Kind aufwärts EUR 30,– pro Kind und Monat. Für Kinder mit Behinderung gibt es je nach Schwere der Behinderung und Pflegeaufwand pro Kind und Monat zwischen EUR 40,– und EUR 150,–.
Nicht alle Fakultäten kann man auf Madeira studieren. Was da an der Uni nicht angeboten wird, dafür müsste man aufs Festland nach Portugal gehen. Das ist aber recht teuer von den Lebenshaltungskosten her. Ein Stipendium ist möglich und erleichtert so manches. Trotzdem bleibt’s ein teueres Vergnügen, außerhalb von Madeira zu studieren.
Arbeit und Rente: Hauptsächlich lebt man auf Madeira vom Tourismus (850.000 Touristen im Jahr und 250.000 Einwohner), von der Landwirtschaft und dem Export von Wein und Bananen. Weniger bedeutend ist die Industrie, in der Hauptsache Stickerei und Korbflechten.
10% der Bevölkerung arbeitet in der Landwirtschaft, 60% im Dienstleistungsbereich, 30% in der Industrie.
In der Landwirtschaft wird wegen der Terrassen- und Hanglage der Felder auch heute noch das meiste in Handarbeit erledigt, der Einsatz von Maschinen ist schlicht oft nicht möglich. 40% der Bauern sind Pächter oder Angestellte. Gerade weil das alles so mühsam von Hand gemacht wird und einfach kein Stück gibt, sind importierte Landwirtschaftsprodukte heute billiger als eigenproduzierte. Die Landwirtschaft auf Madeira hat keine Zukunft, die Jungen machen das auch gar nicht mehr mit. Es lohnt sich nicht.
Löhne, Steuern und Gehälter: Der Mindestlohn beträgt EUR 400,–, darauf entfallen für den Arbeitnehmer keine Steuern. Krankenversicherung, Renten-, Sozialversicherung etc. bezahlt in dem Fall der Arbeitgeber.
Der Durchschnittslohn beträgt rund EUR 800,– brutto. Je nach Verdienst bezahlt der Arbeitnehmer zwischen 6% und 35% Steuern, zuzüglich Krankenkasse, Renten- und Sozialversicherung.
Mit 65 Jahren gehen Männlein wie Weiblein in Rente. Die Minimalrente beträgt EUR 200,– im Monat. Die Maximalrente berechnet sich etwas kompliziert: 65% des Lohns der beste bezahlten 10 Jahre der letzten 15 Jahre Arbeit.
Mieten, kaufen, bauen:
Wohnen in Miete: Auf Madeira wurde irgendwann die sonderbare Regelung eingeführt, dass die Mieten aus alten Verträgen nicht steigen dürfen. Wer also beispielsweise seit 1974 in einer Mietwohnung lebt, hat’s gut: Er kommt mit so lächerlichen Mietbeträgen wie EUR 15,- im Monat davon. Bei neu abgeschlossenen Mietverträgen langen sie dafür um so stärker zu. Für eine 60 m2-Wohnung verlangen die da schon mal EUR 600,– Miete. Was so ungefähr der Netto-Durchschnittslohn ist. Für junge Leute ist das natürlich schwierig zu finanzieren, weshalb es häufig vorkommt, dass mehrere Generationen unter einem Dach leben. Das würde ganz gut funktionieren, sagte man uns, da die Madeirenser einen ausgeprägten Familiensinn haben. Ich fände die Vorstellung, mit Eltern oder Schwiegereltern, Geschwistern, Schwägerinnen und Schwagern, Kind und Kegel in einer Wohnung zu leben, eher entsetzlich.
Eine Alternative gibt’s zum Glück: Die Sozialwohnungen. Da ist die Miete einkommensabhängig und beträgt ca. 25% vom Gehalt.
Immobilien: Natürlich wird auch die Möglichkeit genutzt, Wohneigentum zu kaufen. Auf dem Land liegen die Quadratmeterpreise so ungefähr bei der Hälfte von dem, was eine Immobilie in Funchal kostet. Und so gibt’s viele Pendler, die außerhalb wohnen und jeden Tag zum Arbeiten in die Stadt fahren.
Grundstückspreis in Funchal: ca. EUR 250,-/m2
Auf dem Land draußen, wie gesagt, rund die Hälfte.
Eine Wohnung kostet im Schnitt EUR 120.000,–, ein Haus EUR 250.000.–
Für einen Kredit zum Hausbau zahlt man ca. 5 – 6% Zinsen.
Im übrigen haben wir erfahren, dass die Häuser auf Madeira keine Heizung haben. Wenn’s dann wirklich mal kalt wird, behelfen sich die Leute mir irgendwelchen Heizöfchen.
Ärztliche Versorgung: Auch auf dem Land ist die ärztliche Versorgung gesichert: Es gibt überall Gesundheitszentren, in denen immer ein Allgemeinmediziner anwesend ist. Einmal die Woche kommt ein Facharzt in die Zentren und behandelt die Patienten, die in sein Fachgebiet fallen. Kompliziertere Fälle müssen ins Klinikum nach Funchal.
Vom Auswandern und Zurückkommen. Während der Diktatur wurde viel Geld in die Kolonialkriege gesteckt und Madeira quasi vergessen. Es ging recht ärmlich zu auf der Insel, und die, die in ihrer Heimat keine Perspektive sahen, wanderten aus. Und nicht nur vereinzelt! Es kam zu einer regelrechten Auswanderungswelle nach Venezuela, Brasilien, Kanada, Australien und Südafrika.
Einige Auswanderer wurden in ihrer neuen Heimat reich, kamen nach Madeira zurück und bauten dort neue Häuser in ihrem Heimatort. Entweder für die Rückkehr oder als Ferienhaus bzw. Sommerresidenz.
Heute ist Auswandern nicht mehr populär. Bei einer Arbeitslosenquote von 2% geht’s den Madeirensern gut.
Aufgrund der Auswanderungswellen gibt es heute mehr Madeirenser und Abkömmlinge derselben im Ausland als auf der Insel selber:
300.000 Madeirenser leben in Südafrika
250.000 in auf Madeira selbst
1 Million davon gibt es weltweit.