Manfred J. Schmitz: WechselJagd – Kriminalroman

Manfred J. Schmitz: WechselJagd – Kriminalroman, Münster 2008, Verlagshaus Monsenstein & Vannerdat OHG, ISBN 978-3-86582-559-9, Taschenbuch, 315 Seiten, 12,2 x 19 x 2 cm, EUR 17,50.

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Als die Putzfrau Athina Kassotaki an ihrem Stuttgarter Arbeitsplatz, der Villa Wolff, erscheint, deutet noch nichts darauf hin, dass an diesem Morgen der Schock ihres Lebens auf sie wartet: Im Schlafzimmer ihres Arbeitsgebers, des Industrie-Managers Josef Maria Wolff, liegt eine nackte männliche Leiche in einer Blutlache.

Der Tote ist Fritz Eggert, ein Jagdbruder des Hausherrn, der am Vorabend in der Villa Gast bei einer feucht-fröhlichen Feier war.

Die junge Griechin fällt vor Schreck in Ohnmacht. Und als sie kurze Zeit später vom Hausmeister gefunden wird, ist das Schlafzimmer blitzblank und die Leiche verschwunden. Athina zweifelt an ihrem Verstand.

Dass sie sich das makabere Szenario nicht nur eingebildet hat, bestätigt kurz darauf die Spurensicherung der Polizei. Im Schlafzimmer hat ein Toter gelegen ’“ und der Hausherr ist verschwunden.

Gleich zwei ermittelnde Instanzen treffen in der Villa Wolff aufeinander: Die Stuttgarter Kriminalpolizei und der Privatdetektiv Tom Keller, der im Auftrag von Wolffs Frau Edita herausfinden soll, warum ihr Mann vor einem halben Jahr seinen Posten als Vorstandsvorsitzender zur Verfügung stellen musste. Wirklich ’žnur’œ wegen des Korruptionsskandals, für den er verantwortlich gemacht wurde?

Edita Wolf, eine ehemalige Journalistin, hat Zweifel an der offiziellen Lesart. Warum hat ihr Mann, ein ausgesprochener Machtmensch, sich nie zu den Korruptionsvorwürfen geäußert? Dass er einfach kommentarlos in den Vorruhestand gegangen ist, ist vollkommen untypisch für ihn. Auch sonst hat er sich in jüngster Zeit stark verändert. Er sei wesensfremd geworden, sagt sie.

Edita Wolff vermutet, dass ihr Mann erpresst und zum Rücktritt gezwungen wurde. Auch, wenn ihre Ehe am Ende ist, will sie Klarheit darüber haben, was wirklich vorgefallen ist.

Durch einen Zeugenhinweis wird Fritz Eggerts Leiche gefunden, ausgerechnet in Wolffs Jagdhütte in Lichtenwald. Während die Polizei ermittelt, wer den Toten dort hin gebracht haben kann und wie es möglich ist, dass Josef Maria Wolff seelenruhig in seiner Stuttgarter Stadtwohnung sitzt und von den dramatischen Ereignissen nichts mitbekommen hat, zapft Detektiv Tom Keller seine Kontakte zur Geschäfts- und Halbwelt an. Dort erfährt er allerhand Unerfreuliches über den Mann seiner Klientin.

Dass Wolff ein Manager alter Schule war, der seine Mitmenschen nicht mit GlacËhandschuhen anfasst, war bekannt. Dass seine Geschäfte nicht immer ganz sauber waren, wusste man spätestens seit dem Korruptionsskandal. Auch dass er ein Frauenheld war, ist nicht neu. Doch dass er Kontakte zum Milieu und eine Vorliebe für minderjährige Mädchen hatte, kommt überraschend. Selbst seine Frau wusste davon nichts.

Mitten in die Ermittlungen hinein platzt die Nachricht vom gewaltsamen Tod eines weiteren Jagdbruders.

Warum werden die Jäger auf einmal zu Gejagten? Zumindest die Theorie, dass Fritz Eggert sterben musste, weil ihn jemand für Josef Maria Wolff gehalten hatte, ist nun hinfällig.

Wurden den Jagdfreunden krumme Geschäfte zum Verhängnis? Oder ihre Kontakte zur Halbwelt? Haben sie vielleicht eine Tochter zuviel missbraucht? Gehen überhaupt beide Morde auf das Konto ein und desselben Täters oder gibt es zwei Mörder mit ganz unterschiedlichen Motiven?

Sagt Edita Wolff wirklich alles, was sie weiß? Und hat Privatdetektiv Tom Keller eigentlich noch die nötige Distanz zu dem Fall oder hat er schon etwas zu tief in Frau Wolffs karibikblaue Augen geschaut?

Da geschieht ein dritter Mord …

Wer jagt die Jäger?

Erst jagen die einen, dann jagen die anderen ’“ das ist, grob vereinfacht, das Wesen der Wechseljagd. In Manfred J. Schmitz’™ Kriminalroman wird auf einmal die Jagdsaison auf eine Gruppe von Jägern eröffnet. Eine Wechseljagd der besonderen Art. Mögliche Täter und Tatmotive gibt es viele, denn die Jagdbrüder haben es zu Lebzeiten verstanden, sich privat und beruflich eine ganze Menge Feinde zu machen.

Dies ist definitiv kein Kriminalroman, bei dem man schon auf Seite 10 weiß, wie der Hase läuft. Von Anfang bis Ende kombiniert, spekuliert und rätselt der Leser mit den Ermittlern mit. Und immer, wenn man denkt, ’šjawohl, so muss es gewesen sein’™, schlägt die Handlung einen neuen Haken. So bleibt es spannend bis zum Schluss.

Lokalkolorit: Die Leiche vor der eigenen Haustür

Es liegt in der Natur der Sache, dass jeder Roman einen Ort der Handlung hat. Weil der Autor in Esslingen am Neckar lebt und sich in der Region auskennt, spielt der Roman in Stuttgart, Esslingen und Umgebung. Er hat sich so entschieden. Die sorgfältig recherchierte Geschichte würde auch funktionieren, wenn sie anderswo angesiedelt wäre, denn die Themen, die Charaktere und ihre Beweggründe sind universell und nicht an eine bestimmte Region gebunden.

Ein klassischer Regionalkrimi, der stark auf Land und Leute setzt, ist WechselJagd also nicht. Auch wenn er im Schwäbischen spielt, kommt der Roman ganz ohne Kehrwoche, Dialekt und Viertelesschlotzer aus.

Und doch ist die Lektüre für jemanden, der, wie die Rezensentin, just in dieser Gegend lebt, ein ganz besonderes Vergnügen. Es lässt die Handlung in manchmal geradezu erschreckendem Maße real wirken, wenn man die Orte der Handlung beim Lesen plastisch vor Augen hat. Und so will man das ja bei einem Krimi.

Es hat schon eine eigenartige Faszination, wenn der eigene Wohnort zum Schauplatz wird, der Detektiv am Haus des Lesers vorbeifährt und man überlegt, ob man vielleicht die redselige Nachbarin, mit der er sich bei seinen Recherchen auseinandersetzen muss, persönlich kennt.

Zwei der literarischen Figuren sollen ja reale Vorbilder haben …

Der Autor

Manfred J. Schmitz, Jahrgang 1942, geboren in Hattingen/Ruhr, lebt in Esslingen am Neckar. Nach dem Studium der Anglistik und Politischen Wissenschaften in Freiburg und London hat er als Rundfunkjournalist und Hörfunk-Autor in Saarbrücken (SR), London (BBC) und Stuttgart (SDR/SWR) gearbeitet. Er hat Drehbücher und Features geschrieben, Manuskripte für Schulfunk-, Schulfernseh- und Wissenschaftssendungen. 1993 erhielt er den Journalistenpreis des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Sozialordnung Baden-Württemberg für das Hörfunk-Feature ’žDas Bundesmodell Entgiftung von Drogensüchtigen im Nordschwarzwald’œ. Nach der Fusion von SDR und SWR (1998) arbeitete Manfred J. Schmitz als SWR4 Event Manager. 2004 verließ er den SWR und arbeitet seit dem als Autor.

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