Cornelia Read: Es wartet der Tod, Kriminalroman

Cornelia Read: Es wartet der Tod, Kriminalroman, OT: The Crazy School, Deutsch von Sophie Zeitz, München 2009, Deutscher Taschenbuchverlag dtv, ISBN: 978-3-423-24753-5, Klappbroschur, 336 Seiten, Format 13,2 x 21 x 3,2 cm, EUR 14,90 (D), EUR 15,40 (A)

’žLetztes Jahr’œ, sagte ich, ’žhat jemand, den ich sehr geliebt habe, versucht, mich umzubringen.’œ (…)
’žHast du Angst, dass er es wieder versucht?’œ, fragte sie.
’žNein’œ, sagte ich.
’žBist du dir sicher?’œ, fragte sie. ’žSolche Verhaltensmuster …’œ
’žIch habe ihm aus nächster Nähe zwei Ladungen Schrot in den Hals gepumpt. Sein Kopf war so gut wie ab.’œ
(S. 81)

Massachusetts, 1989: Madeline Dare, 26, hat ein traumatisches Erlebnis hinter sich*. Wenigstens hat sie es geschafft aus Syracuse, dem stinklangweiligen Heimatort ihres Ehemanns Dean, wegzukommen. Für die Zeitung schreibt sie auch nicht mehr. Jetzt unterrichtet sie Geschichte an der Santangelo Academy, einem teueren privaten Internat für schwer erziehbare Jugendliche. Ob sie sich damit wesentlich verbessert hat, ist die Frage. Aber wählerisch kann sie nicht sein: Ihr Mann ist trotz hervorragender Qualifikationen arbeitslos. Sie sind auf ihren Verdienst angewiesen.

Madeline, die nicht gerade ein Ausbund an political correctness ist, hält Schulleiter David Santangelo für einen Scharlatan und aufgeblasenen Schwätzer und das pädagogische Konzept der Schule für Psychogelaber und Hippie-Bullshit. Die Kids haben eine Meise, die Lehrer haben eine Meise ’“ der ganze Laden ist in Madelines Augen ’žein Mekka für Ornithologen’œ (S. 259). Trotz dieser schnoddrigen Analyse tun ihr die Schüler Leid. Sie sind dem dubiosen Psychosektenquatsch wehrlos ausgeliefert und hätten Besseres verdient.

Die einzige Verbündete, die Madeline an der Schule hat, ist ihre Kollegin Lulu, eine bodenständige Farmerstochter. Der Rest des Personals ist, vorsichtig formuliert, ein wunderlicher Haufen: Dekanin Dhumawati, die früher einmal Gloria hieß und unter dramatischen Umständen ihre Tochter verlor, der ehemalige Mathe-Professor Gerald, der aus unerfindlichen Gründen seine gut dotierte Stelle aufgab und in Santangelo anfing, Pete, der suizidgefährdete Ex-Musiker, Tim das Weichei und Mindy, eine weinerliche Alptraum-Tussi in Rosarot. Und natürlich der undurchsichtige guruhafte Chef des ganzen, David Santangelo, der nicht nur seine Schüler, sondern auch deren Eltern und sein Lehrpersonal zum Psychiater schickt. Das haben zweifelsohne alle nötig, aber was in diesen Sitzungen abgeht, ist eindeutig kontraproduktiv. Sieht fast so aus, als würde der Chef Spannungen, Misstrauen und Feindseligkeiten gezielt schüren.

Auch wenn Madeline Zweifel daran hat, ihrem Job gewachsen zu sein ’“ schließlich hat sie keine pädagogische Ausbildung ’“ fassen einige der Schüler Vertrauen zu ihr: der paranoide Sitzman, der Pyromane Wiesner sowie das Liebespaar Mooney und Fay. Vielleicht spüren Sie Madelines Aufrichtigkeit, vielleicht liegt’™s auch daran, dass sie ihre Sprache spricht.

Am Morgen nach der Feier von Fays 18. Geburtstag macht Lehrer Gerald eine schreckliche Entdeckung: Mooney und Fay liegen tot auf dem Dachboden ’“ vergiftet! Ein Doppelselbstmord? An dieser bequemen Theorie bestehen schnell Zweifel.

Derweil liegt Madeline mit schweren Vergiftungssymptomen bewusstlos im Schnee. Doch weil ihre Fingerabdrücke auf den Gläsern der toten Teenager sind, sie Fays Halskette in ihrer Jackentasche hat und die Polizei herausfindet, dass Madeline vor einem Jahr in Notwehr einen Mann getötet hat, gerät sie umgehend unter Mordverdacht.

So leicht ist Madeline nicht unterzukriegen ’“ es gibt ja noch den ’žKlüngel’œ. Die Familie ihrer Mutter ist vermögend und einflussreich. Patenonkel Alan, ein Jurist, schickt seiner Nichte den jungen Anwalt Markham D. Stuyvesant: in Boston ansässig, in den Südstaaten aufgewachsen und mit allen Wassern gewaschen. Madeline findet ihn spontan sympathisch. Und der junge Mann versteht sein Geschäft! Was Markham und seine Mitarbeiter über die Vorgänge an der Santangelo Academy herausfinden, lässt einem die Haare zu Berge stehen. Doch es sind noch weitere Todesfälle zu beklagen, bis endlich offenbar wird, was tatsächlich hinter den Morden steckt.

Und dann sieht es so aus, als würde es einem der Verbrecher gelingen, sich klammheimlich aus der Verantwortung zu stehlen. Aber vielleicht findet sich ja noch jemand, der ihm rechtzeitig in die Suppe spuckt …

Cornelia Read und ihre kodderschnäuzige Heldin Madeline Dare polarisieren. Die einen mögen oder verstehen ihren sarkastischen Witz nicht, die anderen sind von der kritischen und respektlosen jungen Frau begeistert. Die einen langweilen sich bei der fast schon satirischen Schilderung gesellschaftlicher Zustände und hätten lieber mehr Krimi. Die anderen lesen Cornelia Reads Bücher vor allem als bissige Gesellschaftsromane und könnten auf die Krimihandlung zur Not verzichten. So genau kann man bei Cornelia Reads Büchern nie sagen, ob man nun ein belletristisches Werk vorliegen hat oder einen Krimi. Ihre Bücher sind immer ein wenig von beidem, und das kann natürlich bei Lesern, die mit einer bestimmten Erwartung an die Lektüre herangehen, zu Enttäuschungen führen.

ES WARTET DER TOT ist in der ersten Hälfte eine bitterböse Abrechnung mit dem New-Age-Psychogequatsche der 70-er Jahre und mit einem Schulkonzept, das mehr darauf aus ist, reichen Eltern gegen gutes Geld ihre problembeladenen Kinder vom Hals zu halten als den Jugendlichen wirklich zu helfen. Das ist, bei aller Tragik und Ernsthaftigkeit des Themas, wunderbar lebendig und unterhaltsam erzählt.

In der zweiten Hälfte des Buchs steigern sich zwar Spannung, Erzähltempo und Leichenaufkommen, aber die Auflösung des Falls ist nicht so recht überzeugend. Dafür kann die Geschichte am Schluss noch mit einem hübschen Knalleffekt aufwarten.

Man sieht: Die Rezensentin bevorzugt den belletristischen Teil des Buchs und mag das lose Mundwerk der rebellischen Madeline Dare. Es werden sich jedoch mit Sicherheit auch Leser finden, die ’ždas ganze Schulgedöns’œ schrecklich öde finden und dafür den Krimiteil lieben und loben.

Auch wenn vorne im Buch der obligatorische Disclaimer steht: ’žDie Namen, Figuren, Orte und Vorkommnisse in diesem Buch sind fiktiv. Jede Ähnlichkeit mit wirklichen Personen oder Ereignissen wäre rein zufällig.’œ, liegt die Vermutung nahe, dass reale Erlebnisse die Autorin zu diesem Buch inspiriert haben. Die Widmung lautet nämlich: ’žFür die Schüler der Desisto School, besonders die, die ich unterrichtet habe. (…)’œ Recherchiert man ein wenig, stößt man auf die DeSisto School in den Berkshires, Massachusetts, die man 2004 mit der Begründung geschlossen hat, dass sie Gesundheit und Sicherheit ihrer Schüler gefährde. Diese Institution hatte anscheinend mit Cornelia Reads fiktiver Santangelo Academy nicht nur die geographische Lage gemein.

Gruseliger als die gesamte Krimihandlung ist die Vorstellung, dass es Zustände, wie sie in dem Buch geschildert werden, so oder ähnlich tatsächlich gegeben haben soll.

*) Cornelia Read: Schneeweißchen und Rosentot, dtv 2008, 978-3-423-24668-2

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