Yaddayaddayadda

„Weißt du, er ist absolut nicht mein Typ“, blökt eine durchdringende Frauenstimme. „Und er hat auch einen ganz komischen Frauengeschmack. Lauter so langweilige blonde Durchschnittsdeutsche im Sekretärinnenkleidchen. Aufgeknöpfte Bluse, hohe Stiefel … Männertraum eben. Und was die sich immer einbilden! Alle so von oben herab.“

Eine junge Frau lässt sich mir gegenüber auf den Stadtbahnsitz plumpsen. Ich schaue erschreckt von meinem Buch auf. Och, bitte, nee! Ich habe einen langen und nervigen Arbeitstag hinter mir, ich will jetzt nicht eine halbe Stunde lang zwischen einem Rudel schnatternder Freundinnen sitzen! Ich will in Ruhe meinen Roman lesen!

Die anderen beiden Plätze unserer Sitzeinheit bleiben jedoch leer. Weit und breit keine Freundinnen in Sicht. Erzählt die junge Dame diesen Stuss etwa mir? Sie fuchtelt mit beiden Armen, ein Handy kann sie sich also nicht ans Ohr halten. Etwa eine meschuggene Person, die lauthals in der Öffentlichkeit Selbstgespräche führt? Muss ich mich fürchten?

Ich schau genauer hin. Ach so … sie hat einen kleinen Kopfhörer auf und allerhand Kabelgedöns um den Hals hängen. Sie telefoniert also und hat anscheinend ganz vergessen, dass sie nicht ihrer Gesprächspartnerin gegenübersitzt, sondern sich in einem Stadtbahnwaggon voller wildfremder Leute befindet, die sich für ihren Privatscheiß höchstwahrscheinlich null die Bohne interessieren.

Ich versuche, mich wieder auf mein Buch zu konzentrieren. Ich will jetzt wissen, ob meine Romanhelden nun endlich herausgekriegt haben, in welche Schweinerei sie sich unabsichtlich verstrickt haben. Doch ich kann mich nicht auf die Abenteuer von Jack und Louise konzentrieren, weil die junge Frau so vehement ihr WG-Leben in unser aller Ohren trötet.

„Du weißt ja, ich schlaf auf dem Sofa“, erfahren nun alle Insassen unseres U7-Waggons, ob sie wollen oder nicht. „Wenn ich ihn mal nicht sehen kann oder will, dann kann ich mich höchstens ins Bad verziehen. Eine WG mit einem Mann ist irgendwie anders als mit einer Frau. Neulich hat er mich gefragt, was Frauen so wollen … ich meine, im Bett. Und da hab ich es ihm gesagt. Und dann meint er, ey, das macht mich voll an. Voll widerlich, echt. Er ist ja echt nicht mein Typ, überhaupt gar nicht. Eine echte Nullnummer, der Typ. Genau wie mein Chef …“ .

Yaddayaddayadda.

Oliver Kalkofe hat mal gefordert, dass man seine Privatgespräche doch besser daheim in der eigenen „vermufften Furzbude“ führen solle. Diesem Aufruf schließe ich mich vorbehaltlos an.

Was für ein Glück, dass es Tunnel und Funklöcher gibt! Irgendwann bricht das Telefongespräch ab und es herrscht Ruhe im Waggon. „Ich hasse Bahnfahren“, knurrt die Schöne. Ja, ich manchmal auch. Nur aus dem entgegengesetzten Grund: Ich bin genervt, weil ich mir fremder Leute nichtsnutziges Gequassel anhören muss. Sie ist genervt, weil sie aus technischen Gründen ab und zu eine Zwangsquasselpause einlegen muss.

Himmel, Harsch und Firn! Leute, wenn ihr schon nix Interessantes zu erzählen habt, dann macht’s wie ich: Legt euch einen Blog zu und labert dort! Das ist für die Umwelt leichter zu ignorieren und macht wenigstens keinen Krach.

Foto: © dido-ob (Dieter Schütz)/ http://www.pixelio.de

6 Kommentare

  1. Genau! Bin vollkommen einverstanden. Das geht schon im Kindesalter los. Ich musste mal mit dem Bus fahren, der am Nachmittag die Schulkinder wieder nach Hause bringt… Wie blöde doch manche Eltern sind, dass sie ihrem Kimd nicht verbieten in öffentlichen Verkehrsmitteln herum zu quaken. Aber die Antworten jener Mutter, laut gestelltes Handy, ließen den Grund erkennen. Die Tüte war genau wie ihr Ableger. Gnadenlos Privates und z.T. Intimes in die uninteressierte Welt gedönst (wie du das immer so schön ausdrückstM-))).
    Gruß
    Rainer

    1. Kichernde und aufgeregt durcheinander quakende Schulkinder können natürrrlich auch anstrengend sein. Die Aufsichtspersonen richten da oft nicht viel aus. „Psst, nicht so laut!“ – „Kreisch, quietsch, gröl“. Da denk ich mir immer, da musste jetzt durch, so als Fahrgast. Wenn ich weiland mit der Freundeshorde oder den Klassenkameraden unterwegs war, haben wir garantiert auch gequatscht und gelacht. So ein Verhalten vertut sich dann mit zunehmender Reife.

      Bei Erwachsenen, die es besser wissen müssten als alle Welt ungefragt mit ihren Intimitäten zu unterhalten, fühle ich mich durch „Events“ wie den oben beschriebenen jedoch ziemlich belästigt.

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