Wenn früh um sechs das Chaos tobt …

Werktags stehe ich um 4:50 Uhr auf und werkle dann die nächsten zwei Stunden ’“ bis ich an meinem Arbeitsplatz bin und Kopierer, Jalousien und Computer hochgefahren habe ’“ sozusagen im ’žAutopilot-Modus’œ. Jeder Handgriff sitzt und kommt so gut wie nicht am Großhirn vorbei. Tee kochen, Haustiere versorgen, mich fürs Büro fertig machen, Tageszeitung aus dem Briefkasten fummeln und in die Stadtbahn steigen, das geht automatisch und klappt auf die Minute. Um 6:19 Uhr sitze ich im Zug und um 6:51 Uhr am Arbeitsplatz.

Ätzend ist allerdings, wenn irgendwas passiert, das mich aus meiner frühmorgendlichen Routine reißt und mich zwingt, vor der Zeit das Hirn einzuschalten. Das geht gern schief. So wie heute.

Heut früh nämlich steht der Mann kurz nach mir auf ’“ was er sonst nicht tut ’“, redet mit den Katzen, pöttert in der Küche herum und ruft mir ins Badezimmer zu: ’žSag mal, hast du eine Ahnung, wo unser Busfahrplan ist?’œ

Hab ich. Jedenfalls so der Spur nach. Glaube ich wenigstens. Hat’™s einen Sinn, wenn ihm sage, er solle im Büro im linken Regal oberhalb von den Romanen von Marion Zimmer Bradley gucken? Nee, vermutlich nicht. ’žMoment. Lass mich erst Zähne putzen, dann such ich das Ding.’œ

Fahrpläne suchen ist in meinem morgendlichen Zeitplan eigentlich nicht drin. Und dass er heut in die Stadt will, weiß er seit zwei Wochen. Grrrr!

Als ich in unser Büro komme, ist der Rechner an. ’žHab ich den vergessen auszumachen?’œ, frag ich erstaunt. Er: ’žNein, ich will die Fotos von den Geburtstagsfeiern brennen.’œ

Jetzt. Auweh. Ich ziehe den Fahrplan aus dem Regal … oberhalb der Romane von Marion Zimmer Bradley … und lege ihn auf den Küchentisch. Nicht ohne mein Tun laut und deutlich zu kommentieren, sonst sucht er nachher wieder.

Dauert nicht lang, tönt ein Urschrei: ’žWarum kopiert’™s den Scheiß nicht?’œ Ich brülle einen Mac-Befehl aus der Küche, mit dem der Mann am Windows-Rechner nicht so rasend viel anfangen kann. Aber er ahnt was ich meine. Und nach einigem Gefluche und Gemaule scheint die Kiste die CDs wirklich zu brennen.

’žSag mal, haben wir irgendwo die E-Mail-Adresse von meinem Vetter?’œ, ruft’™s aus dem Büro.

Das soll ich wissen?

’žKeine Ahnung! Brenn ihm doch auch eine CD, auch wenn sich’™s für die paar Bilder eigentlich nicht lohnt. Wenn du weißt, wo sein Haus wohnt, kannste ja mit dem Rad schnell vorbeifahren und ihm das Ding in den Briefkasten schmeißen. Die CDs für meine Vettern nehme ich am Samstag zu meinem Vater mit.’œ

Nee, für zickige CD-Brennprogramme, vetterliche E-Mail-Adressen und die Distribution diverser Foto-CDs hab ich morgens um 6 keine Zeit. Und keinen Kopf.

Jetzt ist’™s auch schon reichlich spät geworden. ’žTschüss, meine Herren’œ, sag ich zu Mann und Katern und sause aus dem Haus. Und hoffe, dass wenigstens im Büro morgens um sieben die Welt noch in Ordnung ist, was gern auch bis neune so bleiben kann. Danach vertut sich’™s eh meist schlagartig, weil meine Kollegen eintrudeln, der Betrieb brummt und alle möglichen Leute was von mir wollen. Das ist auch in Ordnung so, denn das ist mein Job.

Aber morgens zwischen fünf und sieben hätte ich bitte gern meine Ruhe.

Uhr-sechs

Foto: Edith Nebel

2 Kommentare

  1. Treffender hättest du die morgendliche Routine nicht beschreiben könne, liebe Heike. Ich muss um 10 Minuten früher raus aus den Federn und stehe um 6:40 Uhr vor der Stempeluhr. Mein Mann ist sogar noch früher auf, aber wir funktionieren auch völlig automatisch (einschließlich der Katze). Wer da die Ruhe stört … (dem ergeht es schlecht).
    Liebe Grüße, Sylvia

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