Ich kann mir keine Straßennamen merken!

Neulich hat mich jemand unterwegs nach der Kaiserstraße gefragt. Und wie so oft hatte ich allenfalls eine grobe Vorstellung davon, in welcher Windrichtung diese zu suchen sei. Meistens hab ich nicht mal das … ich kann nur sagen: ’žHab ich schon mal gehört, aber ich hab leider keine Ahnung, wo die ist.’œ

Wobei ich nicht mal sicher sein kann, dass ich den Straßennamen in Verbindung mit diesem Ort bereits gehört habe und nicht vielleicht im Zusammenhang mit einem der Nachbardörfer. Gibt’™s nicht überall eine Straße, die den Namen von Goethe, Mörike, Mozart, Bismarck oder Hindenburg trägt?

Ich fürchte, meine Unfähigkeit, mir die Namen unserer Straßen einzuprägen, liegt daran, dass ich ein Landei bin. Und Landeier, die sich von Kindheit auf im selben ’žFlecken’œ bewegen, denken nicht in Straßennamen, es sei denn, es hat irgendwann mal gute Gründe gegeben, eine Adresse zu schreiben. Auf dem Dorf gehen Ortsbeschreibungen nämlich so: ’žDas ist zwei Häuser oberhalb von Angelikas Wirtschaft ’œ, ’“ ’žschräg gegenüber von Christels Elternhaus’œ oder ’žda, wo früher mal die Post war, also ganz früher’œ. Mein Vater sagt heute noch ’žvorne an der Straßenbahn’œ und meint die Endhaltestelle, obwohl besagte Straßenbahn bereits 1978 den Betrieb eingestellt hat.

Ich bin immer schier zum Hirsch geworden, wenn ich mich mit meiner Mutter über irgendwelche ’žLocations’œ in Esslingen ’“ unserer Kreisstadt ’“ verständigen wollte. Sie hat in den 50-er Jahren dort in einem Wäschegeschäft gearbeitet und brachte immer Orientierungspunkte daher, die mir rein gar nichts sagten, weil es die Ladengeschäfte, Kinos und Gastwirtschaften, von denen sie sprach, schon seit Jahrzehnten nicht mehr gab. Die ’žschräg-gegenüber’œ-Ortsbeschreibungen vom Dorf funktionieren eben nur bei einem gemeinsamen Erfahrungshorizont. War also doch nicht so schlecht, dass man irgendwann die Straßennamen erfunden hat. Ich kann sie mir aber trotzdem nicht merken.

Wenn man meinen Vater nach einer Straße fragt, deren Name ihm nichts sagt, fragt er prompt zurück: ’žZu wem wollen Sie denn?’œ Das ist keine müßige Neugier, sondern eine Möglichkeit, den Mitmenschen doch noch in die richtige Richtung zu dirigieren. Den Straßennamen hat er vielleicht noch nie gehört, aber wo die Familie X wohnt oder der Handwerker Y seine Werkstatt hat, ist ihm möglicherweise bekannt. Oder er weiß, wer’™s wissen könnte: ’ž Hm … das könnte jetzt im oberen Industriegebiet sein oder unten im Tal. Bevor wir jetzt was Blödes machen, fahren Sie einfach da vorne links und dann gleich wieder rechts und fragen Sie im Elektrogeschäft. Der Inhaber ist ein Vetter von Ihrem Herrn X, er kann Ihnen sicher sagen, wo der jetzt sein Büro hat.’œ

Foto: © Tomsk / http://www.pixelio.de

4 Kommentare

  1. Kaiserstr. in Mainz ist in der Nähe vom Schloß, In Frankfurt/Main im Bahnhofsviertel, in München geht sie von der Leopoldstr. ab, in Kassel gibbet es keine, also schick die Leute in Zukunft zu mir!!!

    1. Im Nachhinein ist mir eingefallen, die Kaiserstraße war doch die, wo ich mit 18 an der Kreuzung meinen Opel zerlegt habe. Aber ganz sicher bin ich mir nicht. Denn als Landei würde ich sagen: Das war an der Kreuzung bei der Metzgerei. 😉

  2. Das Foto ist klasse – nomen est omen.

    Das mit dem gemeinsamen Erfahrugnshorizont stimmt auch, vor allem, wenn der nicht da ist. Neulich musste der Gatte seine Eltern irgendwohin bringen, wo er noch nie gewesen ist. Kein Problem, Schwiegervater weiß Bescheid: „Da musst du bei dem Bekleidungsgeschäft links.“-„Und wo ist das?“ – „Na, im Zentrum. Oh, die Häuser standen beim letzten Mal aber noch nicht da.“- „Wann war das?“ – „Hm, so Anfang der 80er.“ Dazu kamen noch die detaillierten schwiegermütterlichen Instruktionen vom Rücksitz: „Ich glaube, da vorn müssen wir da lang.“ In solchen Momenten ziehe ich immer meinen nicht vorhandenen Hut vor der Geduld des Gatten.

    Aber ich darf eigentlich auch nix sagen, ich bin ähnlich hoffnungslos mit Straßennamen und Wegbeschreibungen. Ich komme schon immer an, es dauert halt nur etwas länger.

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