Rita Falk: Winterkartoffelknödel ’“ Provinzkrimi. Mit Glossar und den Originalrezepten von der Oma. München 2010, dtv Deutscher Taschenbuch Verlag, ISBN 978-3-423-24810-5, Softcover/Klappenbroschur, 233 Seiten, Format: 13,5 x 21 x 2,7 cm, EUR 12,90 (D), EUR 13,30 (A)
’žWenn der Neuhofer fünfzigtausend bekommen hat und der OTM-Fuzzi fünfhunderttausend bezahlt hat, dann stimmt was nicht. Entweder einer von den zweien lügt, oder ein dritter hat die beiden ganz schön verarscht. Hat jetzt sehr viel Geld und haut sich vor lauter Freude auf die Schenkel.’œ (Seite 82)
Stellen Sie sich vor, der kleine Ludwig aus Ludwig Thomas LAUSBUBENGESCHICHTEN wäre heute Ende 30 und Dorfpolizist in der niederbayerischen Provinz. Dann haben Sie so ungefähr eine Ahnung von dem Ton, in dem der Eberhofer Franz, der Ich-Erzähler in dem Roman, uns seine Erlebnisse schildert. Älter ist er geworden, aber erwachsener und weltgewandter nicht unbedingt. Dafür hat er sich eine bisweilen recht deftige Wortwahl angewöhnt, der Bub.
Eigentlich hat Franzens Karriere ja ganz vielversprechend begonnen. 15 Jahre lang war er Polizist in München. Bis sein Kollege ’“ der Birkenberger Rudi ’“ und er sich von einem Straftäter haben provozieren lassen. Und dann haben sie ihm die … äh … sie haben ihn … also, der Birkenberger Rudi hat eine schwere Körperverletzung an dem Mann begangen und der Franz hat’™s nicht verhindert.
Rudi ging dafür für zweieinhalb Jahre in den Bau und arbeitet heute als Kaufhausdetektiv im Media Markt. Und den Franz haben sie nach einem weiteren Zwischenfall erst in psychiatrischen Behandlung geschickt und ihn dann in sein niederbayerisches Heimatdorf Niederkaltenkirchen versetzt.
Dort ist, kriminalistisch gesehen, nicht gerade die Hölle los. Verkehrsunfälle, ’žMann haut Frau’œ, gelegentliche Wirtshaus-Raufereien ’“ mehr gibt’™s da nicht. Und so führt der Franz ein beschauliches Leben. Wohnen tut er mit seinem Hund, dem Ludwig, auf dem elterlichen Anwesen. Allerdings nicht im Haus, weil ihm da die laute Beatles-Musik auf die Nerven geht, die sein kiffender alt-68-er-Vater ständig hört. Franz haust provisorisch im ehemaligen Saustall, den er irgendwann, wenn er mal Zeit und Geld hat, zu einer richtigen Wohnung umbauen will.
Bekocht werden Vater und Sohn von der 79-jährigen, fast gehörlosen Großmutter, einer kleinen, energischen Frau mit einer Vorliebe für die Schnäppchenjagd und unmissverständliche Meinungsäußerungen. Franz’™ Mutter lebt nicht mehr, und sein älterer Bruder, der Buchhändler Leopold, mit dem er in herzlicher Abneigung verbunden ist, bleibt ihm Gottseidank meist vom Hals.
’žDer Leopold ist halt ein Arschloch’œ, findet Franz. ’ž(…) Er ist ein mieser Langweiler mit dem Hang zum Hinterfotzigen.’œ (Seite 15). Noch weniger als vom Bruder hält er von dessen zweiter Ehefrau, der etwas vulgären Rumänin Roxana. ’žRaus aus dem Puff und rein in den Muff’œ (Seite 15) ist noch das Zitierfähigste, was ihm zu seiner derzeitigen Schwägerin einfällt.
Wenn der Franz gerade nicht arbeitet, mit dem Hund geht oder sich über seine Familie ärgert, hängt er mit seinen Kumpels, dem Metzger Simmerl, dem Gastwirt Wolfi und dem Heizungspfuscher Ignatz Flötzinger herum. Oder mit seiner Jugendfreundin und Gelegenheits-Geliebten Susi.
Doch auf einmal überschlagen sich die Ereignisse ’“ zumindest für dörfliche Verhältnisse. Das verlassene Sonnleitner-Gut ist wieder bewohnt. Mercedes Dechamps-Sonnleitner, die rassige Tochter der nach Kanada ausgewanderten Besitzer, ist dort eingezogen und will das Anwesen mit Hilfe eines befreundeten Architekten renovieren.
Mercedes! Ach was: ein Ferrari ist diese Frau! Das halbe Dorf ist verrückt nach ihr. Franz auch. Und als wäre das nicht schon Aufregung genug, hat er jetzt auch noch einen Dreifachmord an der Backe. Oder wie soll man das sonst nennen, wenn sich in der Familie Neuhofer auf einmal die unnatürlichen Todesfälle häufen? Der Vater und der ältere Sohn werden Opfer unerklärlicher Arbeitsunfälle und die psychisch kranke Mutter wird erhängt im Wald gefunden.
War’™s der jüngere Sohn Hans, der gegen den Willen der Restfamilie das Elternhaus an eine Tankstellengesellschaft verkaufen wollte? Hat er seine Angehörigen aus diesem Grund auf raffinierte Art beseitigt? Unwahrscheinlich, meint Franz, denn der Neuhofer Hans mag ein guter Fußballer sein, aber ist nicht gerade ein Raketenforscher. Einen Mehrfachmord zu planen, das würde eindeutig seine intellektuellen Fähigkeiten übersteigen.
Da fällt der Hans einem Verkehrsunfall zum Opfer, der genauso merkwürdig ist wie der Tod seiner Angehörigen. Und so schnell können die Niederkaltenkirchener gar nicht gucken, wie an Stelle des Neuhofer-Hauses eine nagelneue Tankstelle steht.
Jetzt muss der Eberhofer Franz sogar einen Vierfachmord aufklären. Nur glaubt ihm das keiner. Richter Moratschek hält alles für Hirngespinste und schickt Franz wieder zum Psychiater. Dem erzählt unser Dorfgendarm alles, war er hören will, und ermittelt dann privat weiter, mit der Unterstützung seines Ex-Kollegen Birkenberger. Bis in ein luxuriöses Romantikhotel auf Mallorca führen sie ihre inoffiziellen Ermittlungen!
Und wenn der Franz nicht gar so abgelenkt wäre von allerlei nervigem Familienklimbim, bei dem abgeschnittene Zehen, ein runder Geburtstag, eine entlaufene Frau und eine stinksauere Susi eine Rolle spielen, ganz zu schweigen vom rassigen ’žFerrari’œ, hätte er vielleicht schon viel früher gemerkt, wo der Hase im Pfeffer liegt.
Die Oma hat bereits vor geraumer Zeit den entscheidenden Hinweis gefunden ’“ in einem uralten Bofrost-Prospekt. Aber wer hört schon auf eine alte Frau?
Die Geschichte ist genauso schräg und abgefahren, wie sie hier klingt. Wobei der Kriminalfall an sich eher sekundär ist. Das ist wie beim Münsteraner TATORT im Fernsehen oder der TV-Serie DIE ROSENHEIM-COPS: Das Geschwätz ist das beste! Wer eine Affinität zur Region hat und/oder weiß, wie’™s auf dem Dorf zugeht, wird ein ums andere Mal schmunzeln, grinsen oder laut loslachen. (Also das Buch möglichst nicht gerade in der Bahn lesen. Oder mit den Blicken der Mitreisenden zu leben lernen.)
Der Roman ist nicht im Dialekt geschrieben. Er enthält vielleicht zwei Dutzend mundartliche Begriffe, die im Glossar treffend und unterhaltsam erklärt werden. Aber anhand der ’žRegionalgrammatik’œ hört man die Mundart schon durch. Wer schon die Krätze kriegt, wenn wir Südstaatler mal ’žder Teller’œ sagen oder ’žgrößer wie’œ, für den ist das nichts.
Ein bisschen ärgern könnte man sich als Leser vom Land schon, weil in dem Roman irgendwie alle Dörfler als Dorfdeppen dastehen. Außer dem Polizeihund, vielleicht. Auch wenn vieles genau so beschrieben ist, wie man’™s als Landei von zu Hause her kennt: Ein paar Leut’™ mit Grips gibt’™s bei uns schon auch!
Sei’™s drum! Der Klappentext deutet an, das es noch weitere Abenteuer mit dem Eberhofer Franz uns seiner skurrilen Sippschaft geben wird. Und Dorfdeppen hin oder her, ich glaub’™, da bin ich wieder dabei!
Die Autorin:
Rita Falk, Jahrgang 1964, geboren in Oberammergau, lebt in Landshut und ist mit einem Polizeibeamten verheiratet. Wer mehr über die Autorin wissen möchte, findet eine ausführliche Vita im Anhang des Romans, in ihren eigenen Worten. Gleich hinter dem Glossar und den Rezepten von der Oma.
Rezensent: Edith Nebel
EdithNebel@aol.com
http:// edithnebel.wordpress.com
Hört (liest) sich gut an, kommt auf meine Wunschliste!!!
Keine Hochkultur, aber unterhaltsam. 🙂