Dora Heldt: Kein Wort zu Papa -“ Roman

Dora Heldt: Kein Wort zu Papa ’“ Roman, München 2010, dtv Deutscher Taschenbuch Verlag, ISBN 978-3-423-24814-3, Klappenbroschur, 378 Seiten, Format: 12,5 x 21 x 3,5 cm, EUR 12,90 (D), EUR 13,30 (A)

’žWas machte ich hier eigentlich? Meine beste Freundin saß in einem arabischen Gefängnis, die Lügengeschichten hier in der Pension drohten aus dem Ruder zu laufen, ein bekannter Kriminalkommissar a.D. war uns auf der Spur, mein Lebensgefährte in Schweden hatte nicht die geringste Ahnung, was für ein Film hier gerade lief (…), und ich cremte mir das DekolletË ein und rüschte mich auf, nur weil ich mit einem alten Schulfreund zum Essen verabredet war.’œ (Seite 262)

Nichts von dem, was Christine Schmidt, 47, sich im vorigen Band (Dora Heldt: ’žTante Inge haut ab’œ) erträumt und vorgenommen hat, ist wahr geworden. Nach dem Verlust ihres Verlagsjobs hat sie immer noch keine neue Stelle gefunden und schlägt sich als freie Journalistin durch. Sie sitzt auch noch in ihrer alten Wohnung und ist nicht mit ihrem Lebensgefährten Johann zusammengezogen. Der saniert derzeit eine Tageszeitung in Stockholm und es sieht nicht so aus, als käme er in absehbarer Zeit wieder nach Hamburg zurück. Gerade hat er seinen Vertrag um weitere Monate verlängert.

Christine hadert mit dem Schicksal, und ihr Vater Heinz, der das wohlmeinende Einmischen in anderer Leute Angelegenheiten einfach nicht lassen kann, befindet, Christine sei urlaubsreif. Mit ihrer jüngeren Schwester Ines, 40, soll sie für zwei Wochen nach Dänemark fahren. Er ist sogar bereit, das Vorhaben finanziell zu bezuschussen.

Aber Christine hat keine Lust und überdies andere Pläne. Sie folgt dem Notruf ihrer Freundin Marleen, die auf Norderney eine Pension betreibt. Aktuell hat die Pensionswirtin ein Problem: Sie sitzt aufgrund dubioser juristischer Probleme in Dubai fest, zusammen mit ihrem neuen Freund Björn. Der ist 1. noch verheiratet und 2. ein prominenter Geschäftsmann, weshalb niemand von der Angelegenheit erfahren darf. Christine soll nach Norderney fahren und die Pension führen, bis Marleen wieder zurückkommt. Wann das sein wird? Keine Ahnung!

Keine Ahnung hat auch Christine ’“ und zwar davon, wie man eine Pension betreibt. Sie kann nicht einmal kochen. Aber sie fühlt sich Marleen verpflichtet. Ines ist Pflegedienstleiterin und hoteltechnisch ebenso schimmerlos wie ihre Schwester, stürzt sich aber voller Optimismus mit Christine in das Abenteuer ’žPension’œ.

Gesa, die Studentin, die in den Semesterferien regelmäßig in der Pension aushilft, wird von den Schwestern eingeweiht. Barmann Pierre, Hausmeister Jurek und die Teilzeitkraft Adelheid bekommen eine halbwegs plausible Geschichte aufgetischt, die Marleens Abwesenheit erklären soll. Auch der ehrpusselige und merkbefreite Lokalreporter Gisbert von Meyer, der seit Christines letztem Inselbesuch ein Auge auf sie geworfen hat, wird mit Bullshit abgespeist.

Begleitet von Pleiten, Pech und Pannen wursteln sich die beiden Schwestern durch das Pensionsgeschäft. Der Leser grinst und kichert, während Christine und Ines die Angst im Nacken sitzt.

* Sind sie ihrem Vertretungsjob gewachsen oder treiben sie die Pension in den Ruin?
* Kann Rechtsanwalt Kühlke Marleen und ihren Freund aus ihren Schwierigkeiten herausboxen?
* Können Christine und Ines die Vorkommnisse in Dubai geheim halten?
* Und können sie verhindern, dass ihre Eltern, Heinz und Charlotte, von dem Unternehmen ’žPensionsleitung’œ Wind bekommen und ihren Töchtern zu Hilfe eilen? Elterliche Hilfsaktionen enden nämlich so gut wie immer in Chaos und Desaster.

Natürlich dauert es nicht lange, bis die Kavallerie angeritten kommt: Gisbert von Meyers Gescheibsel in der Tageszeitung ruft Mutter Charlotte und Hanna, eine Freundin der Familie, auf den Plan. Nun wuseln neben dem eilig angeheuerten Koch-Azubi Hans-Jörg noch zwei altgediente Hausfrauen in der Küche herum. Deren Kochkünste sind allerdings auch keine Offenbarung, sie meinen das nur. Und auch sie müssen erfolgreich hinters Licht geführt werden.

Bei Mutter geht das ja noch. Doch als es Papa Heinz daheim fad wird und er unvermittelt auf der Matte steht, fängt das Chaos zu toben an. Er tut sich mit seinem Kumpel Kalli und Gisbert von Meyer zusammen und ist wieder mal wild entschlossen, seine Familie von Schaden zu bewahren und sämtliche düsteren Geheimnisse aufzudecken. Denn dass etwas nicht stimmt, das merkt er. Da kann man ihm nichts vormachen.

Ines nimmt Papa und das Leben nicht so ernst und hat ihren Spaß an dem Durcheinander. Christine neigt eher zum Grübeln und fühlt sich bald von allen Seiten verfolgt: Kann es wirklich Zufall sein, dass sich der Ex-Polizist Guntram Bernd, der Pressefotograf Gregor Morell und der Journalist Tom Hansen, ein Freund aus Schultagen, ausgerechnet jetzt in der Pension einmieten? Oder sind sie alle hinter der Story von Marleen und ihrem prominenten Freund her? Wie viel hat sich Gisbert von Meyer bereits zusammengereimt? Und was können Papa und Kalli mit ihren Detektivspielchen anrichten? Solange sie nur Inselklatsch und Unstimmigkeiten innerhalb der Pensionsbelegschaft ausspionieren, dürfte nicht viel schief gehen.

Als der Bruder von Marleens Freund in der Pension auftaucht und explizit nach Christine fragt, wird es gefährlich. Sollte ihn jemand erkennen und zwei und zwei zusammenzählen, wäre die ganze Aktion für die Katz.

Womit in all dem Tohuwabohu niemand rechnet: Papa Heinz, berüchtigt für seine hyperaktive Phantasie, ist diesmal wirklich einer mysteriösen Sache auf der Spur. Einer spielt falsch …

’žKein Wort zu Papa’œ ist der fünfte Band mit der Hauptfigur Christine Schmidt. Die Crux bei einer beliebten Buchreihe ist, dass der Autor den Lesern einerseits Vertrautes bieten muss ’“ denn deshalb lesen sie die Reihe ja ’“ und sich andererseits genügend Neues ausdenken sollte, um das Publikum nicht zu langweilen.

Inhaltlich erinnert der vorliegende Band schon deutlich an den Vor-Vorläufer ’žUrlaub mit Papa’œ: Christine und ihre Freunde helfen in Marlenes Pension aus, während Heinz und seine Altherrenriege eine fixe Idee entwickeln und mit ihren Amateurdetektivspielchen alle in den Wahnsinn treiben.

Neu ist, dass Schwester Ines und damit auch das Thema ’žGeschwisterrivalität’œ ins Spiel kommt. Christine und Ines sind beide in ihren Vierzigern und tun sich schwer, die Beziehungsmuster ihrer Kindheit hinter sich zu lassen und einander unvoreingenommen als erwachsene Frauen wahrzunehmen. Das werden sie aber müssen, denn sie sind aufeinander angewiesen. Geschwistergezicke bringt sie da nicht weiter.

Trotz tumultartiger Küchenszenen, skurrilen Nebenfiguren (Pierre! Adelheid!) und irrwitziger Heinz-Aktionen: So brüllkomisch wie ’žUrlaub mit Papa’œ ist der neue Band nicht. Vielleicht weil Heinz und seine Rentnergang erst nach knapp der Hälfte des Buchs ihr Unwesen zu treiben beginnen. ’žKein Wort zu Papa’œ ist auf eine erwachsenere Weise unterhaltsam als sein(e) Vorgänger. Oder, abhängig von der Erwartungshalter der Leser, etwas weniger unterhaltsam. Bei mancher Kennerin der Reihe fiel sogar das Stichwort ’žlangweilig’œ. Das würde ich jetzt nicht unterschreiben. Man freut sich über ein Wiedersehen mit den Personen, will wissen, wie es ausgeht und wer hier was zu verbergen hat. Und doch stellt sich die Frage, ob die Masche ’žbesorgter Chaos-Vater sieht Gespenster und mischt sich ins Leben seiner erwachsenen Kinder ein’œ nicht erste Abnutzungserscheinungen zeigt.

So wahnsinnig viele neue Aspekte werden dem Thema nicht mehr abzugewinnen sein. Einen Band sechs dürfte diese Konstellation nicht mehr tragen. Und falls doch, lassen wir uns gerne positiv überraschen.

Die Autorin:
Dora Heldt, 1961 auf Sylt geboren, ist gelernte Buchhändlerin, seit 1992 als Verlagsvertreterin unterwegs und lebt heute in Hamburg. Mit ihren spritzig-unterhaltenden Romanen hat sie sämtliche Bestsellerlisten erobert. ’žUrlaub mit Papa’œ (dtv 21143) und ’žTante Inge haut ab’œ (dtv 21209) wurden fürs ZDF verfilmt.

Rezensent: Edith Nebel
EdithNebel@aol.com
     
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2 Kommentare

  1. Zwischen den Jahren habe ich das Buch auch gelesen, und ich muss dir recht geben: An „Urlaub mit Papa“ reicht es nicht heran. „Langweilig‘ würde ich zwar nicht sagen, aber im Mittelteil gingen mir die ganzen kleineren Katastrophen in ihrer Geballtheit ziemlich auf die Nerven: Da kracht der Schrank runter, dort wird Gisbert wieder mal literarisch tätig usw. usw. Erst gegen Ende nimmt der Roman wieder Fahrt auf.

    Was mir gefallen hat, sind die manchmal durchaus ernsthaften Gespräche der beiden Schwestern: Meistens kriegen wir das Chaos ja nur aus der Perspektive von Christine mit. Da Ines die Dinge aber lang nicht so verkrampft sieht und das auch oft sagt, dachte ich mehrmals: Christine ist halt doch eine echte Tochter von Papa Heinz, der auch überall Katastrophen sieht.

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