Madeira 2004 – konstant 27 Grad, Teil 2

5. August: Die West-Tour

+++ Camara dos Lobos +++ Cabo Girao +++ Ribeira Brava +++ Sierra Agua +++ Emcumeada-Pass +++ San Vincente +++ Porto Moniz +++ Hochebene Paul da Serra +++

Nachdem wir ein paar Tage lang außer nix nix getan hatten, war jetzt ein bisschen Inselgucken angesagt. Man muss ja wissen, wo man war, sonst kann man den Urlaub gleich im örtlichen Freibad verbringen.

Der Bus kam pünktlich. Doch ehe es mit den Weisheiten der qualifizierten Reiseleiterin losging, hieß es erst einmal, eine Stunde lang die umliegenden Hotels abtouren und Mitreisende einfangen. Manche können’s einfach nie richten und hocken noch auf dem Klo, während draußen 30 Leute auf sie warten und haben hinterher noch eine blöde Gosch’. So macht man sich Freunde …

Camara dos Lobos: “Höhle der Wölfe” ist die wörtliche Bedeutung des Namens dieses Fischerorts. Gemeint sind allerdings keine wirklichen Wölfe sondern Mönchsrobben, die früher dort heimisch waren. Camara dos Lobos ist eine der ältesten Siedlungen auf Madeira, es gibt den Ort seit dem frühen 15. Jahrhundert. Winston Churchill liebte den Ort. Es gibt ein Foto aus dem Jahr 1950, auf dem der auf einem Aussichtspunkt am Ortseingang sitzt und den Blick auf dem Hafen malt. Wir waren dort und haben diese Aussicht fotografiert. Er hatte schon Recht – das ist ein Bild Wert.

Heute hätte er die Ruhe nicht mehr, dort zu sitzen und zu malen, weil im Minutentakt Busladungen mit interessierten Touristen dort halten und runterschauen und knipsen. Und wir gehörten dazu. So ein fortwährender Menschenauflauf lässt sich allerdings kaum vermeiden, wenn Hunderttausende von Touristen an ein paar Dutzend Sehenswürdigkeiten auf einer kleinen Insel interessiert sind.

Cabo Girao, der Aussichtspunkt über der Steilküste war unser nächstes Ziel. Und da war dann vollends Jahrmarkt. In einer ewig langen Schlange stand ein halbes Dutzend Reisebusse oder rangierten auch mal wie wild, wenn ausgerechnet einer in der Mitte wieder wegfahren wollte, obwohl es bei Lichte betrachtet nirgendwo hinging und man sich in dem Menschengewusel auch kaum zu rangieren traute. Es ging zu wie bei uns auf dem Pfingstmarkt. Markt war das richtige Stichwort, denn obwohl man vor lauter Leuten nicht mehr treten konnten, wuselten auch noch Händler herum und boten Pflanzen,. Postkarten, Stickereien und sonstige kunsthandwerkliche Gegenstände an. Ich kaufe in so einem Menschengewirr grundsätzlich nicht. Am Ende klaut dir noch einer den Geldbeutel. Nix gibt’s.

Wie auch immer – wir kämpften uns durch die Menschenmassen vor um das zu sehen, was es hier zu sehen gab: Vom Aussichtsplatz aus ging es 578 Meter lotrecht ins Meer. Das ist das zweit- oder dritthöchste Kliff der Welt. Man hat einen Blick fast über die gesamte Südküste und natürlich über Funchal.

Unten, am Fuß der Klippen, sieht man tatsächlich Terrassenfeldern, zu denen man sich früher mit einem Seil hinunterlassen musste. Oder man fuhr mit dem Boot. Heute gibt es wohl einen gläsernen Lift dort hinunter, den wir aber nicht gesehen haben. Die Landwirtschaft auf Madeira ist schon eine verflixt mühsame und manchmal sogar gefährliche Angelegenheit.

Woher der Name Cabo Girao kommt, erfuhren wir auch noch: Das heißt „Wende-Kap“. Die Entdecker Madeiras wendeten an dieser Stelle und fuhren wieder nach Lissabon zurück.

Ribeira Brava heißt „wilder Bach“ und ist ein fruchtbares Tal im Süden, und es gibt einen gleichnamigen Ort direkt an der Küste. Im 15. Jahrhundert wurde dort Zuckerrohr angebaut, heute gibt es hier Obst- und Bananenplantagen und man die Menschen in Ribeira Brava leben zudem von Fischfang und Landwirtschaft.

Wir hatten ein bisschen freie Zeit zur Verfügung, aber so schrecklich viel Interessantes gibt es in dem Städtchen nicht zu sehen. Wir waren kurz in der Kirche und ich habe halt wieder Postkarten gekauft. Von Ribeira Brava aus ging es in „Landesinnere“ der Insel, in Richtung Norden.

Über Sierra Agua mit seinen Terrassenfeldern fuhren wir zum Encumeada-Pass, 1.700 m hoch und fast im Mittelpunkt der Insel gelegen. Von diesem Pass breitet sich das ganze Panorama des Zentralgebirges aus. Der Pass ist die Verbindung zwischen Süden und Norden und gleichzeitig die Nahtstelle zwischen dem Zentralgebirge und der Hochebene Paul da Serra – ein traditioneller Verkehrsknotenpunkt mit Restaurants und Herbergen.

Die Aussicht war sensationell und am Wegesrand wuchsen höchst dekorative Hortensien und Agapanthus, eine Schmucklilie, die auch als „afrikanische Liebesblume“ bekannt ist. Nervig war allein die Indio-Band – ja, genau die Jodler mit Pferde-schwanzfrisur und buntem Poncho, die einem in jeder Fußgängerzone die Ohren vollflöten. Die hiesige Filiale hatte einen Notstromaggregat und eine Anlage aufgebaut und spielten zu einer CD mit Abba-Songs („Chicitita“) die Panflötenstimme. Und das nicht mal besonders gut. Wahrscheinlich fehlten denen noch ein paar tausend Höhenmeter, bis sie zur richtigen Form aufliefen.

Indio-Musikern mit Analage und Playback-CD sollten uns auf der Reise noch öfter begegnen. Es waren zwar immer andere Indianer, aber alle hatten die gleiche CD …

Wir kamen durch den Lorbeerwald, der heute zum Weltnaturerbe der UNESCO gehört. Die Lorbeerbäume (Laurus Azorica) sind endemisch auf der Insel, das heißt, sie kommen nur dort vor. Lorbeer, Baum- und Besenheide, Madeira-Zedern und Baumwacholder bilden den ursprünglichen Bewuchs der Insel, den Urwald. All diese Gehölze stehen unter Naturschutz. 60% der Pflanzen im Lorbeerwald sind endemisch. Der madeirensische Lorbeerwald zählt zum Weltnaturerbe der UNESCO. Der Lorbeerwald hat sich in der Eiszeit entwickelt, nicht nur auf Madeira sondern auch im Mittelmeerraum und in Nordafrika. Auf den Atlantikinseln blieb er erhalten, anderswo war es ihm nach der Eiszeit zu warm und er verschwand.

Je mehr Lorbeerwald es gibt, desto mehr Wasser gibt es. Der Tau gelangt über die Blätter in die Wurzeln, es bilden sich unterirdische Schichtquellen, und von dort gelangt das Wasser durch die Levadas (Bewässerungskanäle) bis ins Tal. Auf Madeira muss man kein Meerwasser entsalzen.

Auf dem Weg nach Sao Vincente an der Nordküste kamen wir immer wieder an Terrassenfeldern vorbei, auf denen kleine Hütten standen. Das seien mitnichten Geräteschuppen, erklärte uns die Reiseleiterin, sondern Kuhställe. Für richtige Kuhweiden, wie wir sie kennen, ist außer auf der Hochebene Paul da Serra kein Platz in dem gebirgigen Gelände. Also hält ein Bauer eben EINE Kuh. Frei herumrennen kann man sie in dem steilen Gelände auch nicht lassen, weil immer wieder welche abstürzen. Sind eben Rindviecher. Also gibt’s eben Einzelviehhaltung in diesen Ministällen. Gefüttert wird das Tier im Stall. Und wenn man einen Bauern mit einem großen Grasbündel auf dem Kopf auf sein Feld gehen sieht, dann bringt er seiner Kuh das Futter.

Sao Vincente: Die kleine Kapelle, der Fluss und das Dorf sind dem heiligen Vinzenz geweiht. Der Märtyrer soll bei Valencia von einem Schiff aus mit einem Mühlstein beschwert ins Meer geworfen worden sein. Das Meer spülte ihn bei Sao Vincente wieder an Land, wo er dann, nach diesem „Fingerzeit Gottes“ ein ordentliches Begräbnis erhielt.

Vom Meer aus kann man Sao Vincente nicht sehen, es liegt hinter einem Felsen verborgen, wodurch die Einwohner ihre Ruhe vor den Piraten hatten.

Von Sao Vincente ging es nach Porto Moniz, den nordwestlichsten Punkt der Insel. Dort war unsere Mittagspause geplant. Auch unterwegs gab es noch Interessantes zu sehen: Ungewöhnlich geformte Felsen im Wasser. Und die Straße an der Steilküste entlang war auch ein Erlebnis für sich. Wir fuhren die „Alte Straße“ entlang, die wie ein geländerloser Balkon am Felsen klebt. Sah man aus dem Busfenster, ging’s nur ins Bodenlose. Die Reiseleiterin meinte grinsend, wir könnten beruhigt sein, auf Madeira gibt es nur gute Busfahrer. Die schlechten wären schon längst über die Klippen gestürzt.

„Waschstraße“ wird die Straße auch scherzhaft genannt. Es gibt hier so viele Wasserfälle, dass das Auto beim Drunterdurchfahren von selber sauber wird. Nur Cabrio-geeignet ist die Strecke eher weniger … Eindrucksvoll war der Wasserfall Veu da Noiva, der Brautschleier-Wasserfall kurz vor der Ortschaft Seixal.

Baustellen sahen wir auch allenthalben. Die Berge auf Madeira müssen ja bald durchlöchert sein wie Schweizer Käse. An jeder Ecke wurden Tunnels gebohrt. Das, so erzählte man uns, habe Madeira den Zuschüssen aus der EU zu verdanken. Jetzt ist Geld da, jetzt wird auch gebaut. Ist es das, was wir mit unseren Steuergeldern finanzieren: Löcher?

In Porto Moniz angekommen, ging es gleich in das Restaurant Cachalottedirekt am „Wahrzeichen“ des Orts, dem natürlichen Felsenschwimmbecken. Dort waren wir zum Mittagessen angemeldet. Es war ein großes, ziemlich ungemütliches Lokal, das für Massenabfertigungen von Touristen wie geschaffen war. Nervig war auch das aufdringliche Fotografenteam mit jungen Damen in Landestracht, die sich ungefragt mit den Gästen fotografieren ließen und hinterher 5 Euronen für das Bild kassierten. Unser Bild war doof, was zwar mehr an uns als an den Fotografen lag, aber für ein doofes Bild zahlen wir nicht. Berufsrisiko.

Es gab Fisch: Espada mit Kartoffeln und Gemüse. Der Espada – der schwarze Degenfisch – ist eine leckere Spezialität der Insel. Doch nicht nur auf dem Teller ist dieser Fisch interessant, auch im Wasser gibt es über ihn einiges zu erzählen. Nur ist das nicht alles so appetitlich. Also erst essen und dann später schauen, wie der Espada aussieht und sich darüber informieren, wie er lebt und gefangen wird.

Beim Espada handelt es sich um einen Tiefseefisch, der ca. 800 bis 1000 Meter tief im Atlantik lebt. Er wird 1 bis 2 Meter lang, schwarz, hat große Glubschaugen und ein hechtartiges Maul mit mehr Zähnen als Stefan Raab. In der Tiefe sei er wohl kupferfarben, nicht schwarz, sagte man uns. Genau weiß man es nicht, weil man noch nie einen lebendigen Espada gesehen hat. Auch keinen jungen, übrigens. Nicht mal der Forscher Jacques Cousteau hatte Glück, der mal in Sachen Espada forschte. Vielleicht wüssten wir heute mehr, wenn er nur mehr Zeit für dieses Projekt gehabt hätte.

Man nimmt an, dass die ausgewachsenen Espadas zur Nahrungssuche aus der Tiefe auftauchen und dann in die Fischernetze geraten. Beim Hochziehen des Netzes stirbt der Espada dann aufgrund des Druckabfalls. Er ist eben für die Tiefsee gemacht. Die Schwimmblase dehnt sich aus, er spuckt den Mageninhalt aus – weswegen man bis heute nicht weiß, was genau er frisst – und stirbt.

Die ekligen Details vergisst man aber recht schnell, wenn der Espada in Form von Fischfilet vor einem auf dem Teller liegt …

Nach dem Essen hatten wir noch ein bisschen Gelegenheit, uns rund um das natürliche Felsenschwimmbad umzuschauen. Leider wurde da gerade was renoviert, so dass nicht in allen Becken Wasser drin war. So haben wir nicht ganz den richtigen Eindruck von dem beliebten Familienbad bekommen.

Vor hunderttausenden von Jahren haben sich vulkanische Schlackenbänder vor der flachen Küste zu einem großen Halbrund geformt. Fast ohne bauliche Ergänzungen entstand dort ein Badeparadies, das besonders von einheimischen Familien frequentiert wird.

Nach der Mittagspause fuhren wir weiter durch die Hochebene von Paul da Serra. Dort war es neblig, nass und herbstlich. Kühe laufen dort frei herum und finden abends von selber wieder in den Stall, wenn es Zeit ist zum Melken. Bis ungefähr zur Ortschaft Prazeres ist die Gegend bewaldet, danach wird der Bewuchs steppenartig. Na ja, man befindet sich dort in einer Höhe von 1.400 bis 1.500 Metern. Die höchste Erhebung ist der Ruivo do Paul mit 1.630 m. Bewohnt ist die Hochebene nicht. Man hatte mal geplant, weil es dort so schön eben ist, den Flughafen dort oben hin zu bauen. Doch das war eine Schnapsidee. Das Wetter ist zu schlecht, dort oben ist es häufig neblig. Auch sonst ist es dort recht unwirtlich. Großteils bilden wasserundurchlässige Erdschichten den Untergrund, was den Boden zu einem matschigen Sumpf macht. „Gebirgsumpf“ lautet auch die wörtliche Übersetzung von Paul da Serra. Die Wege sind leicht erhöht angelegt, damit man bei schlechtem Wetter nicht im Matsch versinkt.

Der Flughafen kam dann nach Funchal. Was auch nicht ganz einfach war, weil es so wenig Platz gab für eine Landebahn. Aber zumindest ist dort unten im Süden das Wetter besser.

Auf der Rückfahrt legten wir noch eine Kaffeepause in Ponta do Sol ein. Statt uns ins Cafe zu setzen, gingen wir am Kai entlang und schauten der Dorfjugend zu, wie sie von der Kaimauer ins Wasser sprang. Wahnsinn, was diese Jungs sich trauen.

Unterwegs aufgeschnappt

Wenn man so unterwegs ist, erzählen die Reiseleiter ja so allerlei Interessantes, Wichtiges und Schnurriges. Zum Beispiel dieses:

Tonfiguren auf den Dächern: Auf den Dächern der madeirensischen Häuser – ob alt oder neu – finden sich vielfach Tonfiguren in Form von Vögeln oder Kinderköpfen. Dieser Brauch ist asiatischen Ursprungs und kommt aus den Kolonien (Macao). Der Vogel soll eine Taube darstellen, ein Symbol für den Heiligen Geist, und das Haus beschützen. Die Kinderköpfe sind ein Fruchtbarkeitssymbol.

Zuckerrohr: Der Entdecker der Insel, Kapitän Zarco und Prinz Heinrich, hatten schon recht früh die Idee, auf Madeira Zuckerrohr anzubauen. Die ersten Stecklinge wurden aus Sizilien importiert. Sklaven aus Nordafrika arbeiteten auf den Feldern der Zuckerrohrplantagen. Die Konkurrenz konnte nicht mithalten, und bald importierten alle nur noch Zuckerrohr aus Madeira. Das Geschäft florierte eine ganze Weile. Um das Jahr 1500 herum war der Höhepunkt des madeirensischen Zuckerrohrgeschäfts, doch 1503 kamen die Portugiesen auf die Idee, Zuckerrohr nach Brasilien zu bringen. Die ersten Plantagen entstanden, auf denen die Sklaven aus Schwarzafrika arbeiteten. Zuckerrohr aus Brasilien war fortan konkurrenzlos, Madeira als Zuckerrohrlieferant war bald vom Markt verschwunden.

Heute sieht man nur noch vereinzelt ein paar Pflanzen. Was es noch an jeder Ecke gibt: Den weißen Rum, den man ja aus Zuckerrohr macht. Eine Spezialität der Insel ist Poncha, eine Art Punsch aus weißem Rum, Honig und Zitrone. Das Zeug kann man kalt oder heiß trinken und jeder schwört auf sein ganz persönliches Mischungsverhältnis. Im Winter schwören die Madeirenser auf heißen Poncha, der gut gegen Erkältungen sein soll. Man trinkt ihn aber auch gern mal zur Vorbeugung …

Wir haben uns aus der Markthalle einen weißen Rum mitgebracht und werden im Winter mal testen, wie es denn so mit der medizinischen und sonstigen Wirkung dieses Gebräus bestellt ist.

Zwergbananen: Zwergbananen brauchen Wärme und Feuchtigkeit und sind deshalb auf Madeira gut aufgehoben. Sie werden bis in die Höhe von 300 m angebaut. Aus der Wurzelknolle sprießt die Mutterpflanze. Bis das erste mal Bananen geerntet werden können, dauert es 18 Monate. Jede Pflanze trägt nur einmal in ihrem Leben eine Bananenstaude, danach stirbt sie und das Spiel geht mit ihren Ablegern weiter.

7. August: Die Ost-Tour

+++ Pico do Ariero +++ Ribiero Frio +++ Santana +++ Portela +++ Ponta Sao Lourenco +++ Machico +++ brbr
Nahezu pünktlich ging es am Morgen des 7. August mit dem Bus auf die Osttour. Auf dem Weg zum Berg Pico do Ariero erzählte uns die Reiseleiterin noch allerhand über das Getier auf Madeira. Es gibt rund 250 Vogelarten auf der Insel, kein Rotwild, nur Kaninchen, Reptilien – und 500 Fischarten. Und dass es die Pflanzen dank des günstigen Klimas zu Rekordgröße bringen, erzählte man uns auch. Heidelbeeren erntet man hier mit der Leiter, weil die Sträucher bis zu 2 Meter groß werden. Und auch die Besen- und Baumheide wird viel größer als anderswo.

Auf dem Pico do Ariero, dem dritthöchsten Berg der Insel mit 1818 Metern hat man alles im Blick. Man kann heute mit dem Auto bis kurz unter den Gipfel fahren und dann zur Aussichtsterrasse hoch gehen. Von dort sieht man nach Süden und Osten bis zur Küste, nach Norden hinüber zu den benachbarten Felsmassiven und nach Westen bis auf die Hochebene Paul da Serra. Und wenn ich auch die Fotos „Landschaft mit Emma“ sonst nicht leiden kann – hier haben wir eins gemacht. Muss ich erwähnen, dass auch hier die unvermeidlichen Indianer am Herumplärren waren?

Die nächste Station war Ribiero Frio, was „kalter Fluss“ heißt. Das ist ein Naturschutzgebiet und liegt am Osthang des Zentralgebirges, so ungefähr auf halber Höhe. In wie fern da die Natur geschützt wird, habe ich mich allerdings gefragt, weil das ganze doch sehr touristisch aufgezogen ist. Mit Wegen, Picknickplätzen, Restaurants, Souvenirbuden … Und natürlich mit panflötenden Hochlandindianern samt Stromaggregat, Anlage und Abba-CD. Ist in den Anden überhaupt noch jemand zu Hause? Tolle selbst gestrickte Pullover haben die Frauen dort angeboten, aber die wirkten warm und kratzig. Also habe ich keinen gekauft. Nur schön ist ja auch nix.

Terrassenförmig an den Hang gebaut ist eine Forellen-Zuchtstation, durch die wir durchspaziert sind. Interessanter noch als die Fische fand ich die Sammlung an penibel beschrifteten exotischen Topfpflanzen, die dort herumstand.

Bei Faial hielten wir für eine kurze Fotopause an: Der Ort an sich ist nicht so aufregend, aber der imposante, steil abfallende Adlerfelsen (Penha de Aguia), der Faial vom Nachbarort Porto da Cruz trennt. 590 Meter ist er hoch und früher nisteten dort Fischadler. Von denen hat der Fels seinen Namen. Auf den Berghängen sieht man überall die kleinen „Kuhhäuschen“, die palheiros. Mini-Kuhställe für einzelne Rindviecher.

Mittagspause war in Santana – Massenabfütterung mit Espada. Aber gut war’s. Der Name Santana, so sagte man uns, kommt von „Santa Anna“. Im 16. Jahrhundert stand an der Stelle der heutigen Dorfkirche eine Kapelle der heiligen Anna. Berühmt ist Santana wegen seiner Strohdachhäuser, auch Santana-Häuser oder Bienenkorbhäuser. Oder, auf portugiesisch, Casas do Colmo.

Diese gepflegten Häuschen sind winzig, und die Strohdächer reichen bis zum Boden. Es ist fast nicht vorstellbar, dass dort wirklich ganze Familien drin gelebt haben. Einige der Santana-Häuschen sind sogar heute noch bewohnt. Sie haben unten ein Wohnzimmer und ein Elternschlafzimmer und oben ein Kinderzimmer. Küche und Klo sind in separaten Gebäuden. Die Küche wegen des Funkenflugs- das ist bei einem Strohdach zu gefährlich. Da hat man doch lieber ein Gebäude mit Steindach.

Die Besitzer so eines Santana-Häuschens erhalten eine Unterstützung vom Staat, damit sie ihr Gebäude erhalten. Alle 5 Jahre muss so ein Strohdach neu gedeckt werden – wegen des Wetters und wegen der Mäuse.

Ich liebe ja Häuser und hätte mich an den schmucken und mit vielen Blumen herausgeputzten Santanahäuschen dumm und dusselig fotografieren können.

Danach ging es weiter. Nach einem Stopp in Portela fuhren wir zur Ostspitze der Insel. Dort war Schluss mit üppig grünen Landschaften, dort gibt es Halbwüste und unbewohnte Wüsteninseln vulkanischen Ursprungs. Eine spektakuläre Landschaft ganz nach unserem Geschmack, rau, felsig und karg. Wir sind herumgeklettert und haben wie die Wilden fotografiert. Viel zu schnell ging es wieder weiter. Ich war die letzte, die vom Felsen heruntergekraxelt war und wieder im Bus saß. Sonst muss man immer auf andere warten, diesmal war’s eben ich.

Der letzte Halt vor der Rückkehr ins Hotel war Machico, die älteste Stadt der Insel. Dort war alles in Vorbereitung für ein Stadtfest. Überall wurde gegrillt und Speisen und Getränke verkauft. Auf einer Bühne lief gerade der Soundcheck einer Band. Ich hatte gehört, dass es an der Festung, der Fortaleza do Amparo, einen Teich mit lila Seerosen geben sollte. Die wollte ich unbedingt sehen. Danach schlängelten wir uns durch die Grillbuden an den Strand durch.

Eine tolle Bucht haben die dort! Hätte es nicht so viel Remmidemmi gegeben von dem Fest her, wäre das dort wahrhaft paradiesisch gewesen.

Wir latschten noch ein bisschen durch die Ortschaft und waren früher als vereinbart wieder am Treffpunkt. Für heute hatten wir genug gesehen, und so ließen wir uns gerne wieder zum Hotel zurückfahren.

9. August: Ein weiterer Besuch in Funchal

Am 9. August wollten wir noch einmal nach Funchal um Souvenirs und Reisemitbringsel zu kaufen. Ich reservierte wieder in aller Herrgottsfrühe zwei Plätze im Shuttlebus für 9:30 Uhr. Doch als wir losfahren wollten, regnete es Bindfäden. Und Regenschirme hatten wir nicht mitgenommen. Zwar hätten wir welche kaufen können, aber der Laden im Hotel öffnete erst viel später am Vormittag. Also ließen wir unsere Shuttle-Fahrt verfallen und quetschten uns anderthalb Stunden später mit hundert anderen Menschen in den Linienbus. Der Shuttlebus war nämlich für alle späteren Fahrten bereits ausgebucht.

Meine Güte, das war vielleicht eine Gurkerei! Der Linienbus hielt an jedem größeren Baum und an jeder Milchkanne und war so gestopft voll, dass manche Fahrgäste gar nicht an ihrer gewünschten Haltestelle aussteigen konnten. Sie konnten sich einfach nicht bis zur Tür vorkämpfen.

Irgendwann haben wir es dann doch geschafft und kamen am zentralen Busbahnhof von Funchal an. Als erstes gingen wir in die Markthalle. Das war so eine Art europäisierte Version eines orientalischen Souks. Blumen, Fische, Rum und Vogelkäfige, Fleisch und Brot, Obst, Gewürze und Gemüse, Postarten und Souvenirs – es gab nichts, was es dort nicht gab. Auf dem Fischmarkt in der Markthalle sahen wir erstmals auch einen Espada, wenn er noch nicht zubereitet auf dem Teller liegt. Na ja, eine Schönheit ist er wirklich nicht. Ich wäre nicht von mir aus auf die Idee gekommen, dass man den essen kann und dass er auch noch schmeckt.

Postkarten und Rum, Madeira-Wein, verschiedene Blumenzwiebeln und Ansichtskarten haben wir gekauft und durften den Kram für den Rest des Tages mit uns rumschleppen. Gerhard war noch auf der Suche nach zwei Stangen Marlboro, aber die waren erst nach langem suchen in einem winzigen Kiosk zu finden. Auf Madeira verkaufen sie sonst wohl nur Einzelschachteln.

Zur Besichtigung der Kathedrale reichte es uns wieder nicht, aber die hat auch zu ausgesprochen ungünstigen Zeiten geöffnet. Nun, überall, wo wir waren, haben wir unerledigte Posten hinterlassen.

Wir gingen zum Praca du Municipio, dem Rathausplatz. Wir warfen einen Blick in den mit blauen Kacheln schön dekorierten Innenhof des Rathauses und sahen auch die Skulptur von Leda mit dem Schwan. Aber so ganz wohl war uns nicht dabei, dort besichtigend herumzuschleichen. Es ist immerhin ein Rathaus. Also gingen wir schnell wieder und besichtigten die Kirche des Jesuitenkollegs, die Igrecia do Collegio. Ein wildes Stil-Sammelsurium irgendwo zwischen maurisch und barock, mit Kacheln, Wandmalereien, gerahmten Bildern und Schnitzereien mit viel Blattgold. Leider sind meine Fotos nichts geworden, sie sind alle zu dunkel.

An der Uferpromenade nahmen wir Prospektmaterial zum Thema Hochseefischen für einen von Gerhards Kollegen mit. Wir sahen die Nachbildung von Christoph Kolumbus’ Schiff voll besetzt mit Touristen zu einer Rundfahrt auslaufen und gingen ins Einkaufszentrum. Das ist wie eine Shopping Mall konzipiert – lauter schicke kleine Lädchen – und auch dort gibt es nichts, was es nicht gibt.

Wir kauften uns etwas zu trinken und machten uns auf den Weg in den Stadtpark, den Parque Sao Francisco. Diesen Park hatten wir bei unserem ersten Besuch nur flüchtig gesehen. Eine beachtliche Ansammlung exotischer Bäume und Sträucher ist dort angepflanzt, alle mit Namensschildern versehen. Es ist unglaublich, was es alles an Pflanzen gibt, die man noch nie zuvor gesehen hat. Bäume mit dickbauchigen Stämmen, und etwas, das wie eine Kreuzung zwischen Drachenbaum und Yuccapalme aussah und ebenso sonderbare Früchte trug. Oder waren es Blüten? Sie sahen aus wie eine Mischung aus Ananas und Tannenzapfen. Wir setzten uns auf eine Park am Ententeich mit den beiden Knaben aus Stein und sahen den Passanten zu.

So langsam wurde es Zeit, an die Heimfahrt zu denken. Bis der Bus kam, setzten wir uns in ein Straßencafé in der Nähe des Busbahnhofs. Als es ans Zahlen ging, konnte der Kellner nicht rausgeben und verschwand für eine (gefühlte)Viertelstunde mit unserem Geldschein im Restaurant. Es wurde später und später und ich ging mal nachsehen, wo er denn bliebe. Ganz gemächlich kam er angeschlappt und gab uns unser Wechselgeld. Wir beeilten uns, zum Shuttlebus zu kommen. Die Haltestelle war ja gleich über der Straße, und es hätte gut gereicht, denn wir hatten noch 6 Minuten Zeit (Funkuhr!). Allerdings entschloss sich der Busfahrer, fünf Minuten früher abzufahren, obwohl sein Bus noch leer war uns wir schon die Hand am Türgriff hatten. Wir fuchtelten wie wild mit den Armen und machten klar, dass wir noch mit fahren wollten. Reserviert hatten wir ja. Er sah uns, winkte ab und fuhr los. Arschloch. Später im Hotel sahen wir, dass die Uhr in dem Bus kaputt war. Und ich nehme an, dass der Typie sich entweder auf seine Armbanduhr verließ oder seine Abfahrtszeiten nach Gefühl festlegte. Ich hatte so eine Sauwut auf diesen Kerl und hätte ihn gerne bei der Hotelleitung angeschwärzt – nur habe ich die Chefin nicht mehr gesehen. So ein Scheiß-Service ist eigentlich bei einem Riu-Hotel nicht üblich.

Wir mussten also wieder mit dem Linienbus heimfahren, der auch nicht weniger voll war als bei der Hinfahrt. Nur fuhr der jetzt noch eine längere Strecke mit noch mehr Haltestelle und brauchte dreimal so lang wie der Shuttlebus. Und für was für eine Arschbreite sind eigentlich die Bus-Sitze konzipiert? Für Kinder, für Pygmäen oder für Gartenzwerge?

Mehr schlecht als recht kamen wir dann wieder ins Hotel gegurkt. Tja, und damit war unser Urlaub eigentlich wieder so gut wie zu Ende. Wir machten noch ein paar Fotos und packten unseren Kram zusammen, denn am nächsten Vormittag um 11:30 Uhr sollten wir in Richtung Flughafen abgeholt werden.

Auch das hat nicht so ohne weiteres geklappt. Es kamen scharenweise Minibusse, die die Urlauber an den Flughafen karrten. Und als noch 4 Urlauber übrig waren – wir und noch ein Paar – kamen keine Busse mehr. Zum Glück trafen wir die TUI-Reiseleiterin, die nach ihrer Sprechstunde gerade das Hotel verlassen wollte. Ich sprach sie an, und sie telefonierte mit ihrem Handy ein bisschen in der Gegend herum. Und in der Tat – sie trieb noch einen Minibus für uns auf.

Reichlich spät trudelten wir am Flugplatz ein und hatten dank Umbaus ziemliche Schwierigkeiten, unser Abfluggate zu finden. War alles halb so schlimm, weil der Flug ohnehin Verspätung hatte. Gab es jemals einen pünktlichen Flug? Und wie viel „Luft“ ist eigentlich in den angenommenen Flugzeiten drin? Viel, denn trotz verspäteten Abflugs kamen wir pünktlich in Stuttgart an. Ab da klappte wieder alles tadellos – mit dem Taxi fuhren wir nach Hause und wurden von unseren Katzen schon sehnsüchtig erwartet. Gerhards Eltern hatten die Viecher, die Blumen und den restlichen Hausstand wunderbar versorgt.

Und dann kam das, was immer am Ende einer Reise kommt: 13 Waschmaschinenladungen Wäsche und ein bis zwei Waschkörbe voller Post. Und die Frage, wohin wir denn im nächsten Jahr fahren werden.

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