Nachgerechnet

Ich bin ein gewohnheitsmäßiger Nachrechner, sobald mir in einem Roman personenbezogene Daten serviert werden. Zahlen? Das muss was zu bedeuten haben! Also kurz mal prüfen …

Das muss eine recht exotische Angewohnheit sein, die nicht mal in Lektoraten weit verbreitet ist. Denn immer mal wieder erwische ich Zahlenwerte, die nicht stimmen können.

Wenn’s nur darum geht, dass eine Nebenfigur deutlich länger schon im Witwenstand ist als sie angibt, ist das kein Drama. Auch wenn einem die falsche Zahl in dem Zusammenhang förmlich ins Gesicht springt.

Wenn aber durch den Zahlen-Kladderadatsch das komplette Handlungsgefüge nicht mehr stimmt, kann mir das einen ganzen Roman verleiden. „Wie, Eva war beim Mauerfall acht Jahre alt? Dann muss sie eine bewusste Erinnerung an ihren Onkel haben. Unmöglich, dass sie ihn nicht kennt!“

Ärgerlich war auch der Zeitreiseroman, dessen Pointe sich auf einen Rechenfehler gründete. Hätte man richtig gerechnet, wäre der Schluss nicht halb so rührend gewesen. Es hätte vielleicht sogar zu einem Happy End gereicht.

Es gibt einen überaus unterhaltsamen Roman über eine Reinigungsfirma, der mich mit seiner grotesk verunglückten Zahlenakrobatik wahnsinnig gemacht hat. Die Oma der Heldin war mindestens 20 Jahre zu jung für den Rest der Familie. Zwischen ihr und der Enkelin war rein rechnerisch gesehen gar kein Platz mehr für Sohn, Schwiegertochter und deutlich ältere Heldinnenbrüder. Als späte Mutter wäre die Oma glaubhafter gewesen.

Sowas passiert nicht nur in sparsam lektorierten Büchern aus Selbst- und Kleinstverlagen, das kriegen auch die ganz großen Häuser gut hin. Warum merkt das eigentlich niemand? Ich meine, bevor das Buch in Druck geht?

Foto: Thorben Wengert / www.pixelio.de

4 Kommentare

  1. Kürzlich erst in der Esslinger Zeitung: Da werden fehlende Millionen und Milliarden schon mal verwechselt, Äpfel mit Birnen verrechnet und völlig unnachvollziebare Rechnungen aufgestellt. Am Schluss weiß man nur eines: Baden-Württemberg hat Schulden und zwar hohe. Das steht dann auch, wenn man’s nachrechnet, unterm Dopplestrich: Siebnafuffzigtausend Milliona plus elfaneunzig Milliarda plus a Hennadäpperle, macht: VIEL!

  2. Das geht mir mit ganz vielen Büchern so.
    Auch und besonders mit historischen Mehrteilern.
    Wenn da die zeitlichen Bezüge nicht halbwegs stimmen, dann werde ich sauer.

  3. Kenn ich – erst neulich wieder: wann war der Krieg zu Ende? In welchem Jahr spielt der Roman – und WIE lange ist die Witwe??? Fällt wahrscheinlich nur einem von hundert Lesern auf, mich machts wahnsinnig.

    1. Ich lasse mich dadurch auch vom Inhalt ablenken, weil ich immer noch versuche, dem Geheimnis der Jahreszahlen auf die Spur zu kommen. So wird ein Krimi unversehens zur Textaufgabe. Bertha ist 15 Jahre älter als Franz, Eva war beim Mauerfall 8 und Michael Jackson lebt noch. Wann spielt der Roman? 🙂

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