Robert Herbig: Tödliche Lilien – Der Bergstraßenkrimi,

Robert Herbig: Tödliche Lilien – Der Bergstraßenkrimi, Hamm am Rhein 2012, Verlag Stefan Kehl, ISBN 978-3-935651-42-4, Softcover, 214 Seiten, Format: 20,4 x 13,6 x 1,8 cm, EUR 12,80 (D).

„Keiner unserer Opfer zu finden, aber schau mal hier, wer sich vor drei Wochen für einen Tag einen Van geliehen hat, der genau baugleich ist mit dem Tatfahrzeug.“
Auf dem Faxausdruck war einer der Namen mit einem Textmarker rot kenntlich gemacht.
Vogler schüttelte den Kopf.
„Das glaub ich jetzt nicht!“ (Seite 166/167)

Holger Herbst, frisch gebackener Kriminalkommissar, hat gerade erst seinen Dienst in Heidelberg angetreten, und schon geht’s mächtig rund: Jemand hat den katholischen Pfarrer Lothar Herder erschlagen und die Leiche an ein Steinkreuz des Weinheimer Friedhofs gehängt. Ein weiteres makaberes Detail: Man hat ihm mit einer Schere einen Finger abgeschnitten!

Mordermittlungen in Kirchenkreisen, das passt ja wie die Faust aufs Auge! Holger Herbst ist voller Überzeugung konfessionslos und hat von Religionsgemeinschaften und deren Bodenpersonal keine hohe Meinung. Ehrerbietung? Fehlanzeige! Dumm nur, dass der Bischof ein Golfkamerad von Kriminalrat Schmitz ist.

Als wäre ein Mord noch nicht schlimm genug, hat die Heidelberger Mordkommission bald eine ganze Serie davon am Hals: drei katholische Priester, eine Landtagsabgeordnete und ein Sportlehrer werden innerhalb kürzester Zeit erschlagen aufgefunden. Weit und breit ist kein Motiv zu erkennen. Nicht einmal die Vorgehensweise des Täters ist immer gleich. Es gibt zweifellos Gemeinsamkeiten, doch mal fehlt dem Toten ein Finger, mal nicht, mal ist die eine, mal die andere Hand verstümmelt. Und manche Tatorte, aber nicht alle, hat der Mörder mit seiner Signatur versehen, einem Gegenstand den er in Leichennähe ablegt.

Die Ermordeten waren Durchschnittsbürger und hatten nichts gemeinsam. Ein Name fällt jedoch im Zusammenhang mit mehreren Mordopfern: der des Monsignore Francesco Thalmann, der zurzeit im Auftrag des Vatikans in Deutschland weilt. Was genau er hier macht, bleibt im Dunkeln. Er ist freundlich, aber aalglatt. Das meiste, was er erzählt, stimmt nicht.

Der Polizei bleibt nichts anderes übrig, als das persönliche und berufliche Umfeld eines jeden Mordopfers penibel zu durchleuchten. Und so manches, was da ans Licht kommt, ist Wasser auf die Mühlen des Kirchengegners Holger Herbst. Nur der Lösung des Falles bringt sie das nicht näher.

Die Mordserie ist nicht das einzige, was Kommissar Herbst derzeit beschäftigt. Seine Schwester Lea, die vor fünf Jahren nach familiären Differenzen aus Weinheim weggezogen war, ist für drei Monate wieder ins Elternhaus zurückgekehrt. Sie ist Schriftstellerin und will hier in Ruhe ihren neuen Krimi schreiben. In Berlin hat sie nach ihrer Scheidung nichts mehr Vernünftiges zu Papier gebracht. Ein Ortswechsel könne vielleicht ihre Blockade lösen, hat man im Verlag gemeint.

Noch sieht es nicht danach aus. Viel zu sehr lässt Lea sich von der Mordserie ablenken, die ihr Bruder gerade bearbeitet. Vielleicht sollte sie ja über diesen Fall schreiben und ihr bisheriges Thema in die Tonne treten? Kriminalrat Schmitz und Holgers Chef, Sven Vogler, sind Fans der Autorin und haben nichts dagegen. Sie gewähren ihr sogar, soweit möglich, Zugang zu polizeilichen Informationen. Wobei Sven Voglers Interesse an Lea und ihrer Arbeit nicht ausschließlich literarischer Natur ist.

Bald stellt sich die Frage, ob die Kriminalschriftstellerin bei ihren Recherchen zu viel herausgefunden hat. Als ihre Nachbarin zu Kaffee und Kuchen vorbeikommt, findet sie nicht Lea vor, sondern die Spuren eines Kampfes. Lea Schielke wurde entführt! Eine ihrer Notizen erweist sich als wertvolle Spur …

Eine vertrackte und blutige Mordserie hat der Weinheimer Autor Robert Herbig seiner Region hier beschert! Sehr spät erst ahnt man als Leser, woher hier der Wind weht. Und bei der Entlarvung des Täters ist man mindestens so überrascht und schockiert wie die Polizei.

Man kann sehr gut nachvollziehen, was die Personen in diesem Roman zu ihren Taten und Schandtaten treibt, auch wenn man nicht für alle Figuren und Motive Sympathien aufbringen kann. Es ist wie im richtigen Leben: So manche fiese Sau ist im Grunde eine arme Sau. Was nichts entschuldigt aber manches erklärt.

An den flapsigen und manchmal etwas deftigen Humor von Kommissar Herbst muss man sich erst gewöhnen. Im Umgang mit seinem nicht sehr redseligen Vater und bei dem Versuch, seiner Schwester aus ihrer Krise zu helfen, merkt man: Er ist Guter. Er kann zwar seine Hänseleien nicht lassen, aber er würde alles tun, damit es seiner Familie gut geht.

Seine Angehörigen wissen das. Sie kennen seine Sprüche und erwarten von ihm gar keinen sensibleren Umgangston. Bei Menschen, mit denen er beruflich zu tun hat, kommt sein Ton nicht immer so gut an. Die Leute können das nicht einordnen. Es gibt ein paar Szenen, in denen man denkt: Wenn er jetzt noch ein Wort sagt, erwürgt ihn seine Kollegin. Oder sein Chef. Oder Kriminalrat Schmitz. Oder der Bischof. Holger Herbst ist ein Held, der die Klappe nicht halten kann, aber mit dem Echo zu leben gelernt hat. Worin sich vielleicht auch der eine oder andere Leser wiedererkennt …

Zahlenfetischisten und Erbsenzähler werden es mit diesem Buch nicht leicht haben. Wenn nichts Gegenteiliges gesagt wird, geht man automatisch davon aus, dass eine Geschichte in der Gegenwart spielt. Das haut hier nicht hin. Mitte der 90-er Jahre wäre plausibel. Anderes spräche wiederum für die späten Siebziger (die Sache mit dem kleinen Jungen, S. 183) – oder für das Jahr 2000 (das Lady-Di-Beispiel auf Seite 72).

Das ist für die Handlung selbst nicht von zentraler Bedeutung und wird dem Großteil der Leserschaft womöglich gar nicht auffallen. Aber es gibt Leute ‚mit eingebautem Kalkulator‘, die beim Lesen ein stimmiges Zeitgerüst brauchen. Diese Menschen macht so etwas irre. Da muss das Lektorat beim nächsten Band unbedingt genauer hinsehen! Dann kann sich auch die Rechenkünstler-Fraktion unter den Lesern voll und ganz auf den neuen Fall von Kommissar Herbst konzentrieren, den es doch hoffentlich geben wird!

Der Autor
Robert Herbig wurde 1956 in Weinheim an der Bergstraße geboren. Er schreibt seit 10 Jahren Kurzgeschichten verschiedener Genres, die in mehr als 20 Büchern und in unzähligen Zeitschriften zu finden sind. TÖDLICHE LILIEN ist sein Romandebüt.

Rezensent: Edith Nebel
EdithNebel@aol.com

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