Birgit Ebbert: Miekes genialer Antischüchternheitsplan, Würzburg 2012, Arena Verlag, ISBN 978-3-401-50414-8; Softcover; 141 Seiten, Format: 18,6 x 12 x 1 cm, EUR 5,99 (D), EUR 6,20 (A).
Na, in der Geschichte sind ja ein paar Prachtspädagogen am Werk! Klassenlehrer Meyer-Piepenkötter erkennt zwar, dass die 11-jährige Mieke viel zu schüchtern ist, um sich mündlich am Unterricht zu beteiligen, aber statt das mit ihren Eltern zu besprechen und vielleicht therapeutische Hilfe anzuregen, stellt er der Schülerin ein Ultimatum: Entweder sie meldet sich künftig im Unterricht und sagt was Vernünftiges, oder sie muss die Schule wechseln. Ein Albtraum für das Kind, weil dies das einzige Gymnasium mit Musik als Hauptfach ist, und Mieke nun mal Musikerin werden will. Marimbafon-Solistin, um genau zu sein.
Ein Marimbafon. Bildnachweis unten!
„Und wenn du deine Schüchternheit nicht bald in den Griff kriegst, wirst du gehen müssen“ , sagt Lehrer Meyer-Piepenkötter zu Mieke (Seite 8 )und lässt sie mit ihrem Problem allein. Wer soll ihr nun helfen? Schulkameradin Anna? Sie ist die beste aller Freundinnen, aber sie quasselt den ganzen Tag und versteht das Problem nicht. Miekes Eltern? Ein vielbeschäftigtes Ärztepaar, das ständig auf dem Sprung ist. Entweder sind sie noch nicht daheim oder schon wieder weg. Oma? Die hat eine Unmenge von Kalendersprüchen auf Lager, aber was diese Weisheiten mit dem praktischen Leben zu tun haben, das versteht Mieke noch nicht. Tipps aus dem Internet bringen sie ebenfalls nicht weiter. Foren? Seminare? Hypnosetherapie? Alles nicht ihr Ding.
Miekes Eltern, die vom Klassenlehrer über das Ultimatum informiert wurden, schleppen einen Freund der Familie an: Professor Münster, einen Kinderarzt und Kinderpsychologen. Mike konnte den Kerl noch nie leiden und hat nicht den Eindruck, dass er sie versteht. Münsters Lebensgefährtin, die unkonventionelle Journalistin Vira Leonberg, kapiert von allen noch am besten, was Miekes Problem ist.
„In mir sitzt jemand, der meinen Arm festhält, wenn ich aufzeigen will, und in meinem Mund sitzt noch einer, der mir die Lippen zuhält, wenn ich etwas sagen will.“ (…)
„Wenn das alles ist“, murmelte Vira und trank einen großen Schluck aus ihrer Kaffeetasse. „Weißt du, wann dieser Jemand sich bei dir eingenistet hat?“ (Seite 58)
Es dauert noch eine Weile, bis Mieke dem Auslöser ihrer extremen Schüchternheit auf die Spur kommt. Einstweilen beschließen Vira und sie, dem „Armklammerer“ und dem „Mundzuhalter“ Namen zu geben und die beiden Unholde zu bekämpfen.
Aus Freundin Annas Rhetorik-Tricks und ein paar Allerweltsphrasen, die immer passen, aus Omas Spruchweisheiten und handfesten Tipps von Schulkamerad Kris, der auch mal so schrecklich schüchtern war, bastelt sich das Mädchen eine Selbsttherapie zusammen: MIEKES GENIALER ANTISCHÜCHTRNHEITSPLAN.
Ein Wundermittel ist das freilich nicht. Es gibt immer noch Momente, in denen Mieke wie gelähmt ist und nicht sagen kann, obwohl sie die Antwort weiß. Doch kleine Erfolge kann sie schon verzeichnen.
Wird ihr selbst entwickeltes Anti-Schüchternheitstraining funktionieren? Kann sie den Anforderungen ihrer Lehrer genügen? Oder muss sie die Schule verlassen und den Traum von der Marimbafon-Solistin aufgeben?
Dass man zur Schüchternheit man nicht lebenslänglich verurteilt ist, das ahnt Mieke inzwischen. Schließlich war selbst die berühmte, coole Moderatorin Larissa einmal schüchtern, wie Mieke bei einem Besuch in Viras Redaktion erfährt. Wenn diese Frau es geschafft hat, das Problem zu überwinden und heute sogar im Fernsehen auftreten kann, dann müsste es doch auch für unsere Heldin eine Chance geben!
Als Leser leidet man mit der sympathischen Gymnasiastin mit, wenn sie da so sitzt und nach Worten ringt, die einfach nicht kommen wollen. Die Autorin schildert Miekes Pein so eindringlich, dass selbst quasselstrippig veranlagte Zeitgenossen das gut nachfühlen können.
Eine Schande eigentlich, dass dem Mädchen niemand wirklich hilft und sie sich ihre Therapie im Alleingang erarbeiten muss. Da ist ja gut, dass es jetzt dieses Buch gibt. Hier ist der Antischüchternheitsplan schon fertig drin, und andere betroffene Kinder und Jugendliche können ihn nutzen, ohne selbst das Rad neu erfinden zu müssen. Genau das dürfte die Absicht der Autorin gewesen sein.
Vielleicht werden sich die Erwachsenen aus Miekes Umfeld noch wünschen, die Kleine wäre wortkarg und schüchtern geblieben. 😉 Mieke ist nämlich eine ganz Aufgeweckte und durchschaut die Erwachsenen, auch wenn sie noch so trickreich vorgehen. Bis jetzt hat sie nur beobachtet und geschwiegen. Wenn sie künftig den Mut aufbringt, ihre Erkenntnisse auch auszusprechen, wird sich der eine oder andere warm anziehen müssen. Aber das nur so nebenbei …
Für jugendliche Leserinnen und Leser dürfte es in der Tat eine Hilfe sein zu sehen, dass sie nicht allein betroffen sind und dass es durchaus Wege aus der Schüchternheit gibt.
Die Autorin
Birgit Ebbert ist 1962 im westfälischen Borken geboren. Sie hat Pädagogik studiert und in Jugendschutz und PR gearbeitet, ehe sie sich verstärkt dem Schreiben widmete. Neben Lernhilfen und Ratgebern schreibt sie Krimis und Romane für Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Ihre Geschichten haben oft einen wahren Kern, sicher auch, weil sie ihrem Lerncenter DIE LERNBEGLEITER täglich viele Kinder und Jugendliche trifft.
Foto Marimbafon: AlejandroLinaresGarcia
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