Tina Zang: Das Geheimnis der magischen Ohren, zweisprachig deutsch/englisch, ab 10, Reinbek bei Hamburg, Rohwohlt Verlag GmbH, Softcover, ISBN 978-3-499-21650-3, 157 Seiten, mit s/w-Illustrationen von Barbara Kalthues, Format: 19 x 12,6 x 1,6 cm, EUR 7,99 (D), EUR 8,30 (A).
Familie Maier – Vater, Mutter und die Teenager Ken und Mica – ist von Hamburg nach Neuseeland ausgewandert und gerade dabei, sich einzuleben.
Gut, dass Micas neue Mitschülerin Huhana ein wenig Deutsch spricht. Damit kann sie Mica gelegentlich sprachlich auf die Sprünge helfen. Das klappt privat und in der Schule wunderbar. Nur im Fremdsprachenunterricht versagt Mica kläglich. Sie denkt deutsch, der Lehrer spricht Englisch und Spanisch soll sie lernen? Da muss sie einmal zu oft um die Ecke denken, das wird nichts. Also bekommt sie Nachhilfestunden beim wild gelockten Lehrer Mr. Charles. „Pudelkopf“ nennt sie ihn insgeheim, aber eigentlich ist er in Ordnung.
Seit kurzem besitzt „Pudelkopf“ Charles den Papagei Peter McParrot, von dem sein mittlerweile verstorbener Vorbesitzer, Mr. McKovack, stets behauptet hat, er spreche in Reimen. Aber McKovack hat auch gesagt, seine Ratte Marty wolle Privatdetektiv werden, die Katze mache Yoga, der Hund könne lesen und er selbst würde auf höherer Ebene mit Tieren kommunizieren. Mr. Charles dagegen denkt, dass Mr. McKovack schlicht eine Meise hatte. Für ihn krächzt Peter nur. Mica dagegen hört ihn zu ihrem eigenen Erstaunen laut und deutlich sagen:
„This cage is much too small for me.
Please let me out, please set me free.” (Seite 14)
Sie erfährt, dass McKovacks Tiere alle ein gutes neues Zuhause gefunden haben, bis auf die Ratte Marty McRat. Die ist einer Zoohandlung gelandet – als Schlangenfutter. In allerletzter Sekunde gelingt es Mica, die Ratte freizukaufen. Und tatsächlich kann sie mit diesem Tier ebenso kommunizieren wir mit Papagei Peter. Anscheinend hat Mica Maier „magische Ohren“.
Es bedarf einer gewissen Überzeugungsarbeit, damit Mica ihr neues Haustier behalten kann. Aber dann freundet sich selbst ihre Mutter mit dem putzigen Rattenmännchen an. Ab da geht’s rund im Hause Maier. Marty McRat überredet Mica zur Gründung einer „Mystery Detectives“-Agentur. Dazu erstellen sie Plakate am PC und hängen sie in ihrer Umgebung aus. Es wäre nur ein Spiel – wenn sich nicht tatsächlich eine Klientin melden würde.
Evelyn Key, eine extravagant zurechtgemachte Dame mittleren Alters, braucht Hilfe bei einem wirklich abgefahrenen Problem: Durch einen chinesischen Seidenvorhang in ihrem Schlafzimmer kann sie angeblich in eine fremde Welt gelangen, wo das Meer seidig, der Himmel apricotfarben, das Licht mild und die Bewohner friedlich sind. Valanna heißt dieses Paradies, und jetzt ist dort etwas Schreckliches passiert: Der Häuptlingssohn Lauro ist spurlos verschwunden!
20 Jahre hat Evelyn Key schon auf Valanna verbracht. Sie spricht die Sprache der Einwohner – der Tiavalanna – und hat ihnen Englisch beigebracht. Die Verständigung wäre also kein Problem. Ob Mica und Marty den Vermisstenfall nun übernehmen wollen …?
Seit der Sache mit den magischen Ohren hält Mica alles für möglich. Also sagt sie ja, setzt sich Marty auf die Schulter, geht mit Evelyn auf den Vorhang zu – und dann landen sie tatsächlich in einer fremden Welt.
Von den Tiavalanna werden sie freundlich empfangen. Bei der Zeugenbefragung erfährt Mica, dass man schon die ganze Gegend nach dem Jungen abgesucht hat. Nur auf der Insel Imula war noch keiner. Dort steht ein schwarzer Turm, der laut einer alten Legende das Herz der Zeit beherbergt. Wenn jemand den Turm betritt und das Herz berührt, wird Valanna untergehen. Deshalb ist Imula tabu, und weil die Tiavalanna nichts Verbotenes tun können, kann Lauro auch nicht dort sein. Da kommen der Heiler Ulvo und sein Enkel Melvin mit der Nachricht, dass es noch einen weiteren Vermisstenfall gibt. Die Einsiedlerin Avela ist ebenfalls verschwunden.
In Avelas Hütte hat man einen irdischen Gegenstand gefunden, den Evelyn und die Mystery-Detektive garantiert nicht nach Valanna gebracht haben. Es muss also noch jemand von der Erde dort sein. Wo ist der Eindringling? Was hat er vor? Hat er etwas mit dem Verschwinden von Lauro und Avela zu tun?
Tabu hin oder her: Wenn die Vermissten sonst nirgendwo zu finden sind, muss man auch auf Imula nachsehen. Mica, Marty, Eve und zwei mutige Tiavalanna machen sich in auf den Weg. Und noch jemand treibt sich im Bannkreis der verbotenen Insel herum …
Was die kleine Expedition auf Imula entdeckt, ist ebenso faszinierend wie verstörend. Die Vermisstenfälle sind damit jedoch nicht abgeschlossen. Mica, Marty und Evelyn beschließen, zur Planung ihres weiteren Vorgehens erst einmal nach Hause zurückzukehren. Doch sie kommen nicht dazu, daheim in Ruhe nachzudenken. Denn da ist ja immer noch der andere Wanderer zwischen den Welten. Der hat Pläne für Valanna, die er sich von Evelyn und den Mystery-Detektiven keinesfalls durchkreuzen lassen will …
Die Zweisprachigkeit ist in diesen spannenden, geheimnisvollen und witzigen Roman ganz logisch eingewoben. Die Maiers denken und reden deutsch, die Neuseeländer und die Tiavalanna sprechen englisch. LeserInnen mit ersten Englischkenntnissen dürften der Geschichte problemlos folgen können. Komplexe Sachverhalten übersetzt sich Mica sicherheitshalber selber nochmal ins Deutsche, so dass man in jedem Fall mitbekommt, was die anderen gesagt haben.
In nur ganz wenigen Fällen wünscht man sich eine Art Wörterbuch im Anhang, um sich vergewissern zu können, ob banister tatsächlich Geländer heißt und undertow mit Sog übersetzt werden kann.
Bei den physikalischen Raffinessen der Geschichte – während man auf einer Welt ist, bleibt z.B. in der anderen die Zeit stehen – macht man es am besten wie Mica. Die gibt irgendwann auf, all die merkwürdigen Phänomene verstehen zu wollen und geht dazu über, sie einfach zu akzeptieren. Bei derart phantastischen Ereignissen stößt man eben manchmal an die Grenzen des Fassbaren.
Was man dagegen mühelos nachvollziehen kann, ist Micas Vermutung, dass sie sich in einer derart perfekten Welt bald langweilen würde. Immer nur Friede, Postkartenlandschaft und Sanftmut ist auch nichts. Zumindest nicht für so wissbegierige und abenteuerlustige Zeitgenossen wie Mica und Marty. Für die zwei muss immer was los sein, je schräger, desto besser. Da sind sie bei Autorin Tina Zang ja in den allerbesten Händen. Ihr fallen immer die unglaublichsten Geschichten ein. Die Künstlerin Barbara Korthues hat das phantastische Abenteuer mit einer pfiffigen Mica und vielen wild gemusterten Viechern treffend illustriert.
Von trockener Schullektüre ist DAS GEHEIMNIS DER MAGISCHEN OHREN so weit entfernt wie die Erde von Valanna. Man liest gespannt immer weiter und merkt irgendwann gar nicht mehr, dass man das auf Englisch tut. So macht das Lernen Spaß!
Sollte jemand das Gefühl haben, dass ihm die Geschichte irgendwie bekannt vorkommt, hat er vielleicht vor vielen Jahren (etwas über) Tina Zangs mittlerweile vergriffenes Buch DIE MYSTERY-AGENTEN gelesen. DAS GEHEIMNIS DER MAGISCHEN OHREN basiert auf Motiven dieser Geschichte. Es ist sozusagen eine überarbeitete, modernisierte, zweisprachige Version davon. Damals gab es noch weitere Mica-und-Marty-Bücher mit aufregend phantastischen Abenteuern. Wem also dieser zweisprachige Band gefallen hat, der kann unter Umständen auf Fortsetzungen hoffen.
Die Autorin
Tina Zang wurde 1960 geboren, hatte von Kindheit an Freude an Büchern und fand nach einem abgebrochenen Physikstudium über viele Umwege zu ihrem Traumberuf Schriftstellerin. Seit 15 Jahren denkt sie sich romantische, spannende und witzige Geschichten für Kinder und Jugendliche aus.
Rezensent: Edith Nebel
EdithNebel@aol.com
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