Anne Deußen: Und wir lachen immer noch … denn Reiten macht Spaß!

Anne Deußen: Und wir lachen immer noch … denn Reiten macht Spaß! Borsdorf 2012, Edition Winterwork, ISBN: 978-3-86468-235-3, Softcover, 108 Seiten mit zahlreichen, teils farbigen Illustrationen, Format: ca. 14,8 x 21,0 cm, EUR 8,90.

Das Buch ist ein engagiertes Hobbyprojekt, die Autorin hat die graphische Gestaltung selbst übernommen und der Verlag ist ein Dienstleister. Dies vorneweg, weil das für manche ein Entscheidungskriterium für oder gegen ein Buch ist. Doch wer irgendwann einmal nähere Bekanntschaft mit Reitern und Reitställen gemacht hat, wird über das, was Anne Deußen in ihrem Buch beschreibt, herzlich lachen und womöglich einen Muskelkater vom zustimmenden Kopfnicken bekommen. Da spielt es kaum eine Rolle, wie das Werk auf die Bücherwelt gekommen ist.

In vielen Vereinen, egal womit sich diese beschäftigen, gibt es Getuschel, Tratsch und Cliquenbildung, doch unter Reitern scheint das besonders ausgeprägt zu sein. Ob es wohl daran liegt, dass das ein „Mädchensport“ ist? Oder war das jetzt eine frauenfeindliche Bemerkung?

Gleich zu Beginn beschreibt die Autorin die verschiedenen Typen von Pferdemenschen, die einem in einem Reitstall unterkommen können. Kein Wunder, dass das Stallklima manchmal zu wünschen übrig lässt, wenn diese Charaktere aufeinanderprallen! Da gibt es Besserwisser und selbst ernannte Pferdeflüsterer, gehässige Klatschtanten, Eigenbrötler, belesene Theoretiker, Angsthasen – und Rentner, die im Reitstall zu wohnen scheinen. Manchen Leser dürfte in den Fingern jucken, die Namen seiner Mit(st)reiter hinter diese Charakterisierungen zu schreiben.

Was macht da der Normalmensch, der einfach nur in Ruhe sein Hobby betreiben und sich keiner der Gruppen anschließen möchte? Er wundert sich, er ärgert sich, aber sonst kann er nicht viel tun. Da muss er durch. Das Leben ist nun mal kein Ponyhof – nicht einmal für Pferdefreunde!

Ausgerechnet bei Reiterfreizeiten, bei denen wildfremde Mensch-Pferd-Teams tagelang miteinander durch fremdes Gelände reiten, scheinen die Menschen am besten miteinander auszukommen. Anne Deußen hat auch Theorien parat, woran das liegen könnte.

Wir erfahren, was ein Hottehüpochonder ist – ein Mensch, der ständig in der Angst lebt, sein Pferd sei krank – und wie man am besten mit ihm umgeht. Man kann auch testen, ob man selbst zu dieser anstrengenden Spezies gehört. Ein bisschen erinnert diese Eigenart an das Münchhausen-Stellvertreter-Syndrom, auch wenn der Hottehüpochonder nie so weit gehen würde, die Gesundheit seines Pferdes vorsätzlich zu gefährden, um die ersehnte Aufmerksamkeit seines Umfelds zu bekommen. Er ist einfach nur ein bisschen hysterisch, lamentiert gern und ruft ständig den Tierarzt.

Wir erhalten außerdem Einblick in den ganz normalen Wahnsinn des Stallalltags sowie in die einzelnen Phasen der Reiterausbildung. Reiter werden das meiste grinsend bestätigen, Nichtreitern wird klarer denn je, warum dieser Sport für sie nicht in Frage kommt.

Wie man sich tunlichst in der Reithalle oder auf dem Reitplatz nicht aufführt, schildert uns Anne Deußen so anschaulich wie die Verhaltensregeln bei einem unfreiwilligen Abstieg vom Pferd vor Publikum. Welche Folgen so ein Stunt nach sich ziehen kann, verrät sie uns auch.

Der exzessive Reiterstübchen-Klatsch wird ebenso aufs Korn genommen wie die Unarten der Pferde, die Besonderheiten der Weidesaison und der Shoppingwahn der ReiterInnen. Beim verkaufsoffenen Sonntag des nahe gelegenen Reitsportgeschäfts fallen die Pferdemenschen gleich herdenweise ein und erleben die Einkaufshölle auf Erden. Da kann man schon froh sein, wenn keiner der Menschen, mit denen man gekommen ist, im Laden verloren geht.

Später im Reitstall kann man dann das bewundern, bestaunen oder belästern, was die anderen gekauft haben. Denn es gibt nach Auffassung der Autorin einfach zu albernen Schnickschnack auf dem Markt, der für die Ausübung des Reitsports gar nicht vonnöten ist.

Mit zahlreichen Abbildungen

Wir erfahren Wissenswertes über die inneren und äußeren Werte eines Pferdes. Und ein launiges Rezept, mit dem man sich sein Traumpferd selber backen kann, gibt es obendrein. Wie man ein unwilliges Pferd in die Verladebox bugsiert – oder eben auch nicht – lernen wir ebenfalls.

Hier hat ein Insider mit bissigem Witz über Freud und Leid seines Hobbys geschrieben. Wer mit Pferden überhaupt nichts am Hut hat, wird hier nur „Ponyhof“ verstehen. Der Nichtreiter scheitert schon an Fachbegriffen wie z.B. „Losgelassenheit“. Aber der gehört auch nicht zur angepeilten Zielgruppe dieses Buchs. Reiter hingegen werden sich amüsieren und sich diebisch darüber freuen, dass manches, was sie schon lange an ihrem Hobby stört, endlich mal klar und deutlich ausgesprochen wird.

Das eine oder andere Kapitelchen aus dem Buch landet vermutlich als klammheimlich auslegte Fotokopie in den Reiterstübchen dieses Landes. Und wer sich in den Texten wiedererkennt, wird schon wissen, warum …

Die Autorin
Anne Deußen wurde am 01.09.1986 in Mönchengladbach geboren. Bereits im jungen Alter von vier Jahren hat sie die Welt der Pferde für sich entdeckt. Seit sie sich den Traum eines eigenen Pferdes erfüllt hat, erlebt sie den täglichen Stallwahnsinn, der sie zu diesem Buch inspiriert hat.

Rezensent: Edith Nebel
EdithNebel@aol.com

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