Tina Zang: Verflimst nochmal!, Esslingen 2013, Esslinger Verlag J.F. Schreiber, ISBN 978-3-480-22973-4, Hardcover, 123 Seiten mit s/w-Illustrationen von Karin Schliehe und Bernhard Mark, Format: 21 x 15,2 x 1,4 cm, EUR 9,95 (D), EUR 10,30 (A).
„Weißt du was, Wu, ich bin echt froh, dass meine Eltern mich für eine wandelnde Katastrophe halten. So kann ich sie wenigstens nicht enttäuschen, weil sie sowieso immer mit dem Schlimmsten rechnen. Aber wenn man mich für elegant und bravourös hält, muss das ja in die Hose gehen.“ (Seite 95)
Mit ihrer Phantasie und ihrem Forschergeist ist die aufgeschlossene und burschikose Isabella Bernstein in der noblen Villa ihrer Familie ein Störfaktor. Wenn sie nur ein bisschen was von einer Tussi hätte, hätte sie es leichter! Aber sie liebt grüne Frösche und hasst Pink. Und wenn ihre Eltern wüssten, dass ihr Kumpel Wu Dudummenuss nicht nur eine Vorliebe für außergewöhnliches Styling hat, sondern aus einer Welt stammt, die „Anderes Ende“ heißt und in der Magie zum Alltag gehört, würden sie ihr den Kontakt mit ihm garantiert verbieten.
Kennengelernt hat sie Wu, als er mit seinem Reisekoffer versehentlich in der Abstellkammer der Bernstein-Villa materialisierte. Er hatte sich „verflimst“. Abenteuerlustig, wie Isabella nun mal ist, hat sie ihn sofort in seine Welt begleitet und dort mit Bravour eine magische Aufgabe gelöst. (Tina Zang: Total verflimst!, ISBN 978-3-480-22963-5). Daran erinnert sich nun der andersendianische Großmagiologe Arno Lassenquatsch und schickt Wu, um Isabella um Hilfe zu bitten.
Isabella hat zwar keine Ahnung, was Arno von ihr wollen könnte, aber wenn ein Abenteuer ruft, zögert sie keine Sekunde. Sie quetscht sich mit Wu in dessen Reisekoffer und sie „flimsen“ im Nu ans „Andere Ende“. Dort ist es schon sehr exotisch:
„Wieso sind eure Eingänge so niedrig, dass man sich bücken muss?“
„Das lag am letzten Zando. Das ist die Jahreszeit, in der man nie weiß, wie schnell etwas wächst. Die Torbögen haben letztes Jahr keinen besonders großen Wachstumsschub gemacht, dafür war die Treppenernte sehr ergiebig.“
Treppen, die man ernten kann? Irre! (Seite 39/40)
In der Magiothek – Arnos Arbeitsplatz – angekommen, erfahren die beiden Kinder auch, was der Magiologe von ihnen will: Seine Familie ist von einem extrem lästigen Fluch befallen, seit Urururgroßonkel Kuno verbotenerweise ein Fluch-Turnier in der Welt der Einendianer besucht hat. Seitdem wedeln die Haare und Bärte der Familienmitglieder bei der geringsten Aufregung wild hin und her. Jeder Zauber versagt. Rasieren und Haarentfernung macht die Sache nur noch schlimmer. Die Problemlösung, die Arnos Bruder Lonzo für sich gefunden hat, ist nicht jedermanns Geschmack: Er führt freiwillig das langweiligste Leben, das man sich vorstellen kann. Keine Gefühlsregung, keine unkontrollierbare Haarbewegung.
Jetzt also soll Isabella ihr Glück versuchen. Eine magische Brosche verlieht ihr vorübergehend die Fähigkeit, die Sprache der Pflanzen zu verstehen. Die sprechen zwar in Rätseln oder reagieren pampig, geben aber auch den Tipp, etwas zu suchen, was keiner vermisst.
Ehe Isabella und Wu es sich versehen, verschlägt ihre Mission sie ans gefährliche „Eine Ende“, an den Ort, an dem der Fluch Arnos Vorfahr traf. Werden sie dort die die Lösung für das haarige Problem finden? Können sie den Bann brechen? Und kommen sie überhaupt wieder heil zurück?
Mutig, spontan und stets mit den allerbesten Absichten stellt sich Isabella jeder Herausforderung. Dass dabei etwas schief gehen könnte, schreckt sie nicht ab. Das ist sie schon gewöhnt. Ausgerechnet mit diesem quicklebendigen und unbefangenen Sprössling kann die Familie Bernstein nichts anfangen? Nun, das ist deren Pech! In diesem schnöseligen Haufen sind sowieso nur der Gärtner und der Hund normal. Vielleicht noch der neue Schwager, über den kann man noch nicht viel sagen.
Die Leser jedenfalls finden Isabella klasse und können gar nicht anders, als auf ihrer Seite zu stehen. Sie führt ja auch eindeutig ein interessanteres Leben als der Rest ihrer Sippe. Wer würde nicht lieber mit einem guten Freund durch magische Welten voller harmloser Spinner stromern als irgendwelches langweilige Erwachsenenzeug zu machen, das Stillsitzen, gutes Benehmen und hässliche, unbequeme Kleidung erfordert?
Selbst mancher erwachsene Leser beneidet die unangepasste Isabella. Den grünen Knopf des Großmagiologen Arno Lassenquatsch hätten wir wohl alle gern. „Husch-husch“ wäre die Hausarbeit erledigt. Wäre schön, wenn Isabella uns bei Gelegenheit so einen Knopf mitbringen könnte. Sie wird ja hoffentlich noch viele Abenteuer mit den Andersendianern erleben und sich nicht von ihrer Sippe dazu zwingen lassen, vor der Zeit erwachsen zu werden!
Das Illustratoren-Team Karin Schliehe und Bernhard Mark scheinen das Buch gründlich gelesen zu haben. Sie habe die Geschichte detailreich und treffend bebildert. Sie haben eine chaotisch hausende, unternehmungslustige Isabella gezeichnet, zickige Blumen, und merkwürdig gewandete Andersendianer. Nur bei Wus tanzenden Sommersprossen müssen sie passen. Bewegte Bilder in einem gedruckten Buch sind in unserer magiefreien Welt nicht möglich.
Die Autorin
Tina Zang wurde 1960 in Backnang (bei Stuttgart) geboren. In Heidelberg studierte sie Physik und Sprachen, arbeitete für ein Übersetzungsbüro und machte sich schließlich als Autorin selbständig. Sie lebt mit ihrer Familie auf dem Land und schaut beim Schreiben ins Grüne. Unter dem Namen Christine Spindler schreibt sie Krimis für Erwachsene, die zum Teil in den USA erscheinen.
Rezensent: Edith Nebel
EdithNebel@aol.com
http://www.boxmail.de