Bärbel Oftring: Tatort Natur! Betrug, Mord & Täuschung im Tierreich und was dahinter steckt (ab 7 Jahre)

Bärbel Oftring: Tatort Natur! Betrug, Mord & Täuschung im Tierreich und was dahinter steckt – 60 haarsträubende Fälle, Bern 2015, Haupt Verlag, ISBN 978-3-258-07912-7, Softcover, 128 Seiten, mit zahlreichen farbigen Fotos sowie Illustrationen von Roberta Bergmann und Tonia Wiatrowski, Format: 23,3 x 1,5 x 26,6 cm, EUR 24,90.

Abbildung: (c) Haupt Verlag
Abbildung: (c) Haupt Verlag

„Überfälle, Schlägereien, Diebstähle, Einbrüche, Betrug, ja sogar Mord und Totschlag – all dies kommt in der Natur vor, wenn es ums Überleben geht. (…) Die Tier- und Pflanzenwelt ist von Anfang an darauf eingerichtet, dass es Räuber-Beute-Beziehungen, Parasiten, Pflanzenfresser und mehr ‚Täter‘ gibt. So groß wie die Vielfalt an Tieren auf der Erde ist, so vielfältig sind auch ihre Überlebenstricks.“ (Seite 6)

Natürlich begehen Tiere keine Verbrechen aus niedrigen Beweggründen. Motive wie Neid, Hass, Habgier oder Eifersucht spielen bei dem, was sie tun, keine Rolle. Bei ihnen geht es wirklich nur ums Überleben. Doch hier tun wir mal so, als würden 60 tierische „Kriminalfälle“ wirklich polizeilich untersucht werden.

Es gibt einen Tätersteckbrief, eine Beschreibung des Opfers und des Tathergangs, eine Anklage und ein Motiv. Jeder Fall wird in Wort und Bild geschildert und die jeweils verwendete Waffe wird beschrieben und erklärt. Rubriken wie „Aha!“ und „Info“ liefern kurz und knackig wertvolle Zusatzinformationen. „Detektivaufgaben“ regen zu eigenen Naturbeobachtungen an und bei den Quizfragen kann man sein Wissen testen. Diese Quizfragen haben es in sich, auch für erwachsene Leser! Nur selten kann man die Antworten aus der Fallbeschreibung ableiten. Vieles weiß man entweder – oder man weiß es eben nicht. Dann kann man zum Glück bei den Auflösungen auf den Seiten 126/127 nachschauen und hat schon wieder etwas gelernt.

Abbildung: Edith Nebel / Hauptz Verlag
Abbildung: Edith Nebel / Hauptz Verlag

Von A bis Z durch die tierische Verbrecherkartei


Vom betrügerischen Ameisenbläuling, einem Schmetterling, der seine Raupen den Knollenameisen als Adoptivkinder unterjubelt, bis zur blutsaugenden Zecke, die sich, mit Betäubungs-Cocktail, Steckrüssel und Kieferklauen bewaffnet, des Diebstahls und der Körperverletzung „schuldig“ macht, geht es hier einmal durchs Alphabet und quer durchs Tierreich.

Der Ameisenlöwe, eine Insektenlarve, baut lebensgefährliche Fallen in den Sand. Bei den Bartgeiern tötet das kräftigste Küken sein schwächeres Geschwisterchen. Das Bitterling-Weibchen, ein Fisch, legt seine Eier in eine Flussmuschel, wo die Jungen in Sicherheit aufwachsen. Damit begeht der Fisch zwar einen Einbruch, aber der Flussmuschel kommt das ganz recht. Auch sie hat einen Vorteil davon.

Sogar das putzige Eichhörnchen wird aus Hunger zum Dieb und Mörder: Es plündert Vogelnester. Aber stimmt es eigentlich, dass Elstern Silberlöffel und Schmuckstücke klauen? Oder müssen die Angeklagten in diesem Fall freigesprochen werden?

Urteile werden über die Tiere natürlich nicht gefällt und es werden auch keine Strafen verhängt. Denn, wie gesagt, die Tiere handeln ja nicht aus Bosheit, sondern aufgrund ihres Überlebensinstinkts.

Spannendes und Gruseliges – nichts für zarte Seelen


Manche der tierischen Kriminalfälle, die hier beschrieben werden, sind sehr gruselig. Das hätte mir in dem Alter der angestrebten Zielgruppe Albträume beschert. Aber ich denke, die Kids heute sind diesbezüglich härter im Nehmen als wir damals.

Trotzdem … Ameisen, die durch einen Krampf in den Mundwerkzeugen an eine Grashalmspitze getackert sind, nachdem sie von den Larven des Kleinen Leberegels befallen sind … Mondschnecken, die Tellmuscheln aufbohren und das Innere aussaugen … Vögel, die ihre tote Beute auf Dornen spießen … Insekten, die Vertreter anderer Arten lähmen, Eier auf oder in ihnen ablegen und sie als lebende Nahrungsquelle für ihre Larven benutzen – das ist schon starker Tobak. Und ich glaube als Kind hätte ich mich aus Angst vor Steinadlern nicht mehr aus dem Haus getraut: „An den kräftigen Zehen seiner Füße trägt der Steinadler scharfe Krallen, mit denen er seine Beute tötet. Dazu schlägt er die Krallen durch die Schädeldecke ins Gehirn des Opfers, das Sekunden später tot ist.“ (Seite 98) Und das Foto eines vom Steinadler getöteten Murmeltiers sieht man auch.

Diese harten Fakten können auch nicht durch den augenzwinkernden Erzählstil neutralisiert werden. Für besonders phantasiebegabte und/oder zart besaitete Kinder ist das Buch also nur bedingt geeignet. Wenn den jungen Leserinnen und Lesern allerdings bereits klar ist, dass die Natur kein Streichelzoo ist, können sie hier sehr viel Spannendes und Interessantes entdecken und erfahren.

Die Autorin
Bärbel Oftring ist Diplom-Biologin. Ihre Liebe zur Natur setzt sie heute als Autorin, Redakteurin und Herausgeberin von zahlreichen Sachbüchern für Kinder und Erwachsene sowie in verschiedenen Naturforscherprojekten in die Tat um. Ihre Bücher vermitteln auf anschauliche und interessante Weise, was es alles über Tiere und Pflanzen zu entdecken gibt. Sie wurden bereits in mehrere Sprachen übersetzt und mehrfach mit Preisen ausgezeichnet.

Rezensent: Edith Nebel
EdithNebel@aol.com

http://www.boxmail.de

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