Meine Bildung hab ich aus dem Fernseh’n …

Kultivierte Menschen zitieren Philosophen und Gelehrte. Bei mir hat’s nur zu Roman- und Fernsehhelden gereicht. Vielleicht geht’s mir da wie Lucilectric, die in den 1990er-Jahren sangen „Meine Bildung hab‘ ich aus dem Fernseh’n.“.

Als Kind hab ich schon meine Umwelt mit dem Spruch genervt „Es kommte bloß so“. Nicht, dass ich nicht gewusst hätte, wie das korrekt heißt. Aber mit genau diesem Wortlaut entschuldigte eine kleine Kinderbuchheldin ihre Missgeschicke. Ich meine, es sei Tjorven aus Astrid Lindgrens Buch FERIEN AUF SALTKROKAN gewesen. Wie ich heut beim Googeln gesehen habe, stimmt das tatsächlich. Und es gibt noch mehr Fans dieses Spruchs.

Was sich seit den 1970er-Jahren in meinem Zitatenschatz befindet, macht quellenmäßig auch nicht mehr her: „Wenn gleich wissen, was wollen, viel Mühe sparen“, sagte Hop Sing, der chinesische Koch aus der Fernsehserie BONANZA. Das tat er, meiner Erinnerung nach, in der Folge DER DOPPELTE BEN CARTWRIGHT aus dem Jahr 1972. Sowohl Ben als auch sein Doppelgänger erteilten dem armen Koch einander widersprechende Anweisungen. Hop Sing wusste nicht, dass er es mit zwei Männern zu tun hatte und verzweifelte bei dem Versuch, es seinem plötzlich so wankelmütigen Chef recht zu machen.

Fast eben so lange zitiere ich Dr. „Pille“ Leonard McCoy aus RAUMSCHIFF ENTERPRISE, der in Situationen der beruflichen Überforderung gern Varianten des Spruchs „Ich bin Arzt und kein Klempner“ brachte. Wenn man wieder mal von ihm verlangte, den Vertreter einer ihm völlig unbekannten Spezies zusammenzuflicken, zum Beispiel. Mein Kollege, der die Serie nicht kannte, hat diesen Satz immer gehasst und gemeint, ich solle nicht so eingebildet sein. Ich sei doch gar kein Mediziner. Nee. Klempner bin ich aber auch nicht. Wenn ich wieder mal irgendwas machen soll, von dem ich nachweislich keine Ahnung habe, kann’s durchaus passieren, dass der Pille-Spruch fällt.

Dass verschwundene Gegenstände sich auf der Chaosebene aufhalten und dass das Animationsprogramm im Hotel ein Kindergarten für Grufties sei, das habe ich in der MICA-UND-MARTY-Kinderbuchreihe von Tina Zang gelernt.

Nur auf Englisch funktioniert die Erkenntnis, zu der der Held in einem der zahlreichen Bände von F. Paul Wilsons REPAIRMAN JACK-Thriller-Reihe gelangt: „No matter how deep you bury it, never underestimate the ability of shit finding an fan.“

Nicht vergessen darf ich die TV-Serie LINDENSTRASSE. Da hat Marlene Schmidt – Mutter Beimers Freundin – mal einen herablassenden Belehrungsversuch mit den Worten abgeschmettert: „Meine Erziehung mag unvollkommen sein, aber sie ist abgeschlossen.“ Erziehung ist immer was, das von oben nach unten ausgeübt wird. „Ziehen“ steckt da drin. Und von oben herab behandelt und irgendwie zurechtgezerrt zu werden, das war Marlene nicht genehm. Mir auch nicht.

Wenn von Klassen- oder Ehemaligen-Treffen die Rede ist, fällt mir immer ein, was mein Vater dazu zu sagen pflegte: „Ein Klassentreffen ist eine Zusammenkunft von Menschen, die früher einmal gleich alt waren“. Das war vermutlich ein Kalenderspruch, den er mal irgendwo gelesen hatte. Er litt auch manchmal unter Quellenamnesie und konnte nicht mehr sagen, woher er etwas wusste.

Gab’s in früheren Jahren in der Firma fruchtlose Diskussionen, die in rechthaberische Auseinandersetzungen mündeten, hatte ich einen Verbündeten, den das genau wie mich, an die Streiterei in der Weihnachtsfolge von FAMILIE HEINZ BECKER erinnerte: „Mir hann doch amol e Christbaumspitz ghat.“

Und auch wenn ich den Fernsehserienhelden THE MENTALIST, Patrick Jane, für einen zynischen, skrupellosen und manipulativen Mistkerl halte, der sich hinter einem strahlenden Lächeln versteckt, in einem Punkt gab ich ihm recht. „Ich habe meine gesamte Familie verloren“, klagte eine junge Frau. Er, dem vor Jahren dasselbe passiert war, antwortete ungerührt: „Du wirst dich daran gewöhnen“. So brutal würde ich das niemandem ins Gesicht schleudern. Aber es stimmt.

Neuzugang ist der Spruch der Hauskatze Mavis, die in Rachel Wells’ Roman ALFIE KEHRT HEIM dem obdachlos gewordenen Nachbarskater mit auf den Weg gibt, er solle stark sein und immer daran denken, was er nun gelernt habe: „Es gibt keine Sicherheit.“

Okay … daneben habe ich noch ein Sammelsurium von Gedichten und Gedichtfragmenten im Repertoire, von Erich Kästner über Wilhelm Busch und Eugen Roth bis Heinz Erhardt. Ein bisschen Christian Fürchtegott Gellert und eine Prise Erich Mühsam sind auch noch dabei. Damit bin ich für fast alle Lebenslagen gerüstet und hab, zum Gaudium jüngerer Kollegen, für jede Situation einen passenden Spruch parat.

Ob diese Zitiererei irgendwann mal nachlässt? Naja, vielleicht im Alter, wenn man sich die Sprüche nicht mehr so gut merken kann. Dann passt ein Zitat von C. F. Gellert:

Und was Natur und Zeit getan,
sieht unser Stolz als Besserung an.

Foto: (c) Daniela Baack / pixelio.de
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