Simone Dorra: Römermaske. Baden-Württemberg-Krimi

Simone Dorra: Römermaske. Baden-Württemberg-Krimi, Tübingen 2018. Silberburg-Verlag, ISBN 978-3-8425-2087-5, Softcover, 308 Seiten, Format: 12,1 x 2,7 x 19,2 cm, EUR 14,99.

Abbildung: (c) Silberburg-Verlag

Ein Jahr ist es jetzt her, dass es Kriminalkommissar Malte Jacobsen von Hamburg ins schwäbische Waiblingen verschlagen hat. Die Arbeit bei der dortigen Kripo gefällt ihm, seine Kollegin Melanie Brendel gefällt ihm sogar ausnehmend gut, und – oh Wunder! – er kann sogar der schwäbischen Küche etwas abgewinnen.

Jetzt hat er es auch endlich geschafft, aus dem Gästezimmer seiner Schwester auszuziehen und sich eine eigene Wohnung zu nehmen. Zugegeben: Der Familienanschluss an Schwester, Schwager und Neffe fehlt ihm. Viel Zeit, Freundschaften zu pflegen, lässt ihm sein Beruf nicht. Was er hat, ist eine Art „Ziehsohn“, den 16-jährigen Pfadfinder Lukas von Weyen, der seit den dramatischen Ereignissen im vorigen Jahr (Simone Dorra: NACHTRUHE) elternlos ist und bei seiner Großmutter lebt.

Toter Archäologe im Ostkastell


Für Lukas ist Malte eine Vertrauensperson. Nicht immer geht es um tiefgründige Themen. Jetzt eben hat er angerufen, weil er schlicht jemanden braucht, der ihn von Backnang nach Welzheim in den „Archäologischen Park Ostkastell“ fährt. Er muss da etwas für ein Schulprojekt im Leistungskurs Geschichte recherchieren. Und Römertage sind demnächst auch. Vielleicht kann Malte auch da den Chauffeur spielen? Lukas hat ja noch keinen Führerschein, und seine Großmutter kann derzeit aus gesundheitlichen Gründen nicht fahren.

Obwohl Kommissar Malte Jacobsen kein ausgemachter Römerfan ist, tut er Lukas den Gefallen. Während der Gymnasiast begeistert durch die Anlage wuselt und fotografiert, geht Malte einem leider nur zu vertrauten üblen Geruch nach – und entdeckt in einem Brunnen einen Toten. Na, super! Was der traumatisierte Lukas jetzt als am allerwenigsten gebrauchen kann, ist noch eine Begegnung mit einem gewaltsamen Tod.

Sensationsfund in der Limesstadt


Der Tote ist der Archäologe Professor Simon Adlersfeld, 52, ein Sachverständiger für antike Artefakte, und jemand hat ihm einen Römerspeer ins Herz gestoßen. In Welzheim war er, um einen antiken Fund zu begutachten: die Maske eines römischen Zenturio, aus Eisen geschmiedet und mit Silber beschlagen. Nicht nur für die Limesstadt Welzheim ist dieser Fund eine Sensation. Die Nachricht geht durch alle Medien.

Aber warum sollte jemand dem Professor etwas antun? Wenn er den Fund als Fälschung bezeichnet hätte, dann wäre bei einigen der Frust natürlich groß gewesen. Aber er hatte soeben die Echtheit des Artefakts bestätigt, und somit müssten eigentlich alle hochzufrieden sein. Hat der Mord vielleicht gar nichts mit seinem Beruf zu tun? Sind Tatwaffe und Fundort nur ein Ablenkungsmanöver?

Neid und Intrigen in den Vereinen


Jacobsen, Brendel und Kollegen untersuchen auch das, aber für weitaus wahrscheinlicher halten sie, dass Täter und Motiv bei den Hobby-Archäologen und Römerfans der Region zu suchen sind. Die Leute nehmen ihr Hobby unfassbar ernst. Vielleicht sogar todernst?

Da ist der Vorsitzende des Legio-VIII-Vereins, der Schlosser Herbert Häger. Bei ihm hat Simon Adlersfeld für die Dauer seines Aufenthalts in Welzheim gewohnt. Häger geht ganz in seinem Hobby auf und vernachlässigt darüber sogar seine attraktive junge Frau. Hat der Professor das ausgenutzt?

Dann gibt’s da noch den Lateinlehrer Frank Lincke, ein ehemaliges Legio-VIII-Mitglied. Mit dem autoritären Gehabe von „Herbert dem Allmächtigen“ hatte der Mann so große Probleme, dass er irgendwann wutschnaubend aus dem Verein ausgetreten ist und zusammen mit anderen Abtrünnigen eine konkurrierende Vereinigung gegründet hat. Seitdem sind sich die beiden Herren spinnefeind und bekriegen sich nicht nur in Leserbriefschlachten in der Regionalpresse.

Ein Teenie ermittelt auf eigene Faust


Mag Vereinsvorstand Häger auch einen mittelschweren Fall von Cäsarenkomplex haben, eines muss man ihm lassen: Er kümmert sich vorbildlich um seinen Azubi Andreas Bieber. Tatsächlich ist er der erste, der dem jungen Mann überhaupt eine Chance gibt. „Der Andi“ hat sicher seine Defizite, aber er ist ein begnadeter Handwerker. Seinem Chef ist er treu ergeben. Für ihn würde er buchstäblich alles tun, sagt seine ehemalige Schulkameradin, die Kellnerin Lena Federer. Sie sagt es nur nicht zur Polizei, sondern zu Jacobsens „Ziehsohn“ Lukas von Weyen. Der betrachtet, weil er ja beim Auffinden des Toten zugegen war, den Fall auch als seine Angelegenheit. Und er schätzt, genau wie sein „Ziehvater“ Malte, spontane Alleingänge.

Während die Polizei also das örtliche Vereinsleben auf links dreht und dabei auf einen Sumpf von Neid, Eifersüchteleien und Intrigen stößt, „ermittelt“ Lukas auf eigene Faust. Einem sechzehnjährigen römerbegeisterten Pfadfinder wird man wahrscheinlich arglos antworten, denkt er. Und plötzlich ist er verschwunden …

Die Rädchen der Geschichte greifen auf raffinierte Weise ineinander. Weil man als Leser aber nie mehr über die Leute weiß als die Polizisten, hat man keine Chance, vor ihnen auf den Täter zu kommen.

Den „Vereinsrömern“ traut man als Leser mit der Zeit alle Schlechtigkeiten zu. Vor allem dann, wenn man selbst schon Vereins-Erfahrungen mit aufgeblasenen Egos, übertriebenem Ehrgeiz und verbissenem Hauen und Stechen gemacht hat. Wenn es um ein bisschen mehr geht als nur um das Ansehen in der Gemeinde, wer weiß, wozu manche Vereinskameraden dann imstande sind? Aber liegen wir mit unseren Vermutungen auch richtig?

Für Freunde von Krimis und Archäologie


RÖMERMASKE ist spannend für Fans von Krimis und Archäologie – und natürlich für Menschen aus der Region. Ortskenntnisse sind zwar nicht erforderlich, um der Handlung folgen zu können, aber wer gar kein Schwäbisch versteht, dürfte sich bei manchen Zeugenaussagen schwertun. Die Hauptpersonen bemühen sich zwar meist erfolgreich um ein verständliches Hochdeutsch, aber manche Nebenfiguren schwätzen ungehemmt im Dialekt. Und nicht nur das macht sie so authentisch. Weil ich selbst in rund 50 Kilometern Entfernung von Welzheim aufgewachsen bin, kann ich schlecht beurteilen, inwieweit die schwäbischen Textpassagen für „Auswärtige“ verständlich sind oder nicht.

Und nicht das Nachwort zuerst lesen!


Wer, wie ich, einen Roman „einkreist“, indem er zuerst Vorwort, Nachwort, Danksagungen usw. liest, um sich dann wohlinformiert der eigentlichen Handlung zu widmen, dem sei in diesem Fall dringend davon abgeraten. Wer sich zuerst mit den „Anmerkungen und Dank“ auf Seite 306 /307 beschäftigt, der erfährt schon hier, zu welchen Themen die Autorin recherchiert hat und ahnt dann zu schnell, in welche Richtung sich der Fall entwickelt.

Die Autorin
Simone Dorra wurde 1963 in Wuppertal geboren und ist seit 1983 in Baden-Württemberg zu Hause. Die gelernte Buchhändlerin arbeitete zunächst in einem Stuttgarter Verlag und gestaltete dann als Sprecherin und Journalistin Radioprogramme für den Privatrundfunk. Mit ihrem Mann und ihren drei Kindern lebt sie in Welzheim, wo sie als Lokaljournalistin für die örtliche Tageszeitung arbeitet.

Rezensent: Edith Nebel
EdithNebel@aol.com

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