Gregor Schürer: Das Krippen-Casting. Neue Geschichten für die Weihnachtszeit, Norderstedt 2019, BoD Books on Demand, ISBN 978-3-7494-6584-2, Softcover, 76 Seiten, Format: 12 x 0,5 x 19 cm, Buch: EUR 4,90, Kindle: EUR 3,49.
13 seiner Nikolaus- und Weihnachtsgeschichten aus den vergangenen 20+ Jahren hat Gregor Schürer in diesem Band zusammengestellt. Ob heiter oder anrührend, bibelbezogen oder ganz weltlich, kindgerecht oder eher für ein lebenserfahrenes Publikum geeignet – erzählen kann er! Und jede einzelne dieser Storys ist dafür gemacht, vor Publikum vorgetragen zu werden.
Ich weiß nicht mehr, wie viele offizielle Weihnachtsfeiern ich schon durchlitten habe, auf denen mehr oder weniger kitschige Geschichten vorgetragen wurden. Manchmal habe ich mich innerlich gewunden, so peinlich war mir das. Wenn man ein gemischtes Publikum hat, bei dem die einen dies, die anderen das und die dritten gar nichts glauben, wäre es manchmal vielleicht besser, man würde einen schmalzfreien und lebensnahen Text wählen.
Lustig missverstandene Lieder
Einen Favoriten hätt’ ich schon. Er stammt aus diesem Buch und heißt der DER LOCKIGE HOLGER UND DIE GRINSENDEN BLÄTTER (Seite 51). Hier nimmt der Autor auf witzige Weise aufs Korn, was Sänger*innen und Hörer*innen von Weihnachtsliedern seit Generationen akustisch missverstehen. Da schmettern die einen voller Inbrunst was von der „knabenbringenden Weihnachtszeit“, während die anderen sich fragen, ob das Kind in der Krippe nun Holger oder Owi heißt.
Wie der Autor all diese nachvollziehbaren Verhörer zu einer Geschichte verbindet, das ist schon großes Kino! Das hat Geist, einen Bezug zu Weihnachten und saukomisch ist es obendrein. Ich habe beim Lesen laut gelacht. Über Weihnachtslieder!
Auch eher weltlich-lustig: SÜSSER, DIE GLOCKEN SIND KLINGELN (Seite 72). Nichts wird’s mit dem gemütlichen Advents-Samstagnachmittag mit der Liebsten! Statt Besinnlichkeit und Weihnachtsstimmung gibt’s Stress, weil es fortwährend an der Tür schellt. Die Boten sämtlicher Paketdienste geben sich die Klinke in die Hand.
DHL – im Himmel und auf Erden
Die DHL-Kolleg*innen im Dienste des Herrn – Die Himmlischen Lieferanten – haben ihren Laden auch nicht besser im Griff als die auf der Erde. Dem Weihnachtsmann ist jedenfalls nicht klar, welches Paket er nun an Frau Sonnenstein ausliefern soll und welches ihrem Nachbarn Edelstrahl gehört. Und weil die zwei es auch nicht wissen, packen sie die Geschenke gemeinsam aus, was sich als kluge Entscheidung herausstellt … SONNENSTRAHL UND EDELSTEIN (Seite 38).
An ein sehr junges Publikum wendet sich die Geschichte DER TRAURIGE RENTIERFAHRER UND DAS NUTZLOSE INSEKT (Seite 7). Hier wird mit einem Augenzwinkern erklärt, wie der Nikolaus zu seinem Namen kam. Wie der große Wagen zu den Sternen gelangte, erfahren die Kinder in ACHSBRUCH AM HIMMEL (Seite 11). Man darf sich aber anschließend nicht wundern, wenn die Kids zum Besten geben, dass der Nikolaus ganz früher mal mit einem Ochsenkarren unterwegs war.
Gleich zwei Nikos gibt’s in der Geschichte auf Seite 20. Der eine ist fünf Jahre alt und hat sich gerade Kopfläuse eingefangen. Das Problem ist, dass seine Mutter sich das teure medizinische Haarshampoo nicht leisten kann. Der zweite Niko ist der Nikolaus, der, obwohl sein Name es vermuten ließe, keine Läuse hat, dafür aber die nötigen „Mäuse“ um seinem kleinen Namensvetter aus der Patsche zu helfen. Nur, wie macht er das, ohne den Jungen in Verlegenheit zu bringen? – NIKO HAT MÄUSE, NIKO HAT LÄUSE.
Zahnschmerzen und andere Notlagen
Auch der Nikolaus kann mal gesundheitliche Probleme bekommen, und so landet er beim zahnärztlichen Notdienst. Wir Leser*innen wissen natürlich, wer der bärtige Patient ohne Versichertenkarte ist, aber der gänzlich areligiöse Dentist versteht bei sämtlichen Andeutungen nur Bahnhof. Umso verblüffter ist er am Schluss über die eigenwillige Art der Bezahlung. 😀 Herrlich, wie die beiden aneinander vorbeireden! Diese Story dürfte Jung und Alt gefallen. – ZAHNBRUCH BEIM NIKOLAUS(Seite 33)
DER UNFREIWILLIGE WEIHNACHTSBAUMVERKÄUFER (Seite 65) ist ein armer Student. Als ihn der Weihnachtsbaumverkäufer an Heiligabend kein Bäumchen mehr verkaufen will, weil er schon alles eingepackt und die Kasse abgerechnet hat, kommt der junge Mann auf eine ganz und gar unchristliche Idee: Er wartet, bis Verkäufer gegangen ist, schleicht sich aufs Grundstück und klaut sich seinen Baum. Als Passanten auf ihn aufmerksam werden, wähnt er sich bereits im Knast. Doch es sind Last-Minute-Kunden wie er, die ihn für den rechtmäßigen Eigentümer der Bäume halten. Da kann er ja nicht, widersprechen, oder?
Beim titelgebenden KRIPPEN-CASTING (Seite 15) erfahren wir schließlich, warum es ausgerechnet Ochs und Esel in den Stall zu Bethlehem geschafft haben, während Löwe, Pfau und Fuchs nicht mal in den Recall gekommen sind. Köstlich, wie hier die Eitelkeiten im Showbusiness verulkt werden – und ’ne Moral von der Geschicht’ gibt’s auch noch.
Für Weihnachten bestens gerüstet
Das ist nur eine Auswahl der Beiträge aus dem Buch. Ich kann hier nicht alle vorstellen. Aber der Nikolaus kann jetzt kommen, die Weihnachtszeit ebenfalls. Egal, wie das Publikum beschaffen ist, dem man zu Weihnachten einen Text vortragen muss oder möchte – in diesem Büchlein wird man bestimmt das Passende finden. Die Beiträge einfach stillvergnügt für sich alleine lesen kann man natürlich auch.
Der Autor
Gregor Schürer, freier Journalist und Autor, schreibt seit vielen Jahren kurze Erzählungen und Gedichte. Einige seiner stets lebensnahen, warmherzigen Texte haben Preise und Auszeichnungen erhalten. Der 1957 geborenen Schwabe lebt in Heimersheim an der Ahr, ist verheiratet und hat zwei Töchter. www.autorenhof.de
Rezensentin: Edith Nebel
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