Ein Jahr im Homeoffice

Heute haben meine Kolleg*innen und ich einjähriges Homeoffice-Jubiläum. Und ich kam mir noch pessimistisch vor, als ich im März 2020 beim Abschied sagte: „Tschüss miteinander, wir sehen uns dann im Mai!“ Gemeint habe ich Mai 2020. 

Inzwischen bin ich mir ziemlich sicher, dass wir auch im Mai 2021 noch nicht wieder zurück im Großraumbüro sein werden. Jedenfalls nicht alle … nur die, für das Arbeiten daheim aus technischen oder organisatorischen Gründen keine sinnvolle Option ist. 

„Alternierendes Homeoffice“ klappt in unserer Abteilung nicht. Dazu haben wir zu viel sperrige Ausrüstung, die nicht dazu geeignet ist, mehrmals die Woche ab- und aufgebaut, verstaut und transportiert zu werden. Das ist jedes Mal ein halber Umzug.

Ich hatte Angst, dass das nicht klappt

Was hatte ich letztes Jahr Schiss, dass das nicht klappt mit dem Arbeiten zuhause! Dass ich den Kram nicht installiert kriege, dass die Programme holprig laufen und die Kommunikation klemmt. Und wie käme ich nur klar ohne Drucker? Meine Arbeitsgeräte sind ja nicht kompatibel mit meinem Privatkram. Man hätte schon was tricksen können, aber wir können auf unseren Firmenrechnern nichts installieren, weil wir nicht die entsprechenden Rechte haben.

Anfangs bin ich zum Ausdrucken umfangreicher Dateien noch in den Verlag gefahren. Hab mir die Daten vorausgeschickt und die Drucke dann abgeholt. Das war nicht rasend effizient. Drei Stunden Fahrt mit dem ÖPNV, nur um 35 Seiten aus dem Drucker zu holen. Schlussendlich habe ich mir einen zweiten Schreibtisch gekauft, dort meinen privaten Computerkram (Rechner, Scanner, Drucker) aufgebaut und arbeite jetzt so. 

Ein hochwertigerer Bürosessel wurde auch notwendig. Und meine Stromrechnung ist explodiert. Es ist ein Unterschied, ob man nur zum Schlafen heimkommt oder tagsüber einen „Maschinenpark“ betreibt, heizt, von früh bis spät Radio hört und mittags kocht.

Der beste Arbeitsplatz meines Lebens

Aber davon abgesehen ist das Homeoffice der beste Arbeitsplatz meines Lebens, denn ich spare mir das stundenlange Herumgegurke mit Bus und Bahn. Ich stehe aber genauso früh auf wie sonst, wenn ich mit dem ÖPNV nach Stuttgart fahre. Dann sitze ich morgens um 6 Uhr schon am Rechner. Ich kann in der Früh am besten denken.

Das Anfangen ist also kein Problem, eher das Aufhören. Ich wurstle stillvergnügt vor mich hin, das Radio nur ein Nebengeräusch, und wenn um mich herum keine Kollegen sind, die nach und nach ihren Kram packen und nach Hause fahren, merke ich nicht, wie spät es ist und kassiere dann und wann einen freundlichen Rüffel per E-Mail vom Chef. „Mach jetzt mal Feierabend!“. Er bekommt nämlich eine Meldung, wenn jemand ungebührlich lange am Rechner sitzt.

Zu Beginn haben meine Katzen noch pünktlich um 16 Uhr vor meiner Bürotür ein Gejaule veranstaltet. Aber nachdem sie kapiert hatten, dass ich schon irgendwann runter in die Wohnung komme und ihnen was zu essen gebe, haben sie aufgehört, mich „von der Arbeit abzuholen“.

Solange das Beamen nicht erfunden ist …

Meine gesparte Fahrtzeit geht zu einem guten Teil in der Arbeitszeit auf. Mehr Freizeit habe ich eigentlich nicht. Zumal ich oft auch an den Wochenenden kurz in den Rechner schaue, ob dieser oder jener Kollege sich am Freitag noch gemeldet hat, nachdem ich schon Feierabend gemacht hatte. Und wenn alle Stricke reißen, arbeite ich eben auch am Samstag, Sonntag, Feiertag, Brückentag …

Zum Ausgleich ist es leichter, sich mal zwischendrin abzumelden und was Privates zu erledigen: Brot holen, Handwerker reinlassen, zum Steuerberater gehen … ich bin ja schnell wieder am Platz und muss nicht erst stundenlang fahren, um einen Termin an meinem Wohnort wahrnehmen zu können.

Was natürlich lästig ist: Vor-Ort-Besprechungen im Verlag mitten am Tag. Außerhalb der Stoßzeiten fährt bei uns auf dem Dorf nur alle Jubeljahre ein Bus. Also bin ich Stunden unterwegs – mitunter noch dann, wenn ich schon längst wieder am heimischen Rechner und in der nächsten Videokonferenz sitzen sollte. 

Solange das Beamen noch nicht erfunden ist, muss ich eben mit diesen Reisezeiten leben – die übrigens als Freizeit gelten. Ist natürlich blöd, wenn man die Mittagspause als solche abgezogen bekommt, aber man während dieser mit Maske vorm Gesicht im Zug sitzt. Da kann man nicht einmal schnell zwischen zwei Besprechungen eine Brezel essen. Aber diesbezüglich sind die Vorschriften gnadenlos. Man hat uns vor einem Jahr auch den Evakuierungstag als Freizeit von der Arbeitszeit abgezogen. Egal. Das kann ich nicht ändern.

Doch es fehlt der Austausch

Natürlich vermisse ich den informellen Austausch mit den Kolleg*innen. Ich kriege gar nicht mehr mit, was die anderen machen, weil wir ja nicht mehr die Möglichkeit haben, einander schnell am Kaffeeautomat zu erzählen, was in unseren Arbeitsbereichen gerade (schief)läuft. 

Was mir ebenfalls fehlt, sind meine Damen aus dem Bus – unsere morgendliche „Fahrgemeinschaft“. Seit ich nicht mehr pendle, bin ich überhaupt nicht mehr über lokale Angelegenheiten informiert. Eine der Mitreisenden hätte bestimmt gewusst, wieso die Bäckerei in unserem Viertel von heut auf morgen geschlossen hat. 

Ja, ein bisschen weltfern wird man schon, wenn man ein Jahr lang quasi nur noch schnell zum Einkaufen aus dem Haus huscht. Trotzdem kommt das Homeoffice meiner Idealvorstellung von einem Arbeitsplatz schon sehr nahe.

Wahrscheinlich werden wir erst wieder in die Büros einrücken, wenn die meisten Leute geimpft sind – wie lange das auch immer dauern mag. Und dann bin ich eben wieder 13 Stunden am Tag außer Haus. Aber die paar Jährchen bis zur Rente schaffe ich auch noch …

Schön zurechtmachen muss man sich im Homeoffice auch nicht. Hier in Räuberzivil und mit Corona-Frisur. Außer den Katzen sieht mich ja keiner, und die Kollegen, die mich auf einem kleinen Videokonferenz-Bildchen sehen, kennen mich schon so lange. Am 1. April habe ich 30jähriges Firmenjubiläum. Kein Witz!

Im Corona-Look bei der Arbeit
So sehen mich die Kollegen in der Video-Konferenz. Aber die kennen mich ja eh.

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