Unleserlich!

Liebe Bücher- und Zeitschriften-Macher*innen,

wahrscheinlich seid Ihr längst alle „Digital Natives“ und gedruckte Medien erscheinen Euch so fremd und archaisch wie die assyrische Keilschrift. Anders kann ich mir diese Entwicklung nicht erklären: Printprodukte werden immer unleserlicher.

Ja, ich gehöre zur Generation 60+ und ja, ich trage eine gut funktionierende Brille. Das ist nicht das Problem. Oder, na ja, vielleicht doch: Gerade wir Älteren sind es ja, die oft noch lieber Gedrucktes lesen als die entsprechenden elektronischen Ausgaben und die sich dann aufregen, wenn einem das unnötig schwer gemacht wird.

Hellrosa und Apricot …

Das sehe ich besonders oft bei Frauenzeitschriften, auch bei solchen, die sich an eine Zielgruppe von 40 Jahren aufwärts wenden: elegante, schmale, magere Schriften in Hellrosa und Apricot. Sehr schick – aber wenn man das Magazin nicht gerade bei Flutlicht liest, nur schwer zu entziffern. Liest man das Heft bei schummriger Beleuchtung, z.B. in der Bahn, erkennt man kaum mehr, dass da eine Schrift ist.

Die Steigerung davon ist eine elegante, schmale, magere Schrift in Weiß auf hellrosa oder apricotfarbenen Grund. Die feine Schrift matscht dann im Druck noch ein bisschen zu, und schon kann man allenfalls ahnen, was da hätte stehen sollen. So etwas versuche ich nicht mal mehr zu entziffern. Wenn jemand eine Botschaft hat, möge er/sie diese bitte so aufbereiten, dass sie vom Empfänger auch aufgenommen werden kann.

Winzige Schriften

Das können die Macher*innen von Sachbüchern besonders gut: ihre Texte in Miniminiminischriften setzen. Ich verstehe ja, dass man möglichst viele Informationen auf engem Raum unterbringen möchte. Aber wenn dann Bildunterschriften oder die Informationen innerhalb einer Graphik nicht mal mehr einen Millimeter hoch sind und man eine beleuchtete Lupe braucht, um sie entziffern zu können, ist das eine Zumutung.

In Schönheit sterben

Auch nett: wenn diese Minischriften gar nicht nötig wären, man aber die Graphiken aus ästhetischen Gründen nur 5 Zentimeter breit haben möchte. Stylish, zugegeben. Aber war es nicht mal die vornehmliche Aufgabe eines Sachbuchs, Wissen an die Menschen zu bringen? Ja, oder? Warum baut man dann unnötige Barrieren auf? Und wenn’s denn partout sein muss, könntet Ihr dann vielleicht die erforderliche Lupe gleich mitliefern, all inclusive, sozusagen?

Nein, die Bilder bleiben so klein!

Wenn man das Layout am Bildschirm sieht, während man daran arbeitet, kann man die Bilder natürlich beliebig groß aufziehen. Aber ich sag Euch was: Wenn sie mal gedruckt sind, bleiben sie so klein, da kann man sie nicht mehr mit einer eleganten Fingerbewegung vergrößern. Blöd, oder? Und wenn man z.B. den Screenshot einer Facebook-Unterhaltung grob aufrastert und in Scheckkartengröße abbildet, ist sie selbst mit Lupe kaum noch lesbar. 

Fotos, auf denen man am Bildschirm gerade noch ein bisschen was sieht, werden im Druck übrigens nicht besser – im Gegenteil! Mit Grausen erinnere ich mich eine Parade katzengrauer Buchcover, auf denen nahezu nichts zu erkennen war, und an briefmarkengroße, kuhnachte Fotos von Bäumen, anhand derer man hätte die Arten bestimmen sollen. Das hat, o Wunder, nicht funktioniert. Was ich nicht sehe, kann ich auch nicht identifizieren. So einfach ist das.

Wenn man über die Lesbarkeit/Erkennbarkeit im Zweifel ist, kann man ja mal eine Probeseite ausdrucken und nachsehen, ob das auch noch jenseits des Bildschirms funktioniert. Wenn man aber keine Zweifel an seinem Tun und Treiben hat, dann bleibt alles so bescheiden wie bisher. Wahrscheinlich so lange, bis Print endgültig ausgestorben ist.

Herzliche Grüße von einem Print-Fossil

Foto: © Marco Schlüter / pixelio.de

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