Rita Falk: Rehragout-Rendezvous. Ein Provinzkrimi (Franz Eberhofer, Band 11), München 2021, dtv Verlagsgesellschaft, ISBN 978-3-423-26273-6, Klappenbroschur, 299 Seiten inkl. Glossar und Kochrezepten, Format: 13 x 2,8 x 20,7 cm, Buch: EUR 16,95 (D), EUR 17,50 (A), Kindle: EUR 14,99.
Fangen wir aus gegebenem Anlass heute mal nicht bei der Geschichte an, sondern beim Nachwort und damit bei der Autorin. Mit dem Wissen, dass Frau Falk gerade einen schweren Schicksalsschlag zu verkraften hat, fällt es einem leichter zu akzeptieren, dass das Chaos in Band 11 ein bisschen gedämpfter tobt als in den vorigen Büchern. Ja, Arbeit lenkt ab und hilft, doch wie man in dieser Situation überhaupt ein lustiges Buch schreiben kann, ist mir ein Rätsel. Ich ziehe meinen Hut vor Rita Falk und sehe über manches hinweg, was hier nicht ganz so galaktisch ist, wie wir uns das vielleicht gewünscht hätten.
„Bin ich jetzt eigentlich von lauter Irren umzingelt, oder was? Der Leopold mit seinen Sorgen und Nöten […]. Die Susi, vom Ehrgeiz zerfressen und komplett dem Karrierewahnsinn verfallen. Eine Oma, deren jahrzehntelange familiäre Verpflichtungen jüngst einem […] egozentrischen Phlegmatismus geopfert werden. Und als würde dies alles nicht reichen, habe ich hier ein paar sonderbare Leichenteile sowie einen Langzeitvermissten auf dem dienstlichen Buckel. Jackpot, quasi.“ (Seite 161/162)
Ungeliebte Veränderungen
Dorfpolizist Franz Eberhofer, Mitte 40, schätzt weder Stress noch Veränderungen. Doch das Leben richtet sich nicht immer nach dem Franz. Irgendwie hat ihn seine erweiterte Familie in den letzten Bänden ja mit dem Thema Hausbau überrollt. Statt in Ruhe allein im umgebauten Saustall des elterlichen Gehöfts zu hausen, wohnt Franz jetzt mit seiner Lebensgefährtin, der Verwaltungsangestellten Susanne Gmeinwieser und dem gemeinsam Sohn Paul (5) in einer Doppelhaushälfte – mit nagelneuen Möbeln und Wand an Wand mit seinem Bruder, dem spießigen Buchhändler Leopold, den er noch nie leiden konnte.
Zu Schwägerin Panida und zu seiner Nichte „Sushi“ – eigentlich Ursula – hat Franz zum Glück ein gutes Verhältnis. Die kommen in diesem Band aber nur telefonisch vor. Panida ist nämlich mit den Kindern auf Verwandtenbesuch in Thailand. Wegen des Virus verzögert sich ihre Rückkehr auf unbestimmte Zeit. Leopold, das Weichei, hängt nun ständig beim Vater und der Oma rum und jammert. Was den Franz, der ebenfalls dauernd dort rumhängt, weil er sein neues Haus nicht mag, enorm stört.
Ein Karriereschub für Susi
Dann verunglückt der Bürgermeister der Gemeinde im Ski-Urlaub und bestimmt als Krankheitsvertretung ausgerechnet Franzens Lebensgefährtin Susi. Die kriegt komplett den Höhenflug, kleidet sich neu ein und sieht sich schon als neue Bürgermeisterin. Das nervt nicht nur den Franz, sondern vor allem Susis Bürokollegin Jessy. Wer sieht schon gern jemand Gleichrangiges karrieremäßig an einem vorbeiziehen, wenn auch nur vorübergehend? Und jetzt macht die Susi auch noch einen verflixt guten Job! Im Rathaus, wo auch der Franz sein Büro hat, bricht der Zickenkrieg aus.
Nicht einmal bei der Arbeit hat er seine Ruhe! Die Mooshammer Liesl, die scharfzüngigste Dorftratschen von Niederkaltenkirchen, liegt ihm dauernd mit dem angeblichen Verschwinden eines reichen Bauern in den Ohren. Doch warum sollte die Polizei den suchen? Es weiß doch jeder, dass der Steckenbiller Lenz gern mal unangekündigt für Wochen und Monate nach Südafrika verschwindet. Das steht ihm frei, er ist schließlich erwachsen und niemandem Rechenschaft schuldig.
Für die Sorgen vom Metzgermeister Simmerl hat der Franz jetzt gar keinen Kopf. Der missbilligt die Heiratspläne seines erwachsenen Sohnes. Klar kann der Bub heiraten, aber doch nicht ausgerechnet die!
Oma legt die Arbeit nieder
Das ist alles nix im Vergleich zum häuslichen Supergau: Franzens Oma, die seit Jahrzehnten der gesamten Familie den Haushalt schmeißt und einfach göttlich kocht, legt von heute auf morgen ihr „Amt“ nieder. Sie kann nicht mehr, sie mag nicht mehr, sie ist ja auch schon fast neunzig. Die Eberhofer-Brüder, der Papa und die Susi sind wie vom Donner gerührt. Die Männer haben sich nie um was gekümmert und kriegen deshalb auch nichts geregelt. Leopold kann immerhin ein bisschen kochen. Susi kann zwar einen Haushalt führen, kommt aber vor lauter Terminen nicht dazu. Die Eberhofers gehen voll im Chaos unter. Da wird sogar das Paulchen in der Kita vergessen.
Als Leser:in schwankt man zwischen Lachanfällen und dem dringenden Bedürfnis, diesen lebensuntüchtigen Gestalten den Laden mal tüchtig durchzuorganisieren: Der Opa holt künftig den Paul ab. Er ist noch fit und nicht mehr berufstätig, er kann das. Ferner wird umgehend eine Spülmaschine angeschafft sowie eine Haushaltshilfe oder wenigstens eine Putzhilfe engagiert. Das ist nicht so schwer. Da muss man nicht wie ein Haufen kopfloser Hühner durch die Gegend rennen! 😀
Urlaub oder Vermisstenfall?
Durch Susis Tätigkeit als stellvertretende Bürgermeisterin bekommt Franz jetzt mehr Einblicke in Gemeinde-Angelegenheiten als je zuvor. Ihm kommt der Verdacht, dass der Steckenbiller Lenz vielleicht doch nicht so freiwillig verschwunden ist, wie es zunächst den Anschein hatte. Womöglich hat die Liesl ja Recht, und jemand hat ihn aus finanziellen Gründen aus dem Weg geräumt. Hier kommt jetzt Franzens alter Kumpel ins Spiel: Rudi Birkenberger, der divenhafte Privatermittler. Der zickt wieder mächtig rum, macht die Arbeit der Polizei und wartet auch dieses Mal vergeblich auf die ihm gebührende Anerkennung.
Der Kriminalfall läuft zwar unspektakulär neben all dem amüsanten Familiengedöns her aber er hat’s in sich. Die Geschichte ist für diese heitere Krimireihe ungewöhnlich tragisch. Man ertappt sich für einen Moment bei der Frage, ob man das Ergebnis der Ermittlungen nicht einfach unter den Tisch fallen lassen könnte. So leicht geht das aber nicht. Die Konsequenzen, die die aktuellen Ereignisse haben, werden wir in vollem Umfang erst im nächsten Band sehen.
Nicht mehr so viel Klamauk
In den vorigen Bänden war mehr Klamauk und Remmidemmi. Das mag der Stimmungslage der Autorin geschuldet sein, vielleicht aber auch der Tatsache, dass die Hauptfiguren nicht mehr ganz so spätpubertär daherkommen wie zu Anfang. Mit Mitte 40 ist es ja auch nicht gänzlich ausgeschlossen, dass sie doch langsam erwachsen werden. Zum Schmunzeln und zum Lachen gibt’s trotzdem so einiges: das Eberhofersche Haushaltschaos, die Rivalitäten im Rathaus, die Birkenberger-Befindlichkeiten und die haarsträubende Aktion, die dem Metzgerssohn die Heiratspläne verleiden soll.
Jetzt bin ich tatsächlich gespannt, wie es weitergeht. Nicht nur wegen der Auswirkungen des Kriminalfalls und weil ich sehen will, ob die Eberhofers ihren Haushalt doch noch auf die Kette kriegen, sondern weil die Susi sich weiterentwickelt und der Franz nun aufpassen muss, dass er mit ihr Schritt hält. Sonst ist er ihr vielleicht eines Tages zu kindisch und sie orientiert sich um. Und das wäre dann wirklich ein Drama.
Die Autorin
Rita Falk wurde 1964 in Oberammergau geboren. Ihrer bayrischen Heimat ist sie bis heute treu geblieben. Mit ihren Provinzkrimis um den Dorfpolizisten Franz Eberhofer und ihren Romanen ›Hannes‹ und ›Funkenflieger‹ hat sie sich in die Herzen ihrer Leserinnen und Leser geschrieben – weit über die Grenzen Bayerns hinaus.
Rezensentin: Edith Nebel
E-Mail: EdithNebel@aol.com
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