Frauke Buchholz: Blutrodeo. Kriminalroman

Frauke Buchholz: Blutrodeo. Kriminalroman. Der zweite Fall für Ted Garner, Bielefeld 2022, Pendragon Verlag, ISBN: 978-3-86532-810-6, Klappenbroschur, 264 Seiten, Format: 13,4 x 2,4 x 20,4 cm, Buch: EUR 18,–, Kindle: EUR 15,99.

Abb.: (c) Pendragon Verlag

Alberta, Kanada: Es ist nicht gerade Ted Garners größtes Talent, seine Mitmenschen für sich einzunehmen. Der Profiler (42) vom Regina Police Department in Saskatchewan hat mal Philosophie studiert und geht seither gern den Leuten mit Zitaten von Arthur Schopenhauer auf den Keks. Jetzt führt ihn ein Fall ins 760 km entfernte Calgary. Die Kollegin, die er unterstützen soll, Chief Superintendent Samantha „Sam“ Stern (32) ist mit ihrem Urteil über ihn schnell fertig: „Arrogantes Ar***l*ch!“ Ted wiederum hält Sam für eine zickige Emanze. Der Beginn einer wunderbaren Zusammenarbeit sieht anders aus.

Mysteriöse Morde an Senioren

Es hilft nichts, die zwei müssen da durch. Je schneller sie die mysteriöse Mordserie an Männern um die 80 aufklären, desto schneller kann jeder wieder seiner eigenen Wege ziehen. Jetzt sind es schon drei Todesopfer. An jedem achten eines Monats findet man einen Senior mit durchschnittener Kehle. Da muss es einen Zusammenhang geben! Das kann kein Zufall sein.

Erst sieht es so aus, als hätten die Todesfälle mit einer der Ölfirmen in Fort McMurray zu tun. Zwei der Ermordeten hatte für Northern Energy gearbeitet, einer hatte sogar gegen das Unternehmen prozessiert. Hat die Firma ihn verschwinden lassen? Hatte der zweite Mann auch eine Klage laufen? Allerdings hatte das dritte Opfer mit der Ölbranche gar nichts zu tun. Zwei der Männer könnten sich auch aus ihrer Militärzeit gekannt haben. Aber der dritte? War der überhaupt Soldat? Es gibt einfach nichts, was alle drei miteinander verbindet.

Der Profiler und sein alter Herr

Die Ermittlungen werden wohl länger dauern als erhofft. B l ö d  nur, dass hier gerade das größte Rodeo der Welt stattfindet, die Calgary Stampede, und Ted nirgendwo ein Hotelzimmer bekommt. Er hasst es, bei jemand Fremdem zu übernachten, also schlägt er das Angebot eines Kollegen aus und quartiert sich bei seinem Vater, Colonel Robert Garner, ein, der 20 km außerhalb von Canmore ein abgelegenes Haus im Bow Valley hat. Das scheint im Moment das kleinste Übel zu sein.

Das Vater-Sohn-Verhältnis ist problematisch. Der Colonel verübelt seinem Sohn alles, selbst dessen Existenz. Teds Mutter ist bei seiner Geburt gestorben und nichts, was der Junge je getan hat, war seinem Vater recht, und das ist so geblieben. Wenn Ted wenigstens eine militärische Laufbahn eingeschlagen hätte! Aber nein! Am Royal Military College hat er versagt, dann hat er lauter komisches Zeug studiert, als Seelenklempner gearbeitet und jetzt ist er bei der Polizei! Alles Kokolores in Colonel Garners Augen. Es dauert nicht lange, da schläft Ted lieber in seinem Auto als noch länger in der Nähe seines alten Herrn zu bleiben.

Racheakt nach 6 Jahrzehnten?

Während Ted sich mit familiären Schwierigkeiten und unliebsamen Erinnerungen herumschlägt und Sam(antha) Stern mit gesundheitlichen Problemen und einer schweren Entscheidung zu kämpfen hat, erfahren wir Leser:innen in verschiedenen Rückblicken, dass die Mordserie möglicherweise etwas mit Militäreinsätzen in Vietnam zu tun haben könnte. Waren die Mordopfer in jungen Jahren in ein Kriegsverbrechen verwickelt? Wird es noch weitere Opfer geben? Und ist es nicht seltsam …  ein Racheakt nach fast sechzig Jahren?

Ted und Sam ahnen von unserer Vietnam-Theorie noch nichts. Sie plagen sich mit ahnungslosen Angehörigen der Opfer und aalglatten Firmenanwälten herum. Wie rücksichtslos die Ölfirmen mit der Natur generell und dem Land der indigenen Bevölkerung im Besonderen umgehen, es zerstören und vergiften, das mag schon ein Verbrechen an sich sein. Aber eine Verbindung zur Mordserie ist hier niemandem nachzuweisen. 

Ob die Kellnerin Fiona Kelly etwas Erhellendes zu den Ermittlungen beizutragen hätte? Sie ist mit einem der Opfer einst liiert gewesen und hat den Mann noch kurz vor seinem Tod besucht. Aber kein Mensch weiß, wo sie zu finden ist.

Was weiß Colonel Garner?

Den Leser beschleicht irgendwann der Verdacht, dass Ted Garners Vater, der alte Colonel, etwas über den Fall wissen könnte. Er muss mindestens einen der ermordeten Männer gekannt haben. Weil er aber generell nicht viel redet und zudem kein Interesse daran hat, seinem Sohn zu helfen, behält er sein Wissen und seine Vermutungen für sich. Vielleicht käme er auch selbst nicht gut bei der Geschichte weg, die er zu erzählen hätte. Man weiß es nicht. Sein Schweigen erweist sich jedoch bald als großer Fehler …

Der erste Ted-Garner-Band, FROSTMOND, in dem es um eine Mordserie an indigenen Frauen geht, hat mir besser gefallen als dieser, gerade weil man dort so viel über das Leben und die Probleme der First Nations erfahren hat. Die First Nations spielen im vorliegenden Band nur eine kleine Nebenrolle. Vielleicht wollte sich die Autorin Diskussionen über kulturelle Aneignung ersparen, also darüber, ob eine weiße Frau aus Deutschland überhaupt einen Roman über Personen aus Kanadas indigenen Völkern schreiben „darf“. BLUTRODEO könnte, mit kleinen Änderungen, auch in anderen Ländern spielen.

Spannend und sehr düster

Der Krimi mit seinen Wendungen und falschen Fährten ist spannend und sehr düster. Jeder hat hier Probleme, ist von seiner Vergangenheit traumatisiert und von Haus aus schlecht drauf. Die Romanfiguren hassen alles. Da musste ich dann schon grinsen: Egal, was gerade beschrieben oder auch nur erwähnt wird, ob Rodeos, Cowboys, Kollegen, Psychologen, private Übernachtungen, Zoos, Angeber, Mitfahrgelegenheiten … als nächster Satz folgt unweigerlich „Er/sie hasste Rodeos/Cowboys/Kollegen/Psychologen …“ 😊 Hier ist alles negativ. Die einzige Person mit einer positiven Ausstrahlung, eine engagierte Umweltaktivistin, hat ein todkrankes Kind.

Findet irgendein Mensch in diesem Roman irgendwas so richtig klasse? Okay: Polizistin Sam ist eine passionierte Reiterin und liebt ihr Pferd. Immerhin! Lasst euch übrigens nicht von Leuten, die das Buch offenbar nicht gelesen haben, einreden, Samantha Stern sei eine Frau aus den First Nations. Ist sie nicht! Ihre Familie lebt in Tel Aviv und sie selbst war beim israelischen Militär. 

Dramatischer Showdown

Sam ist ganz schön hart im Nehmen und reagiert ausgesprochen ungnädig, als sie annehmen muss, dass Ted Garner sie ausbooten und die Lorbeeren für die Klärung der Seniorenmorde allein einheimsen will. Sie handelt zwar aus den falschen Gründen, aber sie handelt. Und so kommt’s zu einem hochdramatischen Showdown …

In einem Interview mit den Journalisten Ulrich Noller sagte die Autorin: 

„Jenseits der Handlungsebene spielt für mich die Sprache eine ganz entscheidende Rolle. Literarische Krimis wie die der schwedischen Autorin Kerstin Ekman brillieren durch einen lyrischen Stil und genial psychologisierte Landschaftsbeschreibungen, die dann ihre eigene dunkle Magie entfalten. Das ist für mich die ganz große Kunst.“

Aus dem Pressematerial des Verlags

Nun kenne ich die Krimis von Kerstin Ekman nicht und kann nicht beurteilen, ob man Buchholz‘ Bücher mit denen Ekmans vergleichen kann, aber die bildhafte Sprache hier ist schon etwas Besonderes. Ganz so skandinavisch-düster müsste ein Krimi für meinen Geschmack aber nicht sein. Auch wenn man als Polizeibeamter ständig in menschliche Abgründe blickt, ist es doch deprimierend, wenn der einzige positive Moment auf 264 Seiten der ist, in dem eine Polizistin vor Dienstantritt kurz nach ihrem Pferd sieht.

Die Autorin

Frauke Buchholz wurde 1960 in der Nähe von Düsseldorf geboren. Sie studierte Anglistik und Romanistik und promovierte über zeitgenössische indianische Literatur. Sie liebt das Reisen und fremde Kulturen, hat viele Indianerreservate in Kanada und den USA besucht und einige Zeit in einem Cree-Reservat in Alberta verbracht. Ihre Erfahrungen spiegeln sich in ihren Romanen wider – in ihrem Debüt »Frostmond«, der 2021 mit dem Harzer Hammer und 2022 mit dem Stuttgarter Debütpreis ausgezeichnet wurde, sowie in dessen Nachfolger »Blutrodeo«.

Rezensentin: Edith Nebel
E-Mail: EdithNebel@aol.com
www.boxmail.de

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