Viola Eigenbrodt: Liebe, Mord und Schürzenjäger. Ein Krimi aus Südtirol

Viola Eigenbrodt: Liebe, Mord und Schürzenjäger. Ein Krimi aus Südtirol, Leonberg 2022, Independently published, ISBN 979-8-36164011-9, 250 Seiten, Softcover, Format: 12,7 x 1,47 x 20,32 cm, Buch: EUR 14,99, Kindle: EUR 3,99.

Cover: ePandora / V. Eigenbrodt

Meran im Vorfrühling 2022: Ein bisschen neugierig ist sie ja schon, die Antiquarin Florentine Senoner. Als in ihrem Laden ein Blatt Papier aus einem alten Kinderbuch fällt, liest sie das Schreiben mit großem Interesse durch. Es ist ein Testament, das vor 42 Jahren verfasst worden ist. 

Fundsache „Altes Testament

Der Verfasser dieses Testaments kann altershalber nicht mehr am Leben sein. Ob seine Nachkommen jemals von dem Dokument erfahren haben? Der Inhalt ist brisant: Der Landwirt aus dem Ultental enterbt darin seine Söhne und vermacht seinen gesamten Besitz seiner unehelichen Tochter. Wenn das Testament vier Jahrzehnte lang in dem Buch geschlummert hat, hat die Tochter vielleicht nie was von ihrem Erbe gesehen!

Was tut man in so einem Fall? Das Testament schulterzuckend wegschmeißen und sich sagen: „Nicht mein Zirkus, nicht meine Affen?“ – Das wäre gar keine schlechte Idee gewesen. Aber Florentine Senoner recherchiert im Internet, macht die designierte Erbin tatsächlich ausfindig und sucht sie auf. 

Die Erbin fällt aus allen Wolken

Anneliese „Lies“ Kußtatscher, 66, hat 35 Jahre lang im Ausland gelebt und ist erst im Rentenalter wieder nach Südtirol zurückgekehrt. In Partschins betreibt die ehemalige Schäferin jetzt einen kleinen Käseladen. Sie ist fassungslos, als ihr die Antiquarin das Testament aushändigt. Weder hat sie von dem Erbe gewusst noch von ihrer Verwandtschaft mit dem Bauern. Sie hat in jungen Jahren mal für ihn gearbeitet und einer ihrer Söhne hat sich für sie interessiert. Jetzt wird ihr so manches klar, was sie damals nicht verstanden hat. 

Lies ist völlig durcheinander und Florentine bereut schon, sich überhaupt in die Geschichte eingemischt zu haben. 

Jetzt wär’s gescheit gewesen, Lies Kußtatscher wäre mit dem Testament zu einem Anwalt gegangen und hätte sich erkundigt, ob und wie sie ihre Ansprüche jetzt noch geltend machen kann. Aber auf die Idee kommt sie nicht. Das ist nicht ihre Welt. Sie will ihre Halbbrüder direkt konfrontieren. Vor deren Reaktion hat sie keine Angst, schließlich hat sie entsprechende Vorkehrungen getroffen. Doch man ahnt schon: Das Treffen wird nicht so laufen wie geplant.

Eine Leiche im Teich

Anders als geplant verläuft auch der Besuch der Hotelchefin Dorothee Konrad im Schloss Trauttmannsdorff in Meran. Statt entspannt auf Kaiserin Sisis Spuren zu wandeln, findet sie im Schlossteich eine Leiche. Hier kommen die Polizisten ins Spiel, die man vielleicht schon aus den vorigen Bänden der Reihe kennt: Die Carabinieri aus der Petrarcastraße unter der Leitung von Maresciallo Franco Marini sowie die Kripo in Gestalt von Polizeichef Hubert Pixner und Oberkommissar Matthias Ohnewein.

Die Polizeibeamten haben dieses Mal nicht ganz so viele ablenkende private Probleme an der Backe wie sonst. Dafür haben die Carabinieri zusätzlich zu ihren Revierkatzen jetzt auch noch einen Vogel: einen geschwätzigen und sangesfreudigen Bergpapagei. Der ist von einem früheren Fall „übriggeblieben“, sollte eigentlich nur vorübergehend bei ihnen Quartier nehmen und stellt sich nun als schwer vermittelbar heraus. 

Auch wenn sich die Carabinieri durch ihre Menagerie zum Gespött der ganzen Stadt machen: Ihren Job verstehen sie. Es dauert nicht lange, und sie haben die tote Person identifiziert. Es war kein Unfall, da hat jemand nachgeholfen! Man ertrinkt nicht einfach so in einem flachen Teich.

Weit und breit kein Mordmotiv

Womit sie sich schwertun, ist das Motiv: Wer, bitte, bringt einen Menschen um, der schwer krank ist und ohnehin nicht mehr lange zu leben gehabt hätte? Der kaum über Sozialkontakte verfügte und deswegen auch mit niemandem im Streit lag? Und der augenscheinlich nichts besessen hat, was ein anderer unbedingt hätte haben wollen.

Die gute alte Polizeiarbeit, ein gerüttelt Maß an Internetrecherche und ein Quäntchen Klatsch und Tratsch bringen jedoch Erstaunliches ans Licht. Auf einmal kommen scharenweise Verwandte des Mordopfers aus ihren Löchern, die an ihm kein gutes Haar lassen. Neid, Missgunst, Habgier, Rücksichtslosigkeit und krumme Geschäfte … dieser Intrigantenstadel fährt alles auf, was einen zum Menschenhasser machen könnte. Nur vereinzelt sind ein paar sympathische Exemplare darunter, wie die Sennerin Claudia mit ihrem skurrilen Marketing-Konzept.

Worüber streitet sich diese Mischpoke eigentlich? Bei ihrem ermordeten Angehörigen war doch nichts zu holen. Oder …?

Eine ahnungslose Zeugin

Es gibt eine Person, die viele offene Fragen mühelos beantworten könnte: Die neugierige Antiquarin vom Anfang der Geschichte. Wir wissen ja, dass sie gerne mit den Leuten redet und dass die ihr alles Mögliche erzählen. Nur hat sie keine Ahnung, dass etwas, das sie am Rande einer Vernissage erfahren hat, zur Aufklärung dieses Mordfalls beitragen könnte …

Für Kenner:innen der Reihe: Dieses Mal sind die Reporter gar nicht dabei! Die haben mir direkt ein bisschen gefehlt. Aber es sind auch so schon genügend Personen im Spiel. Für die zwei wichtigsten Familien in der Geschichte habe ich mir eine Art Stammbaum skizziert: Wer ist wie mit wem verwandt, wer verfolgt mit wessen Hilfe welche Interessen – und wem passt was warum nicht in den Kram? Man weiß ja nie, welches Detail später noch wichtig wird …

Es gibt eine ganze Reihe von Verdächtigen und verschiedene denkbare Motive. Ich habe gespannt mit der Polizei mitgerätselt und jedem alles zugetraut, nicht nur den offensichtlich Fiesen. Man hätte mir jederzeit mit entsprechender Begründung eine beliebige Romanfigur als Täter:in „verkaufen“ können. Ist der Druck groß genug, ist der Mensch zu allem fähig, und wenn er noch so nett und freundlich daherkommt.

Tragische Lebensgeschichten, befreiende Komik

Das private Geplänkel zwischen den Polizisten, die einander lange und gut kennen, bietet eine willkommene Abwechslung zu den tragischen Lebensgeschichten, mit denen wir hier konfrontiert werden. (Unappetitliche Details muss man in den Büchern von Viola Eigenbrodt zum Glück nicht befürchten.) Was manche Menschen mitgemacht haben, ist schon starker Tobak! Da tut’s gut, wenn auch mal über ganz alltägliche Themen gesprochen wird und es ein bisschen befreiende Komik gibt. 

Man muss sich weder in Meran auskennen noch die vorigen Bände der Reihe gelesen haben, um der Handlung folgen zu können. Wobei ein bisschen Vorwissen das Lesevergnügen durchaus steigern kann.

Ich werde der Reihe weiter treu bleiben. Jetzt will ich wissen, wie es weitergeht, nachdem sich bei der Polizei das Personalkarussell gedreht hat … wie sich die neue Kollegin macht … wie die Carabinieri Patti Mayrhofer und Carmine Losso sich einigen und ob Revierkatze Molly wieder in ihre Zelle zieht. Ja, irgendwie sind das für mich schon alte Bekannte. 😊  Und als Krimi-Fan interessiert mich natürlich vor allem, welchen neuen Fall sie zu lösen haben werden und bei welcher Berufsgruppe wir dieses Mal hinter die Kulissen blicken dürfen.

Die Autorin

Viola Eigenbrodt ist Journalistin, Dozentin für Kreatives Schreiben und Schriftstellerin. Mit ihrer Familie hat sie einige Jahre in Meran gelebt und gearbeitet. Sie kennt Land und Leute gut. Heute lebt sie mit ihrem Mann in der Nähe von Stuttgart und schreibt Cozy-Krimis, die allesamt in Meran angesiedelt sind, sowie Familienkomödien. 

Rezensentin: Edith Nebel
E-Mail: EdithNebel@aol.com
www.boxmail.de

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