Martina Fiess: Die Alb, die Liebe und der Tod. Kriminalroman

Martina Fiess: Die Alb, die Liebe und der Tod. Kriminalroman, Köln 2022, Emons Verlag, ISBN ‎ 978-3-7408-1595-0, Softcover, 235 Seiten, Format: 13,3 x 2,2 x 20,1 cm, Buch: EUR 13,00, Kindle: EUR 9,99.

Cover Alb Liebe Tod
Abb.: (c) Emons Verlag

Isabella fasste sich an die Stirn. „Jetzt fehlt nur noch das Geständnis, dass die Kohlezeichnung, die als Werk von Degas verkauft wurde, von dir stammt. Oder bohrst du vielleicht auch falsche Wurmlöcher?“
„Was für Löcher?“
„Wurmlöcher. Ich meine nicht diese Dinger im Weltraum, sondern die Gänge von Holzwürmern.“ […]
„Interessant. Weshalb glaubst du, ich helfe Holzwürmern bei der Arbeit?“
 

(Seite 209)

Manchmal ist man zur falschen Zeit am falschen Ort, wie hier die Kunsthistorikerin Isabella Walser, 33, freie Mitarbeiterin des Stuttgarter Auktionshauses Lichtenstein und verlobt mit Juniorchef Alex. Eines Tages geht sie während der Arbeitszeit kurz nach Hause und erwischt ihren Schatz mit Kollegin Sofie im Bett. Sie ist viel zu schockiert, um sich bemerkbar zu machen und verlässt fluchtartig das Haus und die Firma.

Pension statt Auktion

Des einen Leid, des anderen Freud‘: Wenn Isabella jetzt weder Wohnung noch Arbeit hat, sagt sich ihre Schwester Angie, kann sie ja den Sommer über für sie einspringen und die Pension „Wacholderblick“ auf der Schwäbischen Alb führen. Angie besucht in der Zeit ihren Freund in Griechenland.

Pensionswirtin in Ochsenwang! Na, klasse! Das klingt für die Städterin Isabella nach Langeweile am Ar*** der Heide. Aber in ihrer Lage kann sie nicht wählerisch sein. Also holt sie ein paar Sachen aus Alex‘ Wohnung, belädt ihr altersschwaches Auto und macht sich auf den Weg. 

Ohne die Hilfe der Nachbarin Karlotta wäre Isabella in ihrem neuen Job verloren. Was sie nämlich nicht gewusst hat: Diese Pension ist eine „One Woman Show“ – und sie kann nicht besonders gut kochen. Aber sie wird sich da schon einfuchsen. Jetzt will sie erst einmal zur Ruhe kommen, dann ihren restlichen Kram aus der Wohnung holen und sich beruflich neu orientieren.

Das LKA steht vor der Tür

Tja, und dann steht auf einmal ein Typ vom Landeskriminalamt Stuttgart bei Isabella auf der Matte. Ein Kunde hat beim Auktionshaus Lichtenstein eine mittelalterliche Heiligenfigur erstanden, die sich als Fälschung entpuppt hat. Und Isabella soll das Gutachten in Auftrag gegeben haben.

Ja, das kann schon sein. Solche Sachen gingen tagtäglich bei ihr über den Schreibtisch. Sie kann sich an den konkreten Vorgang nicht erinnern. Ob sie die Auftraggeberin war, ließe sich nur in der Firma selbst klären, aber da will sie eigentlich nicht mehr hin. Wird sie aber müssen, wenn sie ihren Namen reinwaschen will.

Hier habe ich mich gefragt, was sie eigentlich zu befürchten hat. Wenn es zu ihrem Aufgabenbereich gehört hat, Gutachter zu beauftragen, ist sie als kleines Licht doch nicht verantwortlich, wenn sich von denen mal einer irrt. Für solche Fälle haben Gutachter und Händler wahrscheinlich eine Versicherung. Der Kunde kriegt sein Geld zurück und gut ist‘s. Aber dieser Käufer vermutet Betrug, und dem muss die Polizei nachgehen.

Wer handelt hier mit Fälschungen?

Das ist wohl besser so, denn die Degas-Zeichnung, deren Verkauf durch die Medien ging, soll ebenfalls kein Original sein. Auch dafür hat angeblich Isabella den Gutachter beauftragt. Doch das kann nicht sein! Als das Geschäft abgewickelt wurde, war sie gar nicht in der Firma. Da will ihr jemand was anhängen! Sofie vielleicht, die gerne ihre Stelle an Alex Lichtensteins Seite einnähme? Oder Alex‘ Vater, Walter Lichtenstein, der Isabella immer wie einen unerwünschten Emporkömmling behandelt hat? Eine Schwiegertochter aus Stuttgarts High Society wäre ihm lieber gewesen.

Und warum ist auf einmal alle Welt hinter dem kleinen Ölgemälde her, dass Alex Isabella zur Verlobung geschenkt hat? Es gehört zu den wenigen Gegenständen, die sie mitgenommen hat. Möchte Alex das Bild wiederhaben, weil es so wertvoll ist? Oder will er es verschwinden lassen, weil er genau weiß, dass es nicht echt ist? Und warum interessiert sich der brummige Nachbar, Kunstmaler Leon, dafür? Hier läuft doch irgendeine Schweinerei!

Erst ein Raubüberfall …

Auf einmal ist Isabellas Gemälde weg. Gestohlen. Obwohl das ein astreiner Raubüberfall war, traut sie sich nicht zur Polizei. Zum Glück hat sie wenigstens einen kompetenten Rechtsbeistand in ihrer Nähe: Nachbarin Karlotta, die knallbunt gekleidete Öko-Bäuerin, hat einschlägige Vorkenntnisse. 

…. dann eine Leiche!

Es kommt noch dicker: Unweit der Pension „Wacholderblick“ wird eine Leiche gefunden. Es ist jemand aus dem Umfeld des Auktionshauses! Ob Fahrerflucht oder Mord, ist zunächst unklar. Wieder fällt der Verdacht auf Isabella Walser. Aber sie wäre doch nicht so dumm, eine solche Tat direkt vor ihrer Haustür zu begehen!

Wer will Isabella hier zum Sündenbock machen? Das kann doch nur jemand aus dem Auktionshaus sein! Sie muss noch einmal in die Höhle des Löwen und herausfinden, was da gespielt wird. 

Inzwischen geht’s uns Leser:innen wie Isabella: Wir verdächtigen jeden, der uns über den Weg läuft. Der wortkarge Maler-Nachbar könnte jetzt auch endlich mal sagen, was Sache ist! Der kennt sich aus in der Szene und weiß vermutlich mehr über diesen Fälschungsskandal als er zugeben will.

Ja, das hat was: Eine Außenseiterin kämpft gegen eine verschworene Bagage aus dem Kreis der Reichen und Schönen! Doch all die intriganten Schönschwätzer sollten sich davor hüten, einen Underdog zu unterschätzen, der so mühelos Schlösser knacken kann … 😊

Gibt das eine Serie?

Vom Kriminalfall abgesehen ist die Story meines Erachtens nicht ganz fertig erzählt. Das ist bestimmt Absicht. Ich wüsste zum Beispiel gern, warum Karlotta die Juristerei an den Nagel gehängt hat – und was Isabella jetzt mit ihrem Leben vorhat. Sie wird doch nicht auf Dauer diese ländliche Pension führen wollen! Das ist doch gar nicht ihr Ding! Es sei denn, sie behält den Job zur Tarnung, ähnlich wie Wilsberg sein Antiquariat, und ermittelt künftig privat in Sachen Kunstkriminalität. Gern zusammen mit Leon und Karlotta. Die sagt ja an einer Stelle selbst, sie könne sich eine Karriere als Privatdetektivin vorstellen. Nur so ’ne Idee …

Dieser Regionalkrimi war für mich ein Heimspiel. Es ist schon schön, wenn man die Orte, die die Autorin beschreibt, aus eigener Anschauung kennt. Man kann der Handlung aber auch folgen, wenn man keinerlei Beziehung zur Schwäbischen Alb hat. Den hiesigen Dialekt muss man auch nicht beherrschen – kein Mensch schwätzt schwäbisch in dem Buch!

An ein paar Stellen bin ich über seltsame Formulierungen gestolpert: Man schwört z.B. Stein und Bein, nicht Mark und Bein. Ein schrilles Geräusch kann einem durch Mark und Bein gehen. Und Schleifen werden meines Erachtens gebunden, nicht geflochten. Sowas bringt mich beim Lesen immer kurz aus dem Konzept. Das müsste eigentlich vom Lektorat/Korrektorat gefunden und eliminiert werden. Aber, zugegeben, das sind Kleinigkeiten.

Also, wie schaut’s jetzt aus? Stehen wir hier am Beginn einer neuen Reihe? Ich wäre dabei!

Die Autorin

Martina Fiess stöberte als Journalistin so manche Leiche im Keller anderer Leute auf, trennte als Sachbuchlektorin Fiktion von Fakten und manipulierte als Werbetexterin den schönen Schein. Dank dieser perfekten Vorbildung veröffentlichte sie bereits zahlreiche unterhaltsame Kriminalromane und Kurzgeschichten. Seit einigen Jahren pendelt Martina Fiess zwischen Stuttgart und Schwäbischer Alb. www.martina-fiess.de

Rezensentin: Edith Nebel 
E-Mail: EdithNebel@aol.com 
www.boxmail.de

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