Normalerweise bin ich eine Zweck-Pessimistin, die immer einen Plan B, C und D in der Tasche hat, falls Plan A nicht funktionieren sollte. Nur in Sachen „Katzenhaltung“ bin ich eine gnadenlose Optimistin. Was soll mich nach knapp 35 Jahren Multikatzenhaushalt noch überraschen? – Ich sag’s euch: der Gastkater! 😀
Ich hatte naiverweise angenommen, den kriegen wir locker nach Hause expediert, auch wenn er sich beim letzten Besuch so gut versteckt hatte, dass seine Menschen ihn erst beim zweiten Abholversuch mit heimnehmen konnten.
Der Gastkater und seine Lieblings-Verstecke
Als er jetzt im September wieder bei uns war, habe ich ihn fleißig durchs Haus stromern gesehen. Mal wuselte er durchs Dachgeschoss, mal war er im Treppenhaus, mal im Keller. Er hat da so seine Lieblingsplätze. Gut, dachte ich, dann dürfte das mit der Abholung am Freitag ja kein Problem werden. Entweder er sitzt im Dachgeschoss im Schrank, in der Kellerwerkstatt im Regal oder im Bücherkeller in einem Karton. Da pflücken wir ihn dann raus, setzen ihn in seine Transportbox – und ab mit ihm nach Hause!
Ja. So weit die Theorie. Was ich nicht auf dem Schirm hatte: Just in der Woche, als der Gast im Haus war, war auch die Fernmeldebau-Firma hier wegen des Glasfaseranschlusses. Sie rissen die Straße auf, buddelten im Garten, bohrten die Gartenmauern an und drillten schlussendlich noch ein Loch ins Haus. Sie waren vor dem Grundstück, auf dem Grundstück und im Haus in der Kellerwerkstatt. Und überall machten sie einen Höllenlärm.
Handwerker! Nur abends traut er sich raus
Für den Gastkater muss das der Horror gewesen sein – vor allem, wenn er die meiste Zeit im Keller verbracht hat. Als die Arbeiten so richtig im Gange waren, habe ich ihn tagsüber gar nicht gesehen, obwohl ich mehrfach im ganzen Haus nach ihm gesucht habe. Erst nach Feierabend traute er sich aus der Deckung. Zum Glück! Da wusste ich wenigstens, dass er da war und es ihm gut ging.
Am Mittwoch Abend, zum Beispiel, als ich auf der Couch saß, hörte ich meinen Jungkater Joschi im Treppenhaus plappern. Nicht aufgeregt rumschreien, sondern nur ohne Unterlass erzählen: „Mjau-mjau-mjau-mjau…“ Das kann der ewig durchhalten. Wahrscheinlich holt er durch die Ohren Luft.
Irgendwann habe ich mich doch gefragt, warum er so viel babbelt und mit wem. Als ich ins Treppenhaus kam, saß er einträchtig mit dem Gastkater auf einer Treppenstufe, quasselte auf ihn ein und schleckte ihm ab und zu über den Kopf. Der Besucher ließ sich das mit großen Augen gefallen. (Daheim ist er ja ein Einzelprinz.)
Gesellschaft – ob er will oder nicht
Was Joschi ihm wohl erzählt hat? Vielleicht das:
„Mann, Alter, wenn du den ganzen Tag in deinem Versteck hockst, verpasst du das Beste! Wie der eine Mann da mit dem nagelneuen Mercedes in die Baugrube gefahren ist, das war ganz großes Kino!
Er hat die Absperrung umfahren, weil er wahrscheinlich gedacht hat, auf der anderen Seite sei nur ’ne kleine Senke. Aber da war ein fettes Loch in der Straße. Er ist reingebrettert und mit den Vorderrädern versunken. Und dann kamen die Zweibeiner aus allen Windrichtungen gelaufen und haben das Auto wieder aus der Grube gewuchtet.“
Tja, diese Live-Show haben der Gastkater und ich verpasst. Er, weil er sich versteckt hatte und ich, weil ich gearbeitet habe. Und wir mussten uns die Geschichte hinterher erzählen lassen.
Ich wollte schnell die Kamera holen und das Kater-Plauderstündchen auf Treppe für die Nachwelt festhalten, aber, schwupps, war der Gast wieder weg.
Kann er sich etwa unsichtbar machen?
Je näher der Abhol-Freitag rückte, desto mulmiger wurde mir. Ich schwör’s, der Gastkater kann sich nach Belieben materialisieren und entmaterialisieren! Oder sich un/sichtbar machen, wer weiß das schon so genau? Vielleicht hat er auch den Eingang in die vierte Dimension gefunden oder das Tor nach Narnia. Ich hatte keine Ahnung, wo er schlief, und wenn ich einen Kontrollgang durchs Haus machte, war er in keinem der mir bekannten Verstecke zu finden.
Was, wenn das bei der Abreise ebenso sein würde? Was sag ich dann seinen Leuten, wenn wir dieses Mal wieder das gleiche Geschiss haben wie im Sommer? Oh, Mann!
Ja, und so kam’s. Genau, wie Katzen merken, wenn’s zum Tierarzt gehen soll und selbst in einer winzigen Wohnung plötzlich spurlos verschwinden, war der Besucher am Abhol-Freitag nach dem Frühstück wie vom Erdboden verschluckt. Gegen 15 Uhr sollte er abgeholt werden. Ab 14 Uhr habe ich ihn gesucht wie eine Stecknadel.
Wir haben die Abhol-Aktion dann erst einmal auf 18 Uhr vertagt.
Hausdurchsuchung wie im Krimi
Vier Stunden Hausdurchsuchung und Katzenhatz vom Keller bis zum Dachboden! Nix. Kein Gastkater in Sicht. Um 18 Uhr kamen Herrchen und Frauchen mit seinem Lieblingsfutter und einer starken Taschenlampe im Gepäck angereist.
Den Anschiss dafür, dass ich den Keller nicht verschlossen gehalten habe, habe ich akzeptiert. Ich konnte es ja verstehen. Aber da drunten stehen die Katzenklos, die Waschmaschine – und die Glasfaser-Guys hatten dort in der Werkstatt zu tun und rannten ständig rein und raus. Ich hätte das Untergeschoss nicht eine Woche lang gastkatzensicher versperrt halten können.
Wir haben das Haus dann systematisch vom Keller bis zum Dach durchsucht. Wie im Krimi! Tür auf, jeden Winkel mit der scheinwerferartigen Taschenlampe abgefunzelt. Kein Kater? Mist! „Clean!“ – Tür zu, nächster Raum.
Schon der verwinkelte Keller ist eine Herausforderung. (Und „clean“ ist in meinem Keller auch übertrieben 😀 ). Wir kamen uns vor wie die Leute von „CSI“. Es war total absurd und wir haben hysterisch gelacht. Genutzt hat’s nix. Weit und breit kein Kater zu sehen. Jedenfalls nicht der richtige.
Das Katerfrauchen und ich suchten im Erdgeschoss und im OG, das Katerherrchen hatte sich schon bis zum Dachgeschoss vorgearbeitet. Nichts.
Kater Joschi schlägt Alarm
Dann hörte ich meinen Kater Joschi im Untergeschoss plärren – vorm verschlossenen Bücherkeller. Da hatte er sich vorher schon immer an einem der Regale hochgezogen und nach oben gemaunzt. Aber wir hatten doch nachgesehen: Der Gastkater war da nicht! Der Raum war „clean“.
Ich bin trotzdem noch einmal mit Joschi reingegangen – und sah aus dem Augenwinkel was Weißes an mir vorbeizischen. Tatsächlich! Jetzt saß der Gastkater fröhlich unterm Tisch und tat, als könne er kein Wässerchen trüben. Joschi setzte sich dazu.
Meinen Schrei „Ich hab ihn!“ dürfte man noch zwei Straßen weiter gehört haben.
Ja, Sackzefix nochmal, den Raum hatte ich doch gefühlte drölfhundertmal durchkämmt und die Katzenbesitzer sind mit ihrer Taschenlampe selbst in die staubigsten Ecken gekrochen. Wo, zum Geier, konnte sich der Kater da noch versteckt haben?
Geht es hier nach Narnia?
Wir wissen es nicht. Ist er vielleicht Schrödingers Gastkater, oder was? Der gleichzeitig in einem Raum DRIN und NICHT DRIN sein kann? Oder hat er wirklich ein magisches Tor gefunden und seinen Urlaub in Narnia verbracht?
Wo immer er auch war: Die Stimmen seiner Menschen dürften ihn schlussendlich hervorgelockt haben. Aber Joschi hat ihn gefunden. Ohne sein Geplärr wäre ich nicht noch einmal in den Bücherkeller gegangen. Joschi ist mein Held!
Ach ja. Irgendwas müssen wir uns jetzt einfallen lassen, damit die Abreise nicht jedes Mal so ein tierisches Galama wird. Sonst muss ich das Catsitting aufgeben.
Inzwischen glaube ich ja, sein Geheimversteck zu kennen: Am Regalbrett neben den schwarzen Biographie-Bänden sind ein paar weiße Katzenhärchen hängengeblieben. Wahrscheinlich hatte er sich HINTER den Büchern verkrochen. Auch wenn wir davon ausgegangen waren, dass er für diese Lücke zu groß und zu stattlich ist.
Diese Theorie nutzt uns nur nicht viel, weil wir nicht wissen, wie viele Tore in irgendwelche Paralleluniversen es in diesem Haus sonst noch gibt. 😀
Es bleibt also spannend. Ich werde berichten.
