Ursi Breidenbach: Christmas Cake und Glitzerschnee. Roman

Ursi Breidenbach: Christmas Cake und Glitzerschnee. Roman, München 2024, Penguin Verlag in der Random House Verlagsgruppe GmbH, ISBN 978-3-328-11097-2, Softcover, Format: 11,9 x 2,9 x 18,8 cm, Buch: EUR 12,00 (D), EUR 12,40 (A), Kindle: EUR 7,99.

Abb.: (c) Penguin Verlag

„Ich lasse mich […] nicht unter dem Deckmantel der Tradition in den Konsumwahn drängen. Weihnachten ist die Zeit der Hektik, des Streites, der hohen Selbstmordrate und der Ressourcenverschwendung. Mir gefällt das nicht, und daher: ohne mich!“, erklärte sie. 
„Cousine Jenny ist der Grinch!“, stieß Callum aus.
 

(Seite 64)

Die Pharmakologin Jennifer (33), wird Ende Dezember von ihrem Arbeitgeber, der Uni München, ins schottische Edinburgh geschickt, um sich mit einem neuen Laborgerät vertraut zu machen, das man in München ebenfalls anzuschaffen gedenkt. Der Termin ist okay für sie. Mit Weihnachten hat sie nichts am Hut, also werden durch ihren „Auslandseinsatz“ auch keine Festvorbereitungen torpediert.

Niemand kann zu diesem Zeitpunkt ahnen, dass ein paar Tage in Edinburgh ausreichen, um das Leben einer ganzen Familie auf den Kopf zu stellen und Jennys eigenes noch dazu. Zwar hat eine Nachbarin Jenny heimlich die Adresse ihrer Großmutter Ingrid zugesteckt, die offenbar in Edinburgh lebt. Das hat aber keinerlei Sprengkraft. Jenny glaubt nämlich nicht, dass sie dort vorbeischauen wird. Sie hat Ingrid – die Mutter ihres Vaters – nie kennengelernt, weil diese die Familie schon vor rund 40 Jahren wegen eines anderen Mannes verlassen hat. Danach hat sie nie versucht, mit Ralf, ihrem Sohn, Kontakt aufzunehmen. Das weiß Jenny von ihrem Vater. So eine egoistische und kaltherzige Person kann ihr gestohlen bleiben!

Natürlich kommt’s anders: In Jennys Hotel in Edinburgh ist es kalt und laut (Firmenweihnachtsfeier!), also beschließt sie, sich die Stadt anzusehen. Alles voller Weihnachtsgedöns! Das ist ja nicht zum Aushalten! – Auf einmal steht sie doch vor dem Haus ihrer Großmutter im Stadtteil Morningside. Das Gebäude kommt ihr erstaunlich bekannt vor, obwohl sie noch nie hier war. Warum nur?

Während sie da so steht und überlegt, geht die Haustür auf und Ingrids Mann John Maclain bittet sie herein. Jenny hat eine so frappierende Ähnlichkeit mit Ingrid in jungen Jahren, dass dem alten Ehepaar (89 und 80) sofort klar ist, dass sie nur die Enkelin aus Deutschland sein kann. Und sie haben ja Fotos von Jenny … von den Münchner Nachbarn.

Die warmherzige Ingrid, liebevolle (Stief-)Mutter, Großmutter und Urgroßmutter der turbulenten Maclain-Familie, heißt Jenny mit offenen Armen willkommen. Sie hat gar nichts gemeinsam mit dem eiskalten Muttermonster aus Ralfs Erzählungen. Doch um Ingrid zu fragen, was damals wirklich geschehen ist, als sie Mann und Sohn verlassen hat, kennt Jenny sie noch nicht gut genug.

Nach anfänglichem Zögern nimmt die junge Wissenschaftlerin die Einladung an, während ihres Edinburgh-Aufenthalts bei ihren Großeltern zu wohnen. Als ihr Vater das bei einem Telefonat mitbekommt, ist er außer sich und bezeichnet Jennys Verhalten als Verrat. Das, findet Jenny, ist sein Problem, nicht ihres. Sie möchte ihre schottische Familie und ihre Wurzeln kennenlernen und sie fühlt sich hier wohl. 

Das liegt nicht zuletzt an dem sympathischen und kreativen Cousin Callum, einem erfolgreichen Bühnenbildner, der so alt ist wie sie. Er macht es sich zur Aufgabe, der rationalen deutschen Verwandten nicht nur Schottland, sondern auch den Zauber von Weihnachten nahezubringen. Callum ist deutlich emotionaler als Jenny und kann nicht verstehen, wie jemand das schönste aller Familienfeste nicht mögen kann. Die beiden unternehmen viel miteinander und haben dabei eine Menge Spaß, nur der Weihnachtsfunke will nicht überspringen.

Doch ganz so „grinchig“ wie zu Beginn ist Jenny inzwischen nicht mehr. Gern geht sie mit ihren Kolleginnen und Kollegen von der Uni zur Weihnachtsfeier, und die heiter-familiäre Atmosphäre dort gefällt ihr sogar. Mit diesem skurrilen Haufen lässt es sich ebenso gut feiern wie arbeiten.

Auch wenn’s in Schottland dauernd kalt ist: Jenny hat sich in das Land verliebt. Und in einen ganz bestimmten Schotten. Kann es sein, dass man schon nach zwei Wochen sicher weiß, dass jemand der/die Richtige ist? Jenny zumindest empfindet so, und ihr neuer Freund ebenfalls. Schon diskutieren die beiden ihren künftigen gemeinsamen Lebensmittelpunkt. Das ist gar nicht so einfach, weil beide eine erfüllende Arbeit haben, die sie an einen Ort bindet. Sie brauchen entweder eine geniale Idee oder sie werden Kompromisse machen müssen, um zusammen leben zu können. Und das wollen sie unbedingt!

Jenny ist jedoch klar: Wenn ihr Vater davon erfährt, wird das zum endgültigen Bruch führen. Dass die Geschichte sich wiederholt und er nicht nur seine Mutter, sondern auch seine Tochter an einen Schotten „verlieren“ wird, wird er nicht verkraften. Doch Jenny ist 33, sie weiß, was sie will und was sie tut. Wenn ihr Vater es vorzieht, seinen Groll aus Teenager-Tagen zu hegen und zu pflegen, statt sich der familiären Situation wie ein erwachsener Mensch zu stellen, ist das seine Angelegenheit. Er hätte sein Trauma längst aufarbeiten und sich mit seiner Mutter aussöhnen können. So viel Zeit wird dafür nicht mehr bleiben, Ingrid ist immerhin 80. Aber wenn Papa Ralf sich in der Opferrolle gefällt … bitte!

Und so sind die stimmungsvollen Weihnachtsfeierlichkeiten bei Ingrid und John von sorgenvollen Gedanken überschattet. Jetzt kann eigentlich nur noch ein Weihnachtswunder helfen. Am besten gleich zwei …

Wir wissen, was wir hier lesen: einen weihnachtlichen Wohlfühl-Liebesroman. Da gehört viel Gefühl und auch eine Prise Kitsch dazu. Und am Ende fügt sich alles irgendwie. Das muss so sein. Nur alte Fehler und Verletzungen tun immer noch weh, dafür gibt es selbst in romantischen Weihnachtsromanen keine Blitzheilung.

Die Heldin ist erfreulich klug und selbstständig. Sie wartet nicht auf einen Märchenprinzen, das hat sie gar nicht nötig. Aber wenn ein Kerl ihren Weg kreuzt, der dieser Vorstellung recht nahekommt, zögert sie auch nicht lange und greift zu. 😉

Die Maclain-Enkelchen sind ein bisschen altklug und der Humor von Jennys schottischen Cousins ist, sagen wir mal, gewöhnungsbedürftig. Nur weil sie zur angeheirateten Familie gehört, können sie sie doch nicht gleich bei der ersten Begegnung so anpflaumen wie die Verwandten, mit denen sie aufgewachsen sind! Was ist denn das für ein unsensibles Benehmen? Aber Jenny nimmt’s ihnen nicht krumm. Wenn man die Leute voraussichtlich nur einmal im Jahr zu Gesicht bekommt, ist das auszuhalten.

Ach ja … und warum Jenny das Haus ihrer Großmutter so bekannt vorgekommen ist, das wird auch aufgelöst. Ganz logisch und irdisch, ohne Magie. Übersinnlich ist hier nämlich gar nichts, sinnlich dagegen schon. Ich habe den Roman gern gelesen, mich mit großem Vergnügen über den sturen Papa Ralf aufgeregt und ganz nebenbei noch ein paar interessante Informationen über Schottland aufgeschnappt.

Ursi Breidenbach schreibt gemeinsam mit Heike Abidi erfolgreiche Sachbücher, wie den SPIEGEL-Bestseller »Eine wahre Freundin ist wie ein BH«. Mit ihren gefühlvollen Unterhaltungsromanen entführt sie ihre Leser*innen an die schönsten Orte, wie ins winterlich glitzernde Edinburgh. 2023 wurde sie mit dem DELIA-Literaturpreis für den besten Liebesroman ausgezeichnet.

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Rezensentin: Edith Nebel
E-Mail: EdithNebel@aol.com 
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