Heike Abidi: Free again. Alles auf Anfang. Roman, Otterbach 2024, Independently published, ISBN 979-8-33828865-8, Softcover, 352 Seiten, Format: 12,7 x 2,03 x 20,32 cm, EUR 9,99.
„Wie wär’s denn, wenn du eine Gärtnerausbildung machst? Dann wärst du immer an der frischen Luft, hättest mit Lebewesen zu tun, aber nur mit welchen, die kein dummes Zeug reden, und du könntest quasi bei der Arbeit meditieren. Genial, oder?“
(Seite 59)
„[…] Bei mir überleben nicht mal Kakteen.“
Geschieden, arbeitslos – und jetzt?
Scheidung! Und, zack, wird aus der erfolgreichen Hochzeitsplanerin Juliane Liebholdt (41), die bisher im Hotel ihres Mannes exklusive Veranstaltungen ausgerichtet hat, die arbeitslose Juliane Frey, die im Gästezimmer ihrer Freundin Lisa haust und nicht weiß, wie es weitergehen soll.
Gänzlich mittellos ist Juliane nicht aus der Ehe gegangen, sie hat die gemeinsame Eigentumswohnung behalten. Doch die hat sie notgedrungen an den Zahnarzt Adrian vermietet, weil sie es sich nicht leisten kann, selbst darin zu wohnen. Sie braucht die Mieteinnahmen.
Auf Dauer kann sie aber nicht bei Lisa unterkriechen. Für drei Personen – Lisa hat einen etwas anstrengenden vierzehnjährigen Sohn – ist das zu beengt und Privatsphäre gibt’s auch keine. Doch Juliane weiß einfach nicht, wie sie beruflich wieder auf die Beine kommen soll. Von Hochzeiten hat sie erst einmal die Nase voll. Und sonst hat sie keine beruflichen Qualifikationen, nur ein vor vielen Jahren abgebrochenes Studium.
Eine zündende Geschäftsidee
Sie ist vollkommen planlos, bis ihr eine Zufallsbegegnung die zündende Geschäftsidee frei Haus liefert: Beim Bäcker trifft sie eine ehemalige Kundin aus Hochzeitsplaner-Zeiten, das Model Roberta Rossi-van Weyden, die sie bittet, ihre Scheidungsparty auszurichten.
Roberta ist eine Naturgewalt. Was sie will, das bekommt sie auch. Ehe Juliane noch fragen kann, was, zum Geier, man sich unter einer Scheidungsparty vorzustellen hat, hört sie sich schon zusagen. Und nun darf sie sich mit höchst sonderbaren Fragen herumschlagen: Wie zerstört man am publikumswirksamsten ein Hochzeitskleid? Welche Musik soll auf der Veranstaltung gespielt werden? Gibt’s Firmen, die das Konterfei des Ex auf Klopapier drucken können? Und kann man eigentlich einen Platinring mit einem Hammer kaputt klopfen?
Event-Agentur im Wohnzimmer
Julianes Kompetenz spricht sich herum, dafür sorgt schon Model Roberta, und ruckzuck ist sie ausgebucht. Es ist interessant, wie unterschiedlich die Vorstellungen von Julianes Kundinnen sind. Zwar zelebrieren alle mit der Scheidungsparty einen Neuanfang, aber während die einen voller Hass auf ihren Ex sind, bringen die anderen ihn mit und sie feiern den Aufbruch in einen neuen Lebensabschnitt gemeinsam. Was immer die Kundinnen wollen, ob sie umgänglich sind oder anspruchsvoll, unentschlossen und zickig: Juliane bleibt cool und setzt selbst die absurdesten Ideen um.
So professionell diese Veranstaltungen auch wirken: Planung und Organisation entstehen in ihrem 12-Quadratmeter-Gästezimmer-Kabuff und in Lisas Wohnzimmer. Das darf keine ihrer Kundinnen sehen, sonst wäre ihr Ruf dahin! Es wird aber noch eine Weile dauern, bis sie sich eine eigene Wohnung mit Büro leisten kann.
Leben ohne Privatsphäre
Das WG-Leben ist zwar nett, weil Juliane nicht allein ist, aber aus demselben Grund ist es auch anstrengend. Pubertier Morten ist plötzlich gar nicht mehr mundfaul, wenn es darum geht, alles negativ zu kommentieren, was Juliane tut. Und Lisa versucht permanent, sie zu verkuppeln. Sie kann nicht verstehen, dass Juliane weder was von ihrem Mieter, dem attraktiven Zahnarzt, will noch vom gutaussehenden Exgatten einer ihrer Kundinnen. Juliane geht zwar mit den Männern essen oder zu Veranstaltungen, aber mehr läuft nicht. (Ich bin ja dafür, dass Lisa den Zahnarzt heiratet und einen Doppelnahmen annimmt. 😀 Wo da der Witz ist, zeigt sich im Buch.)
Nicht, dass jetzt jemand auf die Idee kommt, Juliane Frey würde noch ihrem Exmann hinterhertrauern. Nein, um Himmels Willen! Der ist ihr lästig, weil er ständig anruft und sich in Dinge einmischt, die ihn nichts mehr angehen. Mit diesem unaufrichtigen Gesellen ist Juliane fertig! Bei ihr darf man alles sein: divenhaft, neugierig, übergriffig, pubertär-pampig oder sonstwie schräg drauf, doch sobald sie das Gefühl hat, belogen und verar***t zu werden, ist bei ihr Schicht im Schacht.
Ein rätselhafter Kunde
Dann verirrt sich tatsächlich mal ein männlicher Kunde in Julianes Agentur, die inzwischen den Namen „Free again“ trägt. Organisierte Scheidungspartys sind normalerweise eher ein Frauending. Aber gut, warum nicht? Zu diesem neuen Kunden, dem Ghostwriter Marius Opitz, hat Juliane sofort einen Draht. Mit ihm könnte sie sich tatsächlich mehr vorstellen als nur eine geschäftliche oder freundschaftliche Beziehung. Aber stimmt auch alles, was er ihr erzählt? Manches klingt ein wenig sonderbar und Julianes Bullsh*t-Detektor schlägt Alarm. Und wir wissen ja: Im Umgang mit ihren Mitmenschen ist sie zwar hart im Nehmen, doch anlügen lässt sie sich nicht.
Was läuft hier? Und warum läuft’s für Juliane nur geschäftlich gut, privat aber nicht? Es ist wie verhext! Kann man irgendwas dagegen tun? Nun ja: Juliane vielleicht nicht …
Amüsante Dialoge …
Julianes WG-Leben und der verbale Schlagabtausch mit ihrem Ex-Gatten sind der Brüller. Mich hat ja besonders die Interaktion mit Lisas Teenie-Sohn amüsiert. Erst finden Juliane und Morten einander grässlich, aber zum Schluss macht’s fast den Eindruck, als würden die beiden einander vermissen, falls sie aus der WG auszöge. Auch Julianes Kumpel, der Zahnarzt, ist lustig und unterhaltsam. Man lacht nicht nur über seinen Nachnamen.
… und befremdliche Probleme
Über manche von Julianes Kundinnen habe ich allerdings den Kopf geschüttelt. Ich gönne der „Freyfrau“ ihre zweite Karriere von Herzen. Wenn Scheidungspartys gefragt sind und Organisieren genau ihr Ding ist, hat sich das ja wunderbar gefügt! Doch einige der Kundinnen haben nicht nur „First World Problems“, die haben „reiche-Tussi-Probleme“! Entweder bin ich zu schwäbisch oder zu „öko“, aber ich kann sinnlose Zerstörung nicht mit ansehen. Wenn die Damen ihre Exmänner so sehr hassen, dass sie alle Erinnerungen loswerden wollen, wieso verkaufen, verschenken oder spenden sie dann Kleidung und Schmuck nicht, anstatt alles mutwillig zu ruinieren? – Ich wäre für Julianes Job nicht geeignet, ich könnte das nicht ertragen. Aber, okay, das ist auch nicht der Punkt.
Humorvoll, aber kein Klamauk
Julianes Geschichte ist gute Unterhaltung mit interessanten, (mehrheitlich 😉 ) sympathischen Figuren und witzigen Dialogen. Man schmunzelt und lacht auch mal laut, aber es ist kein Klamauk. Ein bisschen kommt man beim Lesen ins Grübeln, was Beziehungen und Neustarts im Leben angeht. Und man sieht wieder mal, dass es nicht unbedingt die beste Idee ist, seine berufliche Existenz vom Partner abhängig zu machen.
Die Autorin
Heike Abidi, Jahrgang 1965, ist studierte Sprachwissenschaftlerin. Sie lebt mit ihrer Familie in der Pfalz bei Kaiserslautern, wo sie als freiberufliche Werbetexterin und Autorin arbeitet. Sie schreibt vor allem Unterhaltungsromane, Kinder- und Jugendbücher sowie unterhaltende Sachbücher – Letzteres auch zusammen mit Lucinde Hutzenlaub und Ursi Breidenbach. Mehr Infos über die Autorin: www.AbidiBooks.de
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Rezensentin: Edith Nebel
E-Mail: EdithNebel@aol.com
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