Heike Abidi: Ab heute mach ich’s mir selber recht. Warum wir People Pleaser mehr an uns selbst denken dürfen 

Heike Abidi: Ab heute mach ich’s mir selber recht. Warum wir People Pleaser mehr an uns selbst denken dürfen, München 2024 Gräfe und Unzer Verlag, ISBN 978-3-8338-9468-8, Klappenbroschur, 239 Seiten, Format: 13,8 x 1,8 x 21 cm, Buch: EUR 16,99, Kindle: EUR 13,99, auch als Hörbuch lieferbar.

Abb.: (c) Gräfe und Unzer Verlag

„Wenn ich vor People Pleasing warne, meine ich den Versuch, es allen recht machen und allen gefallen zu wollen. Denn das gelingt sowieso nicht. Zumindest eine Person hat dabei immer das Nachsehen – und das bist du.“ 

(Seite 226)

Das Phänomen des „People Pleasing“ ist mir vertraut. Der englische Begriff dafür ebenso. Ich kenne leider keine geschmeidige deutsche Übersetzung dafür. Wahrscheinlich käme irgendwas mit „Gefallsucht“ dabei raus. Auch nicht schön. Also belassen wir es beim Anglizismus.

Wie kommt’s, dass manche Menschen – nicht nur wir Frauen – es immer allen recht machen wollen und dabei sich und ihre eigenen Bedürfnisse vergessen? Nun, das ist ein Programm aus der Kindheit, das später weder hinterfragt noch mit etwas Besserem „überschrieben“ worden ist. Das passiert, wenn wir zu „braven“ Kindern erzogen worden sind, die widerspruchslos tun, was man ihnen sagt, die niemanden stören, keine Bedürfnisse äußern und keine Umstände machen, weil sie gelernt haben, dass sie sich nicht so wichtig nehmen dürfen. Wenn’s dumm läuft, behalten wir das bei, auch wenn wir längst keine hilflosen kleinen Kinder mehr sind, die vom Wohlwollen der Erziehungsberechtigten existenziell abhängig sind.

Dieses Überlebensprogramm ist nicht nur in Extremfällen aktiv, in denen es Kinder mit psychisch auffälligen Eltern zu tun haben und aus reinem Selbsterhaltungstrieb lernen, die Stimmungen der Erwachsenen zu erspüren und möglichst unauffällig zu bleiben. Nein, es steckt in uns allen. Allein wäre kein Kind überlebensfähig. Also versuchen wir instinktiv, uns mit den Eltern gutzustellen.

Wenn die Eltern ihren Erziehungsauftrag so verstehen, dass sie ihre Kinder auf ein Erwachsenenleben vorbereiten, in dem sie allein gut klarkommen, ist alles paletti. Wer Kinder nur zum Brav sein abrichtet, hat’s vielleicht einfacher und erntet Bewunderung für die artigen Kleinen, aber er/sie erzieht People Pleaser, die nicht für sich und ihre Meinung einstehen können und bis zur Erschöpfung und Selbstaufgabe versuchen werden, die Bedürfnisse anderer zu erfüllen. Was zum Scheitern verurteilt ist.

Eltern, die so etwas tun, wird vermutlich auch das Ergebnis ihrer Erziehung kaltlassen. Aber was, wenn du selbst ein Opfer dieser Erziehungsmethoden geworden bist und dich in den sehr lebendig und unterhaltsam geschilderten Fallbeispielen wiedererkennst? Und wenn du aus dem „Bravheitstest“ auf den Seiten 56/57 als astreiner People Pleaser hervorgehst? – Tja, dann hast du ein Verhalten erlernt, das dir nicht guttut!

Das Schöne ist: Erlerntes Verhalten kann man auch wieder verlernen. Das erfordert eine gewisse Anstrengung, aber es ist möglich. Damit es funktioniert, müssen wir erkennen, in welchen Situationen wir regelmäßig in die Falle tappen und zu etwas „ja“ sagen, das wir gar nicht wollen, nur um unser Gegenüber nicht zu enttäuschen und gemocht zu werden. 

Verlasst euch drauf: Die anderen können, bewusst oder unbewusst, bei uns genau die Knöpfe drücken, die uns zum Nachgeben veranlassen. Wie die das machen? Über Kommunikation! Kleine Wörtchen wie „etwa“, „mal“ oder „vielleicht“ können, gezielt eingesetzt, einem harmlosen Satz eine Bedeutung verleihen, die eine enorme Wirkung erzielt. Und schon springen wir, obwohl wir das weder wollen noch müssen.

Wie wir antworten können, wenn wir merken, dass uns jemand manipulieren will, zeigt uns das Buch. Man braucht nicht explizit „nein, ich will das nicht“ zu sagen. Man kommt auch deutlich eleganter aus so einer Nummer raus.

Ja, ich weiß: Theoretisch klingt das logisch und einfach. Praktisch ist es nicht so leicht. Man muss das neue Verhalten erst einmal einüben, damit es einem in Fleisch und Blut übergeht, sonst ergeht’s einem weiterhin so wie den Menschen in den Fallbeispielen: Die machen zum Beispiel die tollsten Pläne für ein entspanntes Wochenende, und lassen sich dann doch wieder von Vorgesetzten, Verwandten und Bekannten für deren Ziele einspannen.

Und die Leute schrecken ja vor keinem noch so hinterhältigen Psychotrick zurück! Selbst vor Lob und Komplimenten muss man sich hüten! In dem Buch werden ein paar der perfidesten Tricks aufgelistet. (Hoffentlich bringt das niemanden auf dumme Gedanken!)

Es ist weder für einen selbst noch für die Partnerschaft gut, wenn man immer nachgibt, keine eigene Meinung hat (oder zumindest keine äußert) und jeden Konflikt vermeidet. Man muss nicht wegen jeder Kleinigkeit streiten, das wäre auch nicht sinnvoll. Doch Konflikte sind auch dazu da, Kompromisse zu finden, mit denen beide Partner zufrieden sind – und nicht nur einer. Wenn die Kommunikation komplett ins Leere läuft, weil einer von beiden alles gottergeben abnickt, ist das keine Partnerschaft auf Augenhöhe. Das klingt ungesund, sowas sollte man sich nicht antun.

„Everybody’s darling is everybody’s Depp“ – das wusste schon vor Jahrzehnten der CSU-Politiker Franz Josef Strauß (1915 – 1988). Zumindest wird das Zitat ihm zugeschrieben. Es würde passen, denn ein People Pleaser war der Mann ganz bestimmt nicht!

Man muss aber nicht gleich zum rücksichtslosen Egoisten werden, der alle anderen niederwalzt, wenn man verhindern möchte, dass man in Beruf und Familie ausgenutzt wird, ein undankbares Ehrenamt nach dem anderen an die Backe gequatscht bekommt oder in die „aufopferungsvolle Mutter“-Falle gerät. (Das widerfährt leider auch modernen und beruflich erfolgreichen Frauen.) Es gibt nämlich auch eine gesunde Form von Egoismus. Den kann und sollte man erlernen, denn:

„Was ist […] falsch daran, die eigenen Anliegen wichtig zu nehmen? Wenn du es nicht tust, wer sonst? Lass dir nicht einreden, deine Gesundheit, deine Zufriedenheit, deine Ziele wären nicht relevant! Du bist wichtig. Punkt.“ 

(Seite 191)

Positiver Egoismus ist unter anderem Achtsamkeit, Selbstreflexion und Selbstfürsorge und nicht etwas durch und durch Schlechtes, wie man es uns wahrscheinlich in unserer Kindheit eingebläut hat. Wenn wir das verinnerlicht haben, kann uns so schnell auch keiner mehr bei unserem schlechten Gewissen packen, weil wir nämlich diesbezüglich keines haben.

So eine Verhaltensänderung gelingt natürlich nicht über Nacht, das ist ein Prozess. Aber wenn man die Tricks erst einmal kennt, auf die man immer wieder hereinfällt, ist das schon eine große Hilfe. Statt reflexartig „ja“ zu sagen, wenn jemand was von uns will, können wir nun denken „Ach, jetzt kommt der/die wieder mit diesem Schmäh daher! Nein, dieses Mal nicht!“– und wir können das, was wir nicht tun wollen, souverän ablehnen. Und das ist gut, weil:

„Je ausgeglichener und zufriedener du mit deinem Leben bist, desto angenehmer ist es für andere, Zeit mit dir zu verbringen. Please yourself – dann haben auch deine Mitmenschen gern mit dir zu tun. Selbst wenn (oder gerade weil) du ihnen nicht jeden Wunsch von den Augen abliest.“ 

(Seite 237)

Wie bei allen psychologischen Ratgebern möchte ich auch hier anfügen: Wenn das Thema wirklich ans Eingemachte geht, weil womöglich traumatisierende Kindheitserinnerungen dahinterstecken, sollte man sich nicht scheuen, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Das Buch ist für „handelsübliche“ Fälle von People Pleasing gedacht. Diese Betroffenen werden hier auf unterhaltsame Weise eine Menge wertvoller Informationen, Tipps und Denkanstöße finden und sich – hoffentlich – nicht mehr so leicht manipulieren lassen.

Das Wissen, das man hier erwirbt, kann man sogar „vererben“ … indem man die eigenen Nachkommen nicht zum Brav sein dressiert, sondern sie ermutigt, engagiert, fantasievoll, selbstständig, neugierig, und kreativ zu sein. Also, ihr People: Künftig könnt ihr euch selber pleasen! 😉

Heike Abidi ist studierte Sprachwissenschaftlerin. Mit humorvollen Büchern wie „Eine wahre Freundin ist wie ein BH“ oder „Großeltern sind wie Eltern, nur mit Zuckerguss“ konnte sie hunderttausend Leserinnen und Leser begeistern. Sie lebt mit ihrer Familie in der Pfalz bei Kaiserslautern, wo sie als freiberufliche Werbetexterin und Autorin arbeitet. Heike Abidi schreibt vor allem Unterhaltungsromane, Kinder- und Jugendbücher sowie unterhaltende Sachbücher – letzteres auch zusammen mit Lucinde Hutzenlaub und Ursi Breidenbach.

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Rezensentin: Edith Nebel
E-Mail: EdithNebel@aol.com 
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