Pia Rosenberger: Das Geheimnis der Venus. Historischer Roman, Berlin 2024, Aufbau Verlag, ISBN 978-3-7466-4042-6, Softcover, 510 Seiten, Format: 13,3 x 3,8 x 20,5 cm, Buch: EUR 14,00 (D), EUR 14,40 (A), Kindle: EUR 10,99, auch als Hörbuch lieferbar.
Florenz 1482: Vor vier Jahren hat die damals vierzehnjährige Prinzessin Semiramide „Mira“ d’Appiano d’Aragona ein Attentat mit ansehen müssen, bei dem der Mann ums Leben kam, den sie hätte heiraten sollen: Giuliano di Piero de Medici, der Bruder von Lorenzo il Magnifico, dem Oberhaupt der herrschenden Familie Medici. Sie selbst wurde dabei nur leicht verletzt, hat aber einen Zusammenbruch erlitten und kann sich an die Einzelheiten des Vorfalls nicht mehr erinnern. Zu ihrem eigenen Schutz hat ihr Bruder Jacopo sie damals in ein entlegenes Dominikanerinnenkloster in der Maremma gebracht, wo sie seither lebt.
Aus dem Kloster in die Ehe
Mira wird dort zur Illustratorin ausgebildet und unterrichtet Kinder. Sie ist mit dem beschaulichen Klosterleben zufrieden und alles andere als begeistert, als Lorenzo de Medici sie nach Florenz zitiert, um seinen Cousin Enzo di Pierfrancesco de Medici zu heiraten. Auch der Bräutigam ist von der Idee nicht besonders angetan, aber beide wissen, dass diese Heirat politische und wirtschaftliche Gründe hat und sie keine Wahl haben. Sie hätten es schlimmer treffen können als mit einem annähernd gleichaltrigen klugen, gebildeten und attraktiven Partner verheiratet zu werden. Gut, die Prinzessin ist ein bisschen impulsiv und eigensinnig und Enzo ein wenig vergeistigt und distanziert, aber damit lässt es sich leben. Sie fügen sich in ihr Schicksal.
Für den Empfangsraum des gemeinsamen Domizils gibt Enzo beim angesagten Maler Sandro Botticelli ein großformatiges Gemälde in Auftrag, das wir als „Primavera“ kennen. Es hat verschiedene Bedeutungsebenen und enthält Anspielungen auf die neuplatonische Philosophie sowie auf Werke der humanistischen, lateinischen und griechischen Literatur. Enzo und der Maler haben sich was dabei gedacht …
Mira steht Botticelli Modell
Mira bietet Botticelli ihre detaillierten Pflanzenzeichnungen aus dem Kloster als Vorlagen an. Er akzeptiert gern, und als das Modell für eine der drei Grazien ausfällt, springt Mira ein – und verliebt sich in den attraktiven jungen Gardisten Riccardo Vespucci, der als Merkur Modell steht. Die Anziehung beruht auf Gegenseitigkeit, doch Riccardo ist Enzo gegenüber hundertprozentig loyal und weiß, dass aus dieser Liebe nie was werden darf.
Schnell wird klar, warum Modell Nannina nicht mehr zu den Sitzungen erschienen ist: Sie ist ermordet worden. Jemand hat sie erdrosselt und in den Fluss geworfen. Aber warum? Das scheint niemanden zu interessieren. Doch Mira, die in Florenz noch fremd ist, betrachtet die junge Frau als eine ihrer wenigen Bekannten und forscht nach. Allein durch die Stadt zu streifen und Leute auszufragen ist nicht das Verhalten, das man von einer wohlerzogenen jungen Adeligen erwartet, die im Begriff ist, in eine so mächtige Familie einzuheiraten, aber Mira ist das egal.
Ein Modell wird ermordet …
Auch als ein weiteres Botticelli-Modell tot aufgefunden wird und ein drittes verschwindet, ist Mira nicht zu bremsen. Sie weiß, dass sie sich mit gefährlichen Leuten anlegt, aber irgendjemand muss doch den Täter finden und zur Rechenschaft ziehen! Die Prinzessin hat keine Hemmungen, Kleinkriminellen, Spionen, einer Engelmacherin und einer Bordellbesitzerin auf den Zahn zu fühlen.
Wie in der Malerei ist hier auch im wahren Leben nicht alles so, wie es auf den ersten Blick aussieht. Jeder scheint eine geheime Agenda zu haben und wir Leserinnen und Leser sind ebenso ratlos wie Mira selbst. Maler-Modell Nannina war vermutlich in krumme Geschäfte verwickelt. Lorenzo de Medicis Spion verfolgt eigene Interessen, und was die Bordellchefin, die sich selbst „Venus“ nennt, auf dem Zettel hat, weiß kein Mensch. Was immer es auch ist und auf wessen Seite sie stehen mag: Venus ist schlau, kultiviert und bis in höchste Kreise bestens vernetzt. Man sollte sie nicht unterschätzen.
Wo laufen die Fäden zusammen?
Kann es sein, dass die Fäden bei einem kleinen Waisenjungen zusammenlaufen, der sich als Dieb und Bettler durchschlägt? Es macht ganz den Eindruck, doch der Junge selbst kann nichts zur Aufklärung beitragen. Sein Großvater war Buchhändler, das ist alles, was er über seinen persönlichen Hintergrund weiß.
Natürlich bleibt es den intriganten und kriminellen Elementen nicht verborgen, dass die Prinzessin aus dem Kloster auf eigene Faust in ihren Angelegenheiten herumschnüffelt. Medici-Braut hin oder her – das können sie nicht zulassen! Mira bekommt ihren Unmut mehr als einmal schmerzhaft zu spüren. Doch nicht einmal akute Lebensgefahr kann sie von ihren Nachforschungen abbringen. Sie ist wild entschlossen, herauszufinden, warum die Maler-Modelle sterben mussten – und wer hier was im Schilde führt.
Faszinierende Interpretationsmöglichkeiten
Die verschiedenen Interpretationsmöglichkeiten des Botticelli-Gemäldes fand ich außerordentlich faszinierend. Man findet Abbildungen davon im Internet und ich habe mir die Details während des Lesens immer wieder angesehen. Und, ja, es finden sich durchaus Parallelen zu Miras Leben.
Natürlich wollte ich auch wissen, wer in der Geschichte welche Absichten verfolgt. Da war ich echt gespannt! Im Taktieren und Intrigieren sind die Leute hier große Klasse, da war das alles andere als einfach. Ich hatte zwar einen gewissen Verdacht, was den Betteljungen angeht, aber was die Bordellchefin umtreibt, war mir bis zum Schluss ein Rätsel. Es wird aber alles aufgeklärt.
Die Prinzessin als Action-Heldin
Keine Ahnung, ob von Prinzessin Miras wilden und gefährlichen Abenteuern etwas überliefert ist oder nicht – mir war das ein bisschen zu viel Remmidemmi. Aber gut: Damals war man nicht zimperlich, was Menschenleben angeht, und nur Intrigen ganz ohne Action wäre sicher nicht so spannend gewesen.
Im Nachwort erfahren wir ein wenig darüber, welche Personen und Ereignisse es wirklich gegeben hat und was der Phantasie der Autorin entsprungen ist. Für mich war das hilfreich, ich hatte von den Umtrieben der Medici nur eine vage Ahnung. Ein Personenverzeichnis hätte ich ebenfalls nützlich gefunden. Ich habe mich manchmal in den Namen der beteiligten Herren verheddert und musste zurückblättern und nachsehen, wer jetzt wer ist. Aber ich habe mich auch so durchgekämpft und bin nun ein kleines bisschen schlauer als vor der Lektüre dieses Buchs.
Die Autorin
Pia Rosenberger wurde in der Nähe von Osnabrück geboren und studierte nach einer Ausbildung zur Handweberin Kunstgeschichte, Literaturwissenschaft und Pädagogik. Seit über 20 Jahren lebt sie mit ihrer Familie in Esslingen und arbeitet als Autorin, Journalistin, Museumspädagogin und Stadtführerin. Im Aufbau Taschenbuch sind bereits ihre Romane »Die Bildhauerin«, »Die Künstlerin der Frauen«, »Colette« sowie »Wir Frauen aus der Villa Hermann« erschienen.
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Rezensentin: Edith Nebel
E-Mail: EdithNebel@aol.com
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