Bent Flyvbjerg, Dan Gardner: How Big Things Get Done. The Surprising Factors That Determine the Fate of Every Project, from Home Renovations to Space Exploration and Everything In Between, New York 2023, Crown Currency, ISBN 978-0-593-23951-3, Hardcover mit Schutzumschlag, 284 Seiten mit Grafiken und Tabellen, Format: 14,58 x 2,82 x 21,69 cm, Hardcover: EUR 14,99, Taschenbuch: EUR 10,99, Kindle: EUR 3,99, auch als Hörbuch lieferbar.

Das Buch gibt’s inzwischen auch auf Deutsch: How Big Things Get Done. Wie Projekte gelingen: von der Küchenrenovierung bis zur Marsmission, aus dem Englischen von Anke Wagner-Wolff und Gisela Fichtl, München 2024, Droemer Knaur, ISBN 978-3-426-56151-5, Softcover, 336 Seiten, Format: 13,3 x 2,41 x 21 cm, Buch: EUR 20,00, Kindle: EUR 17,99.

„If that forecast proves more accurate than the rest, the project will have taken sixty years, cost more than $15 billion and produced zero electricity.“
(Seite 158)
Man muss nicht bis Japan oder in die USA schauen, um Megaprojekte zu sehen, die zeitlich und finanziell dramatisch aus dem Ruder gelaufen sind und am Schluss nicht einmal die versprochene Leistung erbracht haben. Das können wir in Deutschland auch. Man denke nur an „Stuttgart 21“ oder den Berliner Flughafen.
Warum Großprojekte oft im Desaster enden
Tatsächlich werden weltweit gerade mal 0,5 % aller Großprojekte rechtzeitig fertig, liegen im Kostenrahmen und leisten das, was sie leisten sollen. Knapp 50 % liegen wenigstens im Budget, wenn’s auch länger dauert als geplant und das Resultat zu wünschen übriglässt. Warum ist das so? Es gibt ja auch Fälle, in denen alles wie am Schnürchen klappt!
Nun, das hat zunächst einmal politisch-psychologische Gründe – was wir längst vermutet haben: Großprojekte werden erst einmal „günstig gerechnet“, um sie überhaupt genehmigt zu bekommen. Diesen zuerst genannten Betrag sollte man besser als Anzahlung verstehen. Das dicke Ende kommt nach.
Erst nachdenken, dann loslegen!
Manchmal gibt es auch unziemliche Hast bei der Umsetzung, weil sich zum Beispiel ein Politiker vor Ende seiner Amtszeit noch schnell mit einem Bauwerk ein Denkmal setzen will. Daraus ergeben sich unrealistische Terminvorstellungen. Es wird bei der Planung gespart und blindlings losgelegt. So nach dem Motto: „Als erstes graben wir mal ein großes Loch. Dann lassen sie uns weitermachen, weil es zu teuer wäre, alles wieder rückgängig zu machen. Der Rest ergibt sich dann schon irgendwie.“ (Auch bei „Stuttgart 21“ gab’s eine Befragung der Bevölkerung, als das Projekt schon weit gediehen war. Die meisten haben für „Weitermachen“ gestimmt, weil sie wohl dachten, jetzt ist schon so viel Geld verbraten worden, jetzt sollen sie das Ding halt fertigbauen.)
Je nachlässiger ein Projekt vorbereitet wurde und je länger die Umsetzung dauert, desto mehr Unvorhergesehenes kann sich ereignen: Politische, klimatische oder gesellschaftliche Veränderungen können dazwischen grätschen – oder auch mal eine Pandemie. Wenn etwas zügig fertigwird, kann deutlich weniger dazwischenkommen. Das ist eigentlich auch klar, oder?
Die richtigen Fragen stellen
„Projects don’t go wrong, they start wrong.“
(Seite 19)
Bevor man loslegt, sollte man die richtigen Fragen stellen: „Was will ich erreichen? Was soll am Schluss herauskommen?“ – Erst, wenn man das sicher weiß, kann man darüber nachdenken, wie und womit man dieses Ziel am besten erreicht und alles Notwendige planen. Gut möglich, dass man im Denkprozess auf eine andere, bessere Lösung kommt als auf die, die einem ursprünglich vorgeschwebt hat. Also zum Beispiel ein Tunnel oder eine Fähre statt einer Brücke. Denken vorm Handeln ist also durchaus sinnvoll.
Hört auf die Experten!
Auch schlau: Firmen bzw. Experten zu beauftragen, die schon Erfahrung mit ähnlichen Projekten haben. Das minimiert die Risiken enorm. Es muss nicht jeder das Rad neu erfinden, nur um hinterher als der Erste, der Beste oder der Größte gefeiert werden zu können. Das geht gern schief.
Professor Flyvbjerg, der seit rund 30 Jahren über Megaprojekte forscht, präsentiert zusammen mit Co-Autor Gardner hochinteressante Beispiele — für die erfolgreiche Projektplanung und -umsetzung ebenso wir für haarsträubende Reinfälle. Welche Vorgehensweisen sich bewährt haben, sieht man besonders deutlich an den Fallbeispielen aus der Architektur.
Die hier vorgestellte Planungs- und Testphase eines Filmstudios mutet exzessiv an, doch der Erfolg gibt dem Unternehmen recht. (Ich kenne aus anderen Kreativbereichen ähnlich strikte Abläufe. Und, ja, sie funktionieren!)
Holt die Mitarbeitenden ins Boot!
Hilfreich ist es auch, wenn die Mitarbeitenden aller Ebenen überzeugt sind von dem, was sie da tun. Wie man Leute einbezieht und wertschätzt, zeigt der Autor am Beispiel des Baus eines Flughafenterminals. Die beschriebenen Maßnahmen waren sicher nicht billig, aber sie haben sich „hintenraus“ mehr als bezahlt gemacht.
Was ebenfalls im Vorfeld etwas teurer sein kann, aber enorm Zeit und Risiko spart: eine modulare Vorgehensweise. Man hat vorgefertigte, genormte Bauteile, die man vor Ort nur noch zusammenbauen muss. So wie Legosteine. Wenn es diese Möglichkeit gibt, sollte man sie nutzen. Es kommt nicht automatisch ein fader Einheitsbrei dabei heraus. Es gibt durchaus hochwertige modulare Lösungen.
Wie man realistisch kalkuliert
Gut … es gibt also verschiedene Möglichkeiten, Großprojekte erfolgreich zum Laufen zu bringen. Aber wie kann man sie seriös und realistisch kalkulieren? Wie schnell man von falschen Annahmen ausgeht, vor allem, wenn man so ein Projekt noch nie realisiert hat, zeigen sehr einleuchtende Beispiele. Das vom Journalisten, der sein erstes Buchprojekt in Angriff nimmt, ist mir besonders in Erinnerung geblieben.
Einen ersten Anhaltspunkt bekommt man, wenn man schaut, was ähnliche Projekte an Zeit und Geld gekostet haben. Für uns Privatleute hieße das: Wenn wir unsere Küche renovieren wollen, fragen wir am besten Freunde und Verwandte, die das schon mal gemacht haben (und hoffen auf eine ehrliche Antwort!). Für einen groben Richtwert reicht da eine Handvoll Daten.
Bei manchen Projekten wird es nicht einfach sein, an entsprechende Angaben zu kommen und man muss vielleicht gewagte Schlüsse ziehen. Aber besser ein vager Anhaltspunkt als gar keiner.
Zum Thema „Kalkulation“ gibt’s im Buch noch mehr Informationen und Tabellen, aber ich gestehe, dass ich mich damit nicht so intensiv beschäftigt habe. Für mich als Privatmensch reicht es, wenn ich weiß, was ein Vorhaben der Spur nach kostet und wie man dafür sorgt, dass das Projekt bei der Umsetzung nicht ausufert.
Interessant, unterhaltsam und aufschlussreich
Ich fand das Buch mit seinen anschaulichen Beispielen interessant, unterhaltsam und aufschlussreich. Dass es zu einem Drittel aus Anhang mit Quellenangaben besteht, belegt zwar, dass die Autoren gründlichst recherchiert haben, aber das hätte meinetwegen nicht so ausführlich sein müssen.
Die Autoren
Bent Flyvbjerg ist Professor an der Oxford University, an der University of Copenhagen, Ökonom und laut KMPG „the world’s leading megaproject expert“.
Dan Gardner ist Journalist und Sachbuchautor (Risk,Future Babble).
Die Übersetzerinnen
Anke Wagner-Wolff, geboren in Rendsburg und aufgewachsen in Berlin (West), studierte Biologie an der Universität Regensburg. Nach Streifzügen durch Psychologie, Philosophie und Ethnologie übersetzt sie seit vielen Jahren Sachbücher und Fachtexte sowie Belletristik aus dem Englischen und Französischen.
Gisela Fichtl studierte Germanistik, Philosophie und französische Literatur. Sie war in mehreren Verlagen tätig und arbeitet seit 1998 als freie Lektorin und Übersetzerin, Herausgeberin und Autorin sowie als Literaturredakteurin des Münchner Feuilleton.
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Englische Ausgabe:
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Rezensentin: Edith Nebel
E-Mail: EdithNebel@aol.com
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