Inge Zinßer: Sommerträume im kleinen Seelencafé. Roman

Inge Zinßer: Sommerträume im kleinen Seelencafé. Roman, Meßkirch 2025, Gmeiner Verlag, ISBN 978-3-8392-0820-5, Softcover, 233 Seiten, Format: 12,3 x 1,9 x 20,5 cm, Buch: EUR 14,00 (D), EUR 14,40 (A), Kindle: EUR 10,99.

Abb.: (c) Gmeiner Verlag

Nein, so hat sich Wilhelm Eichinger aus dem (fiktiven) schwäbischen Dorf Steiglingen seinen Ruhestand nicht vorgestellt! Er hat gedacht: Arbeitsstress vorbei, Kinder aus dem Haus –  prima, jetzt wird’s entspannt und er kann zusammen mit seiner Frau Fine all das unternehmen, wofür bislang die Zeit gefehlt hat. Ja, Pustekuchen! Oder, wie man hier im Schwäbischen sagt: „Pfeifendeckel“!

Im letzten Band (DAS KLEINE SEELENCAFE) hat Fine Eichinger zusammen mit ein paar Freundinnen in einem gemeindeeigenen Gebäude ehrenamtlich das „Seelencafé“ eröffnet, das nicht nur für die Besucherinnen und Besucher des nahegelegenen Friedhofs zu einer beliebten Anlaufstelle geworden ist. Die ganze Gemeinde profitiert davon. Sogar eine Ehe hat das Caféle schon gestiftet: Josef und Henny Häberle, beide verwitwet, haben sich dort kennengelernt und vor kurzem geheiratet.

Also, dass Fine dauernd in Sachen Café auf Achse ist, und er sogar das Kochen erlernen musste, damit hat sich Wilhelm Eichinger inzwischen so halbwegs arrangiert. Aber die Rückkehr erwachsener Kinder ins elterliche „Nest“ hätt’s jetzt nicht auch noch gebraucht! Doch was will man machen? Tochter Betty, 20, Jurastudentin, ist plötzlich und unerwartet ihre gesamte Lebensplanung um die Ohren geflogen. Ihr bleibt nichts anderes übrig, als ihre Zelte in Tübingen abzubrechen und vorübergehend im Elternhaus unterzuschlüpfen.

Auch dem Seelencafé stehen dramatische Veränderungen bevor: Das alte Gebäude, in dem es untergebracht ist, soll verkauft werden. Die Gemeinde ist knapp bei Kasse, und dass der Investor anstelle des renovierungsbedürftigen zweistöckigen Häuschens sechs Wohnungen hochziehen will, klingt verlockend.

Bürgermeister Kohl hätte gerne verhindert, dass diese Nachricht jetzt schon an die Öffentlichkeit dringt – er hat die hartnäckigen Seelencafé-Damen zu fürchten gelernt! 😉  – aber in einem Dorf bleibt eben nichts geheim.

Die Café-Betreiberinnen und ihre Familien machen Kassensturz, doch weder Eichingers, noch Barbara Lindemann, Luise Speidel oder die Schneiderin Elfi Vogt verfügen auch nur annähernd über die Mittel, um das Café kaufen zu können. Nicht einmal, wenn sie alle zusammenlegen! Jetzt käme ein Wunder recht! Doch damit kann nicht einmal die örtliche Geistlichkeit dienen.

Steiglingens neuer Vikar, David Müller, könnte gerade selbst ein kleines Wunder gebrauchen: Er hat sich in Betty Eichinger verguckt, die jetzt zeitweise im Seelencafé aushilft. Aber eine nichtreligiöse Juristin und ein Pfarrer – passt das überhaupt zusammen?

Auch Barbara „Babsi“ Lindemann käme ein Wunder sehr gelegen. Viel zu lange laboriert sie schon an den Folgen einer Handverletzung und fällt als Bedienung im Café aus. Dabei ist ihr, genau wie ihren Freundinnen, diese Arbeit doch so wichtig! Was uns wieder zu der Frage bringt, wie die Damen ihr Seelencafé vor dem Abriss bewahren können …

Atemberaubende Spannung und großes Drama sind in einem Wohlfühlroman wie diesem nicht zu erwarten. Es sind die Widrigkeiten und unerwarteten Wendungen des Lebens, denen sich die Hauptpersonen in der Geschichte stellen müssen. Darin haben sie aufgrund ihrer Lebenserfahrung zum Glück schon einige Übung. Wie die resoluten Frauen und die meist deutlich entspannteren Männer die großen und kleinen Probleme meistern, das will man als Leser:in schon wissen!

Nach und nach erfahren wir auch Erstaunliches aus der Vergangenheit der Café-Damen: Elfi Vogt, zum Beispiel, die wir nur als braves und fleißiges Schneiderlein kennen, hat einmal ein ganz anderes Leben geführt und Entscheidungen getroffen, die sie heute bereut. Und Hedwig Richter, die begnadete Kuchenbäckerin, ist natürlich nicht als die grantige alte Jungfer zur Welt gekommen, als die wir sie kennengelernt haben …

Die Geschichte spielt ganz bei mir in der Nähe, und ich komme ja auch vom Dorf. Deswegen fühle ich mich in Steiglingen fast wie zuhause und habe das Gefühl, die Romanfiguren wirklich zu kennen.

Mitleid hab‘ ich immer mit dem Bürgermeister, der der geballten Frauenpower seiner Gemeinde nicht viel entgegenzusetzen hat. Meine Lieblings-Nebenfigur ist jedoch der bescheidene Totengräber Hans Geiger. Der schwätzt nicht viel, aber wenn, dann bringt er die Sache mit schwäbischer Präzision auf den Punkt. Und wer der Katze, die sich das Seelencafé als neues Zuhause ausgesucht hat, ihren originellen Namen verpasst hat, hat einen Preis verdient!

Ich hätte nichts dagegen, weitere Geschichten aus Steiglingen zu lesen. Oder vielleicht auch welche über David Müller, wohin auch immer es ihn nach seinem Vikariat verschlägt.

Inge Zinßer, Jahrgang 1954, ist Buchhändlerin in Rente. Sie lebt im schwäbischen Hochdorf und hat bereits mehrere Regionalkrimis mit schwäbisch heiterer Note veröffentlicht, die eine wachsende Fangemeinde haben. Wenn man einmal nicht weiß, wo sie gerade ist, findet man sie mit Sicherheit in der nächsten Buchhandlung. Durch ihren Ehemann, der jahrzehntelang Gräber gebaggert hat, ist sie mit dem lokalen Friedhofswesen und seinen Eigenheiten bestens vertraut. Kein Wunder, dass ihr Roman „Das kleine Seelencafé“ auf einem schwäbischen Friedhof spielt. Im neuen Buch „Sommerträume im kleinen Seelencafé“ geht die Geschichte genauso warmherzig weiter, wie sie im ersten Band begonnen hat.

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Rezensentin: Edith Nebel
E-Mail: EdithNebel@aol.com 
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