Ein Nachruf
Indie war ein Neffe unseres roten Katers Yannick. Und ich habe ihn damals tatsächlich wegen seines Namens genommen. Ich mag den Schauspieler Harrison Ford und seine „Indiana-Jones“-Filme. Einem fluffigen Maine-Coon-Katerchen, das wie der große Kinoheld heißt, konnte ich einfach nicht widerstehen. So hat er ausgesehen, als er bei uns einzog:


Auch wenn Onkel Yannick zunächst nicht sehr begeistert davon war: Sein Neffe hat sich einfach an ihn herangeschmissen und ihn über den Haufen geschmust. Und, wie man sieht, war Indie damals „ganz Ohr“. 😉

Als Kind war Indie recht brav. Außer, dass er gerne mit der Telefonanlage gespielt hat, vor allem nachts, und dabei wildfremde Leute anrief, kann ich ihm nicht viel vorwerfen. Okay: Dass er den Anrufbeantworter abhörte und ich mitten in der Nacht unseren Hausverwalter im Nebenzimmer reden hörte, obwohl ich nachweislich allein daheim war, das trage ich ihm heute noch ein bisschen nach. Das war vielleicht ein Schreck!





Den Umzug 2017 in unser Haus in Denkendorf hat er ganz gut weggesteckt. Während „Onkel Yannick“ beleidigt ein Dreiviertel Jahr im Dachgeschoss hauste und nur nachts zum Essen runterkam, bis die Kälte ihn schließlich zu uns in die Wohnung trieb, war Indie hier gleich daheim. Fast so fix wie Kater Cooniebert, der sich in Rekordzeit eingewöhnt hatte.



Nachdem Indie dem Irrtum „Plastikbox = Katzenklo“ aufgesessen war und mir auf die frisch ausgedruckten Steuerunterlagen gepieselt hatte, bekamen die Katern erst einmal Büroverbot. Das habe ich erst aufgehoben, als ich Corona-bedingt im Homeoffice gearbeitet habe. Dass ich den ganzen Tag im Büro oben sitze und sie nicht zu mir hineindürfen, war ihnen nicht zu vermitteln. Sie standen zu dritt so lange plärrend vor der Tür, bis ich schließlich kapitulierte.
Indie wurde zu einem regelrechten Bürokater, der schon auf die regelmäßigen Videokonferenzen wartete, um dann auf den Schreibtisch zu springen und vor der Kamera hin- und her zu tanzen.

Die Kollegen fanden das lustig. Mit der Zeit hatte er da eine kleine Fangemeinde. Keinen Spaß verstand er, wenn eine Konferenz länger dauerte und sich dadurch die Mittagspause verzögerte. Da baute er sich auf und brüllte aus Leibeskräften: „Aröööharöööharöööh!“. – „Gib deiner Katz‘ was zu essen“, hat mein Chef mal gesagt und die Konferenz gnädiger Weise beendet. 😀
Ich habe den Verdacht, dass meine ehemaligen Kolleginnen und Kollegen den Videokonferenz-Kater mehr vermissen als mich. (Die Katern und ich sind ja Anfang des Jahres in Rente gegangen.)
Nachdem die „Onkels“, Yannick und Cooniebert, verstorben und Kater Joschi bei uns eingezogen war, hielt Indie sich für den Boss. Und zwar nicht nur auf unserem Grundstück, sondern in der halben Nachbarschaft.
Er machte es sich zur Aufgabe, aus voller Kehle zu brüllen, wenn jemand etwas vor die Haustür legte. Ob Zeitung, Post oder das „Gemeindeblättle“ – die Ablage wurde mit einem donnernden „Aröööharöööharöööh!“ kommentiert. Da musste niemand klingeln, ich wusste auch so Bescheid.
Und dieses Riesenvieh hatte eine Stimme wie eine Trompete. Aus Jux habe ich oft gesagt: „Indie, dich hört man bis kurz hinter Haifa!“ – Ganz so war’s nicht, aber zwei Häuser weiter hat man ihn durchaus noch brüllen gehört. Ich hatte immer Angst, dass uns mal ein Nachbar den Tierschutz ins Haus schickt. Oder dass die Feuerwehr kommt, weil sie Indies Geröhre für eine Sirene hält. Zum Glück ist aber nichts dergleichen passiert.

Indie hat nie eine realistische Vorstellung davon entwickelt, wo sein Verantwortungsbereich aufhörte. Die Nachbarin wickelte im angrenzenden Garten Tomaten in raschelndes Zeitungspapier – der Kater brüllte. Sie grillten – er schrie. Jemand stellte einen beleuchteten Weihnachtsbaum in seinen Garten – Indie geriet außer sich.
Und man macht sich keinen Begriff davon, was los war, als mein Cousin nebenan für eine Familienfeier ein Zelt in seinen Garten stellte. Indie war fassungslos. Ein Zelt! Hinterm Haus! Das gab es ja noch nie! Das muss da weg! Und was machen all die vielen Leute da? Haben die kein Zuhause? Und jetzt singen die auch noch! – Er sang dann ebenfalls, nur nicht so schön.
Indie, mein alter Grantscherm! Er mochte einfach keine Veränderungen. Abweichungen vom Gewohnten wurden gnadenlos bebrüllt. Ich habe immer „meine Facebook-Gemeinde“ mit den Indie-Eskapaden unterhalten. Jemand meinte mal, wenn der Kater ein Mensch wäre, würde er bestimmt Falschparker aufschreiben. Ja, doch, das konnte ich mir gut vorstellen!
Im letzten Jahr hat man schon gemerkt, dass Indie nicht mehr so kann, wie er will. Er, der immer so hoch hinaus wollte, wurde zum Parterre-Akrobaten. Er konnte nicht mehr so springen wie früher. Und er brauchte immer mehr Hilfe bei der Fellpflege. Wenn er das nur eingesehen und zugelassen hätte!

Mehr und mehr hat er sich in sein „Weihnachts-Tipi“ zurückgezogen. Das hatte ich mal als saisonalen Gag gekauft, durfte es aber nach den Festtagen nicht mehr abbauen. Er hat es sich nicht mehr wegnehmen lassen. Also blieb es ganzjährig stehen. Wenn ich es nur zum Saubermachen beiseite geräumt habe, hat er schon ein Theater veranstaltet, dass es eine wahre Pracht war!
Als es nun Anfang Juli so heiß war, hat Indie nichts mehr gefressen, lag nur noch apathisch in einer kühlen Ecke des Hauses herum und schnaufte zusehends schwerer. Ja, und in der Nacht zum 2. Juli hat er dann seinen letzten Atemzug getan.
In Kürze wird seine Urne bei denen der Onkels im Bücherregal stehen.
Ach, mein Indie! Er fehlt mir schon. Nicht nur, weil nun niemand mehr mit lautem „Aröööharöööharöööh!“ meldet, wenn die Post kommt, sondern auch so. Er war eine echte Katzenpersönlichkeit und immerhin fast 17 Jahre bei mir.

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Hier müsste man theoretisch Kater Indie brüllen hören können … wenn das so funktioniert, wie ich mir das vorstelle.
So schön geschrieben – das hat er sich verdient! 😻