Melanie Metzenthin: Wer ins Licht treten will, Roman, (Band 2), Luxembourg 2025, Tinte & Feder, ISBN 978-2-49671-663-4, Softcover, 308 Seiten, Format: 12,6 x 2,54 x 18,59 cm, Buch: EUR 11,99, Kindle: EUR 4,49, auch als Hörbuch lieferbar.

Hamburg 1959: Die Psychiaterin Doktor Renate Schwarz, 26, ist definitiv keine Person, mit der ich mich anlegen würde. Beim Hamburger Feuersturm zur Vollwaise geworden, hat sie schon früh gelernt, sich nicht die Butter vom Brot nehmen zu lassen. Um nie wieder so rat- und hilflos dazustehen wie damals als Kind, ist es ihr heute wichtig, sich in jeder Lebenslage gründlich vorzubereiten und immer einen Plan B zu haben.
Gut vernetzt und unerschrocken
Renate ist unerschrocken, gut vernetzt und stellt die richtigen Fragen. Wenn man weiß, warum jemand etwas tut, kann man im Bedarfsfall genau da ansetzen. Manchmal hilft Verständnis und Anerkennung, manchmal muss man aber auch die Samthandschuhe ausziehen. Wenn’s darauf ankommt, ist Renate Schwarz nicht zimperlich. Es bleibt ihr auch nichts anderes übrig. Zu der Zeit ist es beispielsweise mit der Gleichberechtigung noch nicht weit her. Das hat sie an ihrem Arbeitsplatz im Allgemeinen Krankenhaus Ochsenzoll schon schmerzhaft zu spüren bekommen (Band 1: WER AUS DEM SCHATTEN TRITT).
Inzwischen führt Renate die Frauenaufnahmestation als Stationsärztin und verzweifelt manchmal an der rechtlichen Lage ihrer Patientinnen. Da ist die engagierte Schneiderin Irmgard Köhler, die einem Umweltskandal auf der Spur ist (zu einer Zeit, in der das noch niemanden interessierte und es den Begriff vermutlich noch nicht mal gab!). Ihre Methode, auf die mutmaßliche Verfehlung einer Hamburger Fabrik aufmerksam zu machen, würde sie heute als Aktivistin und Influencerin in die Schlagzeilen bringen, doch 1959 ist ihre Aktion noch ein Freifahrtschein in die Psychiatrie. Dabei ist die Frau nicht im klinischen Sinne krank, sie ist nur impulsiv und radikal. In der Sache hat sie wahrscheinlich sogar recht.
Einmischung mit tragischen Folgen
Der Patientin Hedwig Zierrauh, die die eheliche Wohnung zerlegt hat, wäre mit einer Scheidung am besten geholfen. Mit Renates Hilfe erarbeitet sie einen Plan für die Zeit nach ihrer Entlassung. Doch dann grätscht Oberarzt Kleinschmidt mit seinen altmodischen Ansichten dazwischen, was fatale Folgen hat. Was jetzt? Den Oberarzt mit dem konfrontieren, was er angerichtet hat, oder retten, was zu retten ist? Hier zeigt sich einmal mehr, wie clever Renate vorgeht.
Private Probleme
Auch privat ist bei ihr gerade allerhand los. Ihr Verlobter, der Profifußballer Matthias Studt, steckt in einer Krise: Eine Knieverletzung droht seine Karriere vorzeitig zu beenden. Anders als seine Partnerin hat er aus den Schrecken des Krieges gelernt, dass das Leben unberechenbar ist und Planen sich nicht lohnt. Er lebt im Augenblick und hat sich noch nie Gedanken darüber gemacht, was er mit seinem Leben anfangen soll, wenn er nicht mehr Fußball spielen kann. Jetzt braucht er dringend ein neues Ziel, und Renate viel Geduld und Fingerspitzengefühl.
Auch Renates Onkel/Adoptivvater, der Hausarzt Dr. Heinrich Schwarz, hat Sorgen: Ein alter Freund ist ins Visier der Polizei geraten, und anscheinend ermittelt man nun auch gegen ihn. Es ist doch die Polizei, die ihn beschattet – oder? Zum Glück wimmelt es in Matthias Studts Verwandtschaft nur so vor Polizeibeamten, die hier Licht ins Dunkel bringen könnten.
Ein undankbares Biest
Geradezu putzig mutet da das Ereignis an, vor dem es der Großfamilie Studt derzeit graut: Besuch aus den USA hat sich angesagt. Matthias‘ Onkel Rudi kommt. Er ist ja in Ordnung, aber seine Gattin, die Schauspielerin Leonore „Goldie“ Gold, ist eine hochnäsige Zimtzicke, die sich seit 30 Jahren darin gefällt, ihre deutschen Angehörigen zu beleidigen. Das ist verwunderlich, weil Familie Studt während der Nazizeit große Opfer gebracht hat, um Rudi, Leonore und deren Eltern die Flucht in die USA zu ermöglichen. Dort sind die Neuankömmlinge sehr schnell sehr erfolgreich geworden, während die Familie daheim in Hamburg die Probleme ausbaden musste. Warum also dankt „Goldie“ ihnen das seit drei Jahrzehnten mit anhaltender Boshaftigkeit?
Renate könnte das egal sein. Ist ja nicht ihre Tante und sie reist ja auch bald wieder ab. Doch als sie Goldie kennenlernt springt bei ihr automatisch der Profi-Modus an und sie fragt nach dem Warum. Die Geschichte, die sie daraufhin zu hören bekommt, hat es in sich …
Zeitreise ins Wirtschaftswunder
Ich könnte nicht sagen, was hier der Haupthandlungsstrang ist. Ich brauche auch keinen. Ich reise einfach mit Renate 66 Jahre in der Zeit zurück, begleite sie durch ihren Alltag und sehe: Die Nazis haben sich nach Ende des Krieges keineswegs in Luft aufgelöst – es sitzen immer noch welche an den Schaltstellen der Macht. Die alten Seilschaften existieren noch und das Gedankengut sowieso.
Die Moralvorstellungen und Gesetze sind zum Teil anders als heute. Es gibt noch den Kuppelparagraphen. Renate hätte in Schwierigkeiten geraten können, als sie ihren Verlobten nach dessen Unfall bei sich zu Hause beherbergt und pflegt. Sogar ihr Onkel als Vermieter hat sich dadurch strafbar gemacht. Auch Homose*ualität war damals noch strafbar. Und der Umgang mit häuslicher Gewalt, Ehescheidung und den Rechten psychisch erkrankter Menschen erscheint uns aus heutiger Sicht höchst ungerecht. Ach, und Umweltschutz war zu Zeiten des Wirtschaftswunders noch gar kein Thema!
Gespannt und mitunter fassungslos erleben wir also mit, wie Renate Schwarz sich zäh und unbeirrt durch die Herausforderungen ihrer Zeit kämpft. Ja, heute sind wir in manchen Bereichen schon weiter. Es ist aber noch Luft nach oben.
Gespannt auf Band 3
Nicht alle Probleme, die in WER INS LICHT TRETEN WILL Thema sind, werden auch abschließend gelöst. Manches wird vermutlich in Band 3 der Reihe aufgegriffen werden. Wer Melanie Metzenthins HAFENSCHWESTER-Trilogie gelesen hat, kann sich auf manche Ereignisse im vorliegenden Band schneller einen Reim machen als Neueinsteiger, weil dort nämlich die Geschichte der Familie Studt erzählt worden ist. Man kann der Handlung jedoch auch ohne Vorkenntnisse folgen.
Ich lasse mir gerne (Zeit-)Geschichte anhand konkreter Schicksale vermitteln. So bleibt bei mir mehr Wissen hängen als durch die Vermittlung trockener Fakten. Und weil ich ein Herz für eigensinnige Frauen habe, die sich nichts gefallen lassen, werde ich gerne auch weiterhin mit Renate und ihrer Familie durch die Wirtschaftswunderjahre streifen. Schon allein, um zu sehen, ob das mit Matthias und ihr auch wirklich funktioniert. Wenn der eine Partner vorausschauende Planung für überlebenswichtig erachtet und der andere nur immer auf äußere Einflüsse reagiert, stelle ich mir das auf Dauer recht anstrengend vor. Wir werden sehen …
Die Autorin
Melanie Metzenthin lebt in Hamburg, wo sie als Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie arbeitet. Sie hat bereits zahlreiche Romane veröffentlicht, in denen psychische Erkrankungen oft eine wichtige Rolle spielen, darunter die beiden Bestseller »Im Lautlosen« und »Die Stimmlosen«. Für »Mehr als die Erinnerung«, den Auftakt zu ihrer »Gut Mohlenberg«-Reihe, wurde Melanie Metzenthin mit dem DELIA-Literaturpreis ausgezeichnet. Beim Schreiben greift die Autorin gern auf ihre berufliche Erfahrung zurück, um aus ihren fiktiven Charakteren glaubhafte Figuren vor einem realistischen Hintergrund zu machen.
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Rezensentin: Edith Nebel
E-Mail: EdithNebel@aol.com
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