Frühstück auf der Rolltreppe

Ja, Leute, geht’™s noch? Findet das komplette Privatleben neuerdings im öffentlichen Raum statt? Ja?

Ich hasse das.

In der Bahn ’“ mit der ich nun mal täglich zur Arbeit fahre ’“ wird man via Handy unfreiwilliger Ohrenzeuge von anderer Leute Familien- und Beziehungsproblemen. Gut … das mag ja gelegentlich noch unterhaltsam sein. Manchmal ist es direkt schade, wenn ein Tunnel kommt oder der Telefonierer aussteigt, ehe es wirklich ans Eingemachte geht.

Oft allerdings kommt man nicht drumherum, sich für den Menschen ein bisschen ’žfremdzuschämen’œ, der da in aller Öffentlichkeit seinen Beziehungsklamauk herumtrötet.

Im Zeitalter des Privatfernsehens scheint auch die Privatsphäre gänzlich abgekommen zu sein. Alles Persönliche ist öffentlich und darf auch öffentlich diskutiert werden, ob es den Leuten drumherum nun passt oder nicht.

Ob man es auch öffentlich kommentieren darf?

Vielleicht sollte man sich mal geschlossen zu Standig Ovations erheben, klatschen und rufen: ’žBravo, bravo, junge Frau, dem haben sie’™s aber gegeben!’œ

Oder die Lady am Ärmel zupfen und sagen: ’žMein Sitznachbar hier meint auch: Schmeißen Sie den Penner sofort raus!’œ

Vielleicht würde den Leuten dann klar, was sie da tun: Ihr Privatleben vor einer wildfremden Meute ausbreiten.

Zudem weiß man ja nie, wer hinter einem sitzt. Ich hörte mal notgedrungen ein Gespräch zweier mir unbekannter Damen mit an, die unter voller Namensnennung über einen gemeinsamen Kollegen herzogen: Den Mann meiner Cousine.

Da hat’™s mich schon gejuckt zu sagen: ’žVielen Dank für die Informationen, ich werd ihm das heute Abend ausrichten.’œ

Immer wieder nett: Wenn Geschäftsleute laut blökend ihre Firmeninterna am Handy verhackstücken. Für zufällig anwesende Branchenkollegen, die sich einen Reim auf das Gequatsche machen können, äußerst aufschlussreich, kann ich euch sagen.

Doch nicht nur das Gequassel nervt. Auch die Beschallung eines ganzen Zugwaggons mit ’žMusik’œ aus einem Handy. Abgesehen davon, dass die Mucke meist nur dem Krawallmacher selber gefällt: Der Sound, der aus so einer Quasselbox kommt ist LAUSIG!

Aber sagste was, wirste noch blöd angepöbelt. Es sei denn, du bist soooo ein Schrank von Kerl und der Handymusiker kann sich abfingern, dass von seiner Krawallbox nur noch eine Briefmarke übrig bleibt, wenn der erboste Beschwerdeführer mal kurz drauftritt.

Nächster Punkt: Öffentliche Körperpflege! Da wird toupiert und grundiert, lackiert und gemalt. Und wenn die Bahn plötzlich bremst, hat die Lady den Lidstrich am Hirn oben. Da warte ich schon seit Jahren drauf.

Auch eine arge Unsitte: Nägelfeilen im Zug. Krz-krz-krz-puuust, krz-krz-krz-puuust, krz-krz-krz-puuust, so lange, bis alle zehn Fingernägel perfekt geformt sind.

Hallo? Will ich den abgefeilten Staub von anderer Leute Fingernägel etwa auf meinen Klamotten haben? Eher nicht. Aber vermutlich muss man schon froh sein, wenn niemand die Socken auszieht und anfängt, sich im Zug die Zehennägel zu schneiden.

Ein weiterer Quell der Freude: Öffentliche Nahrungsaufnahme. Schmatz, schlürf, knurps, klapper … brösel und verschütt. Coffee to go ist eine Erfindung der Hölle. Im Bahnhofsbereich muss man ständig aufpassen, dass einem niemand sein Gesöff übers Gewand schüttet und dass man nicht auf verläpperten Kaffeepfützen ausrutscht.

Als ich heute Morgen drei junge Damen der Marke ’žbunt lackiert und auftoupiert’œ auf der Rolltreppe stehen sah, nicht nur Kaffeebecher balancierend sondern auch noch ein Tablett mit Schokoladenkuchen, von dem sie sich abwechselnd bedienten, dachte ich, so jetzt isses vollends passiert:

Frühstück auf der Rolltreppe!

Ich wage mir gar nicht auszumalen, was da noch alles auf uns zukommt …

  1. Hallo,
    hab echt gelacht – mir gehts genauso, vor allem das Beziehungsgequatsche der Sorte „bunt lackiert und auftoupiert“ puuuh!

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert