Paul Grote: Der Wein des KGB -“ Kriminalroman

Paul Grote: Der Wein des KGB ’“ Kriminalroman, München 2009, dtv Deutscher Taschenbuch Verlag, ISBN 978-3-423-21160-4, 380 Seiten, Format 12 x 19 x 2 cm, Euro 8,95 [D,] 9,20 [A], sFr 15,90

WeinKGB

’žWinzer, bleib bei denen Rebstöcken’œ, möchte man dem Helden des Romans am liebsten zurufen. Doch Martin Bongers, deutscher Ex-Ingenieur und Ex-Weinhändler, der seit fünf Jahren in Bordeaux ein kleines Weingut bewirtschaftet, ist in einer momentanen Geldverlegenheit und lässt sich deshalb auf ein Himmelfahrtskommando ein: Ein Repräsentant des französischen Investors SISA kann ihn dazu überreden, nach Rumänien zu reisen, sich dort als selbständiger Consultant auszugeben und zum Verkauf stehende Weingüter zu begutachten.

Die SISA sagt sich, vermutlich zu Recht, dass die Preisvorstellungen der Eigentümer gleich exorbitant steigen würden, wenn sie wüssten, dass sich eine finanzkräftige Organisation für ihr Anwesen interessiert. Von einem kleinen Strohmann wie Martin Bongers wird man keine derartigen Mondpreise verlangen. Das leuchtet zwar ein, aber ganz koscher ist die Aktion trotzdem nicht. Dazu kommt, dass der Wahlfranzose Bongers die Gegebenheiten in Rumänien nicht kennt, die Sprache nicht spricht, aber mit Politikern, Winzern und diversen Interessensvertretern verhandeln soll. Dass ihm ein Bekannter zum Abschied die Adresse seiner rumänischen Verwandten aufnötigt, für den Fall, dass ’ždu mal Hilfe brauchst’œ (S. 28), hält er trotzdem für übertrieben.

Das ganze Projekt schreit lauthals: ’žFINGER WEG!’œ, doch Martin Bongers denkt sich, ’šwird schon schief gehen’™, und macht sich auf den Weg.

Sein erster Kontakt im Lande, Sofia Rachiteanu vom Agrarministerium, versorgt ihn mit ein paar ernüchternden Informationen. Vielleicht hätte sie, die Tochter eines Dissidenten, sich etwas weniger kritisch äußern sollen. Denn EU hin oder her: ’žWir werden immer abgehört, sie haben die Leitungen nie gekappt. Wer hätte es tun sollen? Alles ging so weiter wie bisher. Die Kommunistische Partei wurde nie entmachtet, nur anders angemalt, statt Hammer und Sichel jetzt Shareholder Value und Mikrochip.’œ (S. 175/176.) So bringt es Sofias Bruder wenig später auf den Punkt.

Bei all der Geheimnistuerei und Bespitzelung kommt es zu einer folgenschweren Panne: Ein etwas zwielichtiger Wein-Experte, der sich als Elmar Harms vorstellt, hält Martin Bongers irrtümlich für einen Verbündeten und spielt ihm eine Liste mit potenziellen Ansprechpartnern zu ’“ und die Kostprobe eines sensationellen alten Rotweins. ’žZodiac’œ steht auf dem Flaschenetikett, und nun hat Martin Bongers Blut geleckt: Das Weingut, das den ’žZodiac’œ gekeltert hat, will er unbedingt finden und für seinen Auftraggeber sichern. Doch da haben Harms und seine Männer ihren Irrtum bereits erkannt …

Ahnungslos tritt Bongers seine Reise von Weingut zu Weingut an, verkostet, besichtigt, prüft, verhandelt, folgt dabei der Spur des ’žZodiac’œ ’“ und versteht bald die Welt nicht mehr: Eine seiner rumänischen Kontaktpersonen kommt unter mysteriösen Umständen ums Leben, eine zweite wird verhaftet. Sein Hotelzimmer wird durchwühlt und verwanzt, sein Dolmetscher bezieht von Unbekannten Prügel und ergreift entsetzt die Flucht.

Wer ist hinter Bongers her? Und warum? Was wollen seine Widersacher erreichen oder verhindern? Sind sie nur auf seine Unterlagen scharf? Für welche Information lohnt es sich, über Leichen zu gehen?

Wenn Bongers der Typ wäre, der sich eine Niederlage eingestehen kann, würde er den Krempel jetzt hinschmeißen und nach Hause fliegen. Doch Scheitern kommt für ihn nicht in Frage. Er will seinen Auftrag ausführen und der SISA das ’žZodiac’œ-Weingut präsentieren, koste es, was es wolle.

Gut, dass er wenigstens Marc Simion als Reisegefährten hat, den leutseligen Rentner aus den USA, der ihn eines Morgens beim Frühstück im Hotel angesprochen hat. Simion besitzt zwar ein gewisses Nervpotential, versteht aber viel von gutem Wein und trifft auch in brenzligen Situationen stets den richtigen Ton.

Auf seiner Suche nach der Herkunft des ’žZodiac’œ folgt Bongers dem Tipp eines Professors für Weinbau und Kellertechnik. Er besucht ein Weingut in Dealu Mare ’“ und kommt dort in Teufels Küche. Dass er da auftaucht, passt einem bestimmten Personenkreis nämlich ganz und gar nicht. Als dem ’žWinzer in geheimer Mission’œ der Grund dafür dämmert, wird ihm auch klar, dass die ganze Aktion von Anfang an mindestens drei Nummern zu groß für ihn war. Was ihm weniger klar ist: Wie er aus dieser Geschichte mit heiler Haut wieder rauskommt …

Aufregend und beklemmend sind die Ereignisse, in die der arglose Wahlfranzose hier hineinrutscht. Dabei bekommt er es mit Gegnern zu tun, die unsichtbar im Hintergrund bleiben, deren Beweggründe er nicht versteht und denen er in keinster Weise gewachsen ist. Ein unschuldig Verfolgter, fast wie in einem Hitchcock-Film. Politik mischt sich hier auf spannende Weise mit Geschichte, Wirtschaft, Weinkultur und einer handfesten Krimi-Handlung.

Man kommt durchaus ins Grübeln über Sinn und Unsinn mancher Entwicklungen der EU-Politik, wenn sich die Experten in dem Roman unverblümt über die Situation in ihrem Land äußern. Darüber, dass der Technologietransfer wesentlich schneller vonstatten geht als die Mentalitätsänderung, zum Beispiel. ’žIhr lasst uns keinen Moment in Ruhe, wir dürfen uns nicht entwickeln wie wir wollen. Alles geht so schnell, dass man keinen klaren Gedanken fassen kann, dass niemand überlegen kann, was er eigentlich will’œ, beschwert sich die BWL-Dozentin Miriam Vasilescu (S. 230). Und: ’žFrüher kamen die Wölfe aus dem Osten, heute kommen sie aus dem Westen.’œ (S. 227)

Bongers lernt schnell: ’žDie rumänische Eisenbahn zu modernisieren ’“ Martin konnte sich vorstellen, dass da enorme Geschäfte in Aussicht standen: Die Steuerzahler der EU bringen das nötige Geld auf, die Konzerne stecken es ein, die Politiker erhalten ihre Provision von den Lobbyisten und die Arbeiter den Mindestlohn.’œ (S. 264)

Die profunden Kenntnisse über den rumänischen Weinbau und dessen wirtschaftliche Verflechtungen hat sich der Autor während monatelanger Reisen im Land angeeignet. Und das gibt dem Kriminalroman einen Touch von ’žtrue crime’œ. Die wirklich üblen Schweinereien in dieser Geschichte hat sich der Autor nicht am Schreibtisch ausgedacht. Die hören auch nicht auf, nachdem man das Buch zugeklappt hat. Sie geschehen tagtäglich in der Realität und gehen munter weiter, weil niemand ein Patentrezept dagegen hat ’“ und weil es für viele von Interesse ist, dass alles genau so weiter läuft wie bisher.

Für das Wohlergehen des Romanhelden wäre es sicher besser gewesen, er hätte diese Geschäftsreise nach Rumänien nie angetreten. Dem Krimi-Leser wäre dadurch allerdings eine hochinteressante, ungewöhnliche und packende Geschichte entgangen.

Ach ja … und den ’žZodiac’œ, den legendären Rotwein, hinter dem Martin Bongers den ganzen Roman über her ist, den würde man ja nun zu gerne mal probieren …

Der Autor
Paul Grote, geboren 1946, berichtete fünfzehn Jahre lang als Reporter für Presse und Rundfunk aus Südamerika. Dort begegnete der professionellen Seite des Weinbaus. Seit 2003 lebt er wieder in Berlin und widmet sich dem Schreiben.

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