Dr. Mario Ludwig: Invasion. Wie fremde Tiere und Pflanzen …

Dr. Mario Ludwig: Invasion. Wie fremde Tiere und Pflanzen unsere Welt erobern, Stuttgart 2010. Eugen Ulmer KG, ISBN 978-3-8001-6947-4, 189 Seiten, zahlreiche farbige Abbildungen, Hardcover, Format: 13,0 x 21,0 x 2 cm, EUR 14,90.

Nanu? Was machen die denn hier? Chilenische Flamingos brüten in Nordrhein-Westfalen, südamerikanische Nandus leben in den Wäldern Mecklenburg-Vorpommerns, bunte Papageien nisten in deutschen Großstädten und Ochsenfrösche aus Südamerika quaken in den Rheinauen. Das sind nur einige von vielen Beispielen für Wildtiere mit Migrationshintergrund.

Wer alles in andere Länder eingewandert ist, wie das passieren konnte und welche Konsequenzen es für das Ökosystem des Gastlandes hat, das beschreibt hier sachkundig und kurzweilig der Biologe Dr. Mario Ludwig.

Wir erfahren Interessantes über asiatische Killermotten, gestreifte Blutsauger und über ’žStalins letzte Armee’œ ’“ die riesigen Königskrabben ’“ zu denen praktischerweise gleich ein Kochrezept mitgeliefert wird. Wir begegnen großen Schleimern, ätzenden Riesen, Mörderbienen und anderen Invasoren mehr. Mit dem Autor gehen wir der merkwürdigen Frage nach, ob der Waschbär nun ein Nazi ist oder nicht und warum Florida sich im Würgegriff der Riesenschlangen befindet.

Außerdem entdecken wir, was es mit der 5-Milliarden-Dollar-Muschel auf sich hat, wie Australien mit seiner hoppelnden Plage umgeht und mit welchem Trick die Briten versuchen, der Invasion der amerikanischen grauen Eichhörnchen Herr zu werden. Die Wollhandkrabben schickt man ja einfach an den Absender zurück …

Migrationen hat es in der Tier- Und Pflanzenwelt immer schon gegeben. Expansion ist nun mal ein Merkmal des Lebens. Doch durch immer schnellere Transportmittel und das versehentliche, fahrlässige oder gar vorsätzliche Eingreifen des Menschen legen die Einwanderer von heute größere Strecken zurück denn je und geraten auf diese Weise in fremde Ökosysteme, die auf ihren Zuzug überhaupt nicht eingerichtet sind.

Nur 10% aller eingewanderten Arten können sich wirklich dauerhaft in der neuen Heimat ansiedeln. Und von denen, die es schaffen, integrieren sich nicht alle problemlos. ’žJede achte immigrierte Art ist (…) eine sogenannte invasive Art. So werden in der Wissenschaft Neozoen und Neophyten bezeichnet, die, obwohl in ihrem Herkunftsgebiet meist völlig unauffällig, sich in ihrer neuen Heimat nicht nur aggressiv und invasionsartig ausbreiten, sondern mitunter auch äußerst unerwünschte Auswirkungen auf Mensch und Umwelt haben. Haben sich die Neobiota nämlich erst einmal etabliert, können sie in ihrer neuen Umgebung durchaus schwere ökologische Schäden anrichten, indem sie einheimische Arten verdrängen oder gar ganze Ökosysteme zu ihrem Nachteil verändern.’œ (Seite 16/17)

Diese Auswirkungen sind zum Teil erschreckend. Es müsste doch jedem Menschen einleuchten, dass es unabsehbare Folgen haben kann, wenn man Wildtiere in einer fremden Umgebung aussetzt, sei es als ’žBereicherung der einheimischen Fauna’œ, als Jagdwild oder als biologische Schädlingsbekämpfer. Trotzdem wurde und wird es immer wieder gemacht.

Oft genug hat man gerade bei der Schädlingsbekämpfung durch Neozoen den Teufel mit dem Beelzebub ausgetrieben. Die Australier werden nicht mehr mit der giftigen Aga-Kröte fertig, die man 1935 aus Venezuela geholt hat um den Zuckerrohrkäfer zu bekämpfen. Und das ist nicht der einzige tierische Zuwanderer, mit dem sie Probleme haben: Gegen ihre Kaninchenplage kämpfen sie ja schon seit über 150 Jahren ohne nachhaltige Erfolge zu erzielen.

In Europa haben wir eher Malheur mit Neophyten ’“ eingewanderten Pflanzen wie dem Riesenbärenklau aus dem Kaukasus, der bei Berührung zu schmerzhaften phototoxischen Reaktionen führen kann, oder mit der nordamerikanischen Beifuß-Ambrosie, dem Schrecken der Allergiker. Nicht zu vergessen die aus dem Indopazifik als Aquariumspflanze eingeführte ’žKilleralge’œ die mal jemand fahrlässig im Mittelmeer verklappt hat, wo sie jetzt stellenweise den Meeresboden überwuchert, anderen Meerespflanzen Sonnenlicht und Nährstoffe raubt und alles Leben erstickt. Überall, wo sich diese Alge breit macht, stirbt die gesamte Unterwasserwelt.

Wie gesagt: Expansion gehört zum Leben, man kann sie nicht verhindern. Jetzt pauschal ’žAusländer raus’œ zu rufen, wäre unangebracht und sicher naiv. Naiv ist es aber auch, ohne Kenntnis der möglichen Folgen Tiere und Pflanzen in einem fremden Ökosystem auszuwildern. Nicht alles ist so harmlos wie eine Handvoll bunter Vögel im Stadtpark. Und so ist die Geschichte der Neobiota zu einem Teil eine Geschichte der menschlichen Unvernunft und eines gewissen Größenwahns: ’žKommt, lasst uns mal schnell Mutter Natur austricksen!’œ ’“ Denkste! Die gute Frau hustet uns was.

Auch wenn man über das ’žSäugetier Mensch’œ ’“ den invasivsten und umweltschädlichsten Migranten von allen – hin und wieder kräftig den Kopf schütteln muss: Die kuriosen und brisanten Geschichten über die wanderlustigen Tier- und Pflanzenarten sind faszinierend und amüsant zu lesen.

Doch selbst ein gutes Buch könnte man noch verbessern: Ein Inhaltverzeichnis wäre nett. Nicht nur, weil’™s ein Lesevergnügen wäre, all die coolen und witzigen Kapitelüberschriften auf einen Blick zu sehen! Ohne Inhaltsverzeichnis muss man sich immer mit dem Register behelfen, wenn man ein konkretes Beispiel sucht. Das geht natürlich auch, ist aber nicht so komfortabel.

Heiko Werning schreibt in der Zeitschrift ZOON, Ausgabe 4/2010: ’žFundiert recherchiert, spannend und unterhaltsam geschrieben ist INVASION ein Glanzstück unter den Tiersachbüchern für ein breites Publikum.’œ Dieser Aussage kann ich mich nur anschließen.

Der Autor:
Dr. Mario Ludwig, Karlsruhe, studierte Biologie, Chemie und Geologie. Er ist Autor von 17 populärwissenschaftlichen Tier- und Naturbüchern und regelmäßig Gast in Radio und TV.

Rezensent: Edith Nebel
EdithNebel@aol.com
     
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