Ungenannter Autor: Schwarzwild – Schlaue Borstenviecher in unseren Wäldern

Ungenannter Autor: Schwarzwild – Schlaue Borstenviecher in unseren Wäldern, Melsungen 2011, Verlag Neumann-Neudamm, ISBN 978-3-7888-1408-3, Hardcover, 96 Seiten, zahlreiche großformatige Farbaufnahmen, Format: 22,5 x 31 x 0,9 cm, EUR 10,–.

Die besten Naturfotografen Europas haben die Fotos für diesen Bildband geliefert. So nah kommt man als Normalbürger den Wildschweinen sonst nie! Was auch gut so ist, denn die wild lebenden Vorfahren unserer Hausschweine sind nicht nur intelligent und anpassungsfähig, sondern auch ziemlich wehrhaft. Sie können recht unangenehm werden, wenn sie sich oder ihre Nachkommen bedroht sehen.

Mit Vorsicht zu genießen
Nicht umsonst klingen die Bezeichnungen der Jäger für die Eckzähne der Keiler so kriegerisch: Die Eckzähne im Unterkiefer nennt man in der Jägersprache „Gewehre“ oder „Hauer“, die im Oberkiefer „Haderer“. Dieses Ensemble bildet das „Gewaff“. Die Zähne schleifen sich gegenseitig, und die Keiler können damit Rivalen, anderen Tieren und dem Menschen schwere Verletzungen zufügen. Auch mit der Bache ist nicht zu spaßen. Ihre Eckzähne, die „Haken“, sind nicht ganz so ausgeprägt wie beim Keiler, aber auch sie schlägt mit Kampf mit dem „Wurf“ – der Schnauze. Und sie beißt!

Also halten wir uns in der freien Natur lieber fern von den Schwarzkitteln und sehen uns ihr Alltagsleben in diesem Bildband an.

Immer mehr Wildschweine
Ursprünglich waren die Wildschweine in den Wäldern Mittel-, Ost- und Westeuropas beheimatet. Bis in die 1970-er Jahre traf man sie in Deutschland eher selten an, und wenn, dann nur in großen Waldgebieten. Seither haben sie sich rasant vermehrt, was unter anderem am milden Klima liegen dürfte.

Sie verbreiten sich schon bis in den Alpenraum, wo es bisher noch nie Wildschweine gegeben hat. Und sie werden zu Kulturfolgern. Als Allesfressern schmecken ihnen nicht nur Insekten, Mäuse und Kleintiere, sondern auch das meiste von dem, was der Mensch für den eigenen Verzehr anbaut. Nicht nur das! Selbst der Inhalt unserer Komposthaufen mit lebendem und toten Inventar steht auf dem Speisezettel der Wildschweine.

Hier haben die Frauen das Sagen
Die geselligen und sozialen Tiere leben in einem Familienverband, der so genannten „Rotte“, Hier herrscht das Matriarchat: Es sind Mutterfamilien, bestehend aus Großmutter, Müttern und Töchtern mit ihrem jeweiligen Nachwuchs. Chefin einer Rotte ist jeweils die Bache mit der größten Lebenserfahrung – mit einer interessanten Einschränkung, die im Buch beschrieben wird.

Junge Keiler aus dem vorjährigen Wurf werden aus der Rotte vertrieben, leben dann vorübergehend in einer Art Junggesellenverband, der sich mit der Zeit auflöst. Erwachsene Keiler – so ab dem Alter von zwei Jahren – sind Einzelgänger und kommen nur zur Rauschzeit mit den Bachen zusammen. Bei der Gelegenheit kann es auch zu blutigen Kämpfen mit Rivalen kommen. Zimperlich sind sie dabei wahrlich nicht, aber es besteht nie die Absicht, den Gegner umzubringen.

Elternzeit auf Wildschweinart
Für die Frischlinge – die Jungen der Wildschweine – ist es am besten, im zeitigen Frühjahr zur Welt zu kommen, weil sie da die nahrungsreichen Monate vor sich haben. Erstaunlich, zu welchen Tricks die Natur greift, damit genau das eintritt! Die Keiler geraten dabei vorübergehend ganz schon unter Stress. Aber was tut man nicht alles für die Erhaltung der Art?

Vor der Geburt der Jungen verlässt die Bache ihre Rotte und schließt sich ihr erst wieder an, wenn die Kleinen stark und fit genug sind, mit dem Familienverband mitlaufen zu können. Sie muss sich dann aber ihren Platz in der Hierarchie ihres Clans wieder neu erkämpfen.

Der Band gewährt uns einen ausgiebigen Einblick in die Kinderstube der apart gestreiften Frischlinge.

Nahrungskonkurrenten
Auch wenn die schlauen Wildsauen und ihr putziger Nachwuchs ihre Freunde und Bewunderer haben: Je mehr es von ihnen gibt und je näher sie an unseren Lebensraum heranrücken, desto mehr werden Mensch und Schwarzwild zu Nahrungskonkurrenten. Hungrige Wildschweinrotten richten in der Landwirtschaft einigen Schaden an, wenn sie nachts Weideland durchwühlen oder Felder verwüsten. Das Buch liefert dafür einige eindrucksvolle Bildbeispiele.

Doch in diesem Fall sitzt der Mensch am längeren Hebel: Der Schwarzwildbestand wird durch Drückjagden im Herbst gezielt dezimiert. Jetzt kann man natürlich darüber streiten, wer hier in wessen Territorium vorgedrungen ist. Fakt ist jedoch: Ehe die Wildschweine zur Plage und zur Gefahr für die Menschen werden, werden sie bejagt.

In ihrem angestammten Lebensraum, dem Wald, würde man diese urtümlichen Wildtiere ja ganz gerne sehen. Nur allzu sehr auf die Pelle rücken sollten sie uns – in beiderseitigem Interesse – besser nicht!

Tolle Farbaufnahmen – Gestaltung noch optimierbar
Faszinierende Farbaufnahmen von Szenen, die man so in der Natur nie zu Gesicht bekäme und kurze, prägnante Texte bieten dem Laien einen „Wildschwein Grundkurs“. Auch wer keine Ahnung von Wild und Jagd hat, kann hinterher darüber Auskunft geben, warum das Wildschwein zum Hochwild zählt – und was genau das bedeutet. Wer auf mehr Detailwissen Wert legt, für den empfiehlt sich (ergänzend) ein Sachbuch über Schwarzwild.

Dass bei einem Bildband das Fotomaterial im Vordergrund steht und der Text nur eine Nebenrolle spielt, ist klar. Schade ist nur, dass man hier den Text manchmal auf einen so unruhigen Bilduntergrund stellt, dass man ihn mehr erraten muss als lesen kann (siehe Seiten 83, 85 und 86). Vielleicht hat man auch nur vergessen, den Hintergrund an diesen Stellen abzusoften. Die Bilder wirken ohne diese Manipulation natürlich besser, aber der Wildsau-Freund will ja nicht nur gucken, sondern auch ein bisschen etwas lernen.

Rezensent: Edith Nebel
EdithNebel@aol.com
     
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