Wahnsinn im Supermarkt

Zu den Jobs, die ich keinesfalls geschenkt haben möchte, gehört der eines Supermarktleiters. Trotz aller Erfahrung dürfte es unmöglich sein, vorauszusehen, was die Kunden gerne haben möchten. Wahrscheinlich wollen sie immer genau das kaufen, war gerade nicht da ist. Und damit die Leute nicht sagen: „Saftladen! Die haben ja nix. Da kaufe ich meinen Krempel lieber wo anders!“, wird jeder Quadratmillimeter Verkaufsfläche mit Ware vollgestellt. So stelle ich es mir zumindest vor. Denn so sieht es im Supermarkt bei uns am Ort aus.

Natürlich weiß ich auch, dass man heute froh sein muss, wenn man noch eine Einkaufsmöglichkeit vor Ort hat. Ich sehe oft genug Rentner aus dem Nachbardorf mit ihren „Hackenporsches“ über die Feldwege zu uns ins Städtchen pilgern, weil es bei ihnen gar keinen Lebensmittelladen mehr gibt. Trotzdem schwanke ich oft zwischen Schreikrampf und Blutrausch, wenn ich Lebensmittel einkaufen gehen muss.

Kein Parkplatz für den Hackenporsche

Für Kunden, die zu Fuß in den Supermarkt kommen, gibt es nirgends eine Abstellfläche für die Einkaufswägelchen, die „Hackenporsches“. Ich weiß das. Ich habe auch einen, weil ich meinen Wocheneinkauf nicht den Hügel hinaufschleppen will.

Jahrelang haben wir die Kärrelchen im Gang zur Tiefgarage geparkt. Immer an der Wand lang. Das war eines Tages offenbar nicht mehr erwünscht, denn das Personal hat angefangen, die Wägelchen dort wegzunehmen und irgendwo sonst im Laden abzustellen. Gesagt oder angeschrieben haben sie nie was. Sie haben nur die Kunden nach vollbrachtem Einkauf ihre Hackenporsches suchen lassen. Bis es auch der letzte kapiert hat …

Dann sind die Kunden dazu übergegangen, ihre Karren vor der Tür zum Zigarettenlager abzustellen, weil das die einzige warenfreie Fläche war. Auch doof. Aber man kann seinen Hackenporsche ja nicht draußen auf der Hauptstraße parken.

Der neue „Porsche-Parkplatz“ war offensichtlich auch nicht im Sinne der Firma. Das Personal hat nämlich den Zugang zu der freien Fläche mit Säcken von Blumenerde zugestapelt. Das beeindruckt die Kunden allerdings herzlich wenig. Sie schlüpfen um die Stapel herum. Und wenn einzelne Säcke dabei kaputtgehen und Erde sabbern, bleibt die Schweinerei halt liegen. Wochenlang. Sieht nicht toll aus, so direkt am Eingang.

Grillkohle und Weihnachtsdeko

Überhaupt, der Eingangsbereich! Da tummeln sich Sonderposten neben Grillkohle, Pflanzen und Weihnachtsschmuck. Könnte nicht wenigstens die Grillkohle ins Lager umziehen, wenn draußen Minustemperaturen herrschen? Muss die da bis zum nächsten Sommer herumstehen? Genau wie die drei Paletten mit den Terrakotta-Töpfen und Deko-Viechern. Das Zeug kauft doch kein Mensch mehr! Der Gatte behauptet ja immer, die Ware sei noch in DM ausgezeichnet. Ich bin am Samstag extra zwischen all dem Kram herumgekrochen und hab’s überprüft. Nein, das mit den DM stimmt nicht! Aber so vier bis fünf Jahre stehen die Terrakotta-Artikel locker dort rum, und sie werden und werden nicht weniger. Müsste das nicht schon längst alles abgeschrieben sein? Und könnte man’s dann nicht gnädigerweise wegschmeißen und etwas anderes dort deponieren?

Irgendwie kommt in dem Laden immer nur was dazu und niemals was weg!

Enge Gänge

Die Gänge sind derart vollgestellt, dass zwei Menschen nicht aneinander vorbeikommen, sobald nur einer von ihnen einen Einkaufswagen vor sich herschiebt. Wenn also ein älterer Kunde mit Rollator durch den Laden schlurft, jemand Ware auswählt oder einfach nur irgendwo steht und blöd schaut, gibt es einen Stau bis zurück zum Gemüse.

Ferngesteuerte Hampelmänner

Gut: Zum Stehen und blöd Schauen, zum Tratschen und Telefonieren ist ein Supermarkt nicht unbedingt der perfekte Ort. Sowas kommt aber vor. Das, was mein Vater „ferngesteuerte Hampelmänner“ nennt, sieht man ja immer öfter in den Läden: Unselbständige Herren, die mit dem Handy am Ohr vor einem Regal stehen und ihrer Frieda daheim die Zutatenlisten irgendwelcher Artikel vorlesen. „Soll ich jetzt die Packung von Maggi nehmen oder doch lieber die von Knorr? Was meinst du?“

Aaaaaaaah! Noch so eine Auswirkung des Handy-Zeitalters, die ich jetzt nicht unbedingt gebraucht hätte. Okay … dafür, dass diese Jodler auch noch im Weg herumstehen, kann der Supermarkt nun nichts. Ich wollte es nur als zusätzlichen Nervfaktor erwähnt haben. Ich habe übrigens noch nie eine ferngesteuerte Hampelfrau gesehen. Die gibt’s vielleicht im Baumarkt.

Ware auffüllen

Eine weitere organisatorische Herausforderung vor der ich nicht stehen möchte, lautet: „Wie machen wir das mit dem Auffüllen der Ware im laufenden Betrieb?“ Es darf ja an nichts fehlen.

Und so schieben neben den Kunden mit Einkaufswagen, Kinderwagen und Rollatoren noch Angestellte mit mannshohen Warengestellen auf Rädern durch den vollen Laden. Da man ja nicht aneinander vorbeikommt, fängt dann eine wilde Rangiererei an, die mich geradezu panisch macht: „Hilfe! Wo soll ich jetzt hin, um nicht den ganzen Betrieb aufzuhalten? Ich kann mich doch nicht in Luft auflösen!“

Eines der leeren fahrbaren Warengestelle parkt dann öfter mal vor dem Regal mit den Backwaren. Und dann hat man als Kunde die Wahl: rangiere ich das Trumm weg, oder klettere ich hinein, um an die Ware im Regal zu kommen? Ich klettere lieber rein.

Wie gesagt: Ich weiß auch nicht, wie man das alles besser machen könnte. Ich weiß nur, dass es mich stresst. Einkaufen ist für mich keinesfalls „eine der schönsten Nebensachen der Welt“, wie es neulich in einem Fernsehmagazin hieß. Für mich ist das ein notwendiges Übel.

Foto: © veit kern / http://www.pixelio.de

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