Der Grundstock für unsere phantastischen Ferien in diesem Sommer wurde bereits vor vier Jahren gelegt. Im Juni 1993 las ich unter der damaligen Rubrik „Hallo Freundin“ eine höchst interessante Anzeige: Tina, eine Deutsche, die auf den Bahamas lebt, suchte eine Brieffreundin. Eine Briefpartnerin auf einer Trauminsel, dachte ich, das hat was – und schrieb hin. Über 180 Zuschriften hat Tina auf diese Anzeige hin bekommen, hat sie mir später mal erzählt. Wir beide haben sehr schnell festgestellt, daß wir gut zusammenpassen. Wir können über denselben Unfug lachen und sind beide große Tierfreunde. Wir haben uns immer furchtbar viel zu erzählen – und sind verschieden genug, um einander nicht zu langweilen. Und weil auch unsere Männer unsere Briefe lesen (dürfen), hatten wir bald das Gefühl, wir seien alle miteinander alte Bekannte. „Kommt uns doch mal besuchen“, schrieb Tina irgendwann. Und so entschlossen wir uns, eine Reise auf die Bahamas zu buchen.
Da ja Fisch und Besuch bekanntlich nach drei Tagen stinken, wollen wir wie „ganz normale Touristen“ in einem Hotel wohnen. So können wir uns ganz nach Bedarf verabreden und fallen niemandem lästig.
Nach einer insgesamt 18stündigen Anreise, davon neuneinhalb Stunden Flug, kommen wir am Donnerstag, den 17. Juli 1997 im Hotel Nassau Beach (am Cable Beach/New Providence) an. Völlig gerädert, natürlich. Dazu kommen noch die 6 Stunden Zeitverschiebung. Jedenfalls reicht unsere Energie gerade noch zum Einchecken, zu einem kurzen Telefonat mit Tina und Mark – und dann fallen wir völlig erledigt ins Bett. Auch wenn’s hier eigentlich erst später Nachmittag ist. Für Samstag vormittag um halb elf haben wir uns verabredet. Tina und Mark wollen uns am Hotel abholen und uns die Gegend zeigen. „Bringt Badeklamotten mit. Und die Kameras nicht vergessen“, hatte Tina am Telefon gesagt. „Wenn ihr wieder abfliegt, werdet ihr die schönsten Plätzchen auf dieser Insel kennen!“ Ich gestehe, ein wenig nervös bin ich schon. Werden wir uns wirklich so gut verstehen wie in unseren Briefen? Und werden wir einander überhaupt erkennen? Nur anhand der Fotos? Gerhard meint, „Keine Sorge. Die beiden sind schließlich Bodybuilder. Die erkennt man doch schon an der Figur! Und sie erkennt dich bestimmt. Du bist hier weit und breit die einzige Rothaarige.“
Meine Bedenken sind in der Tat völlig unbegründet. Die Tür geht auf, und Tina und ich laufen sofort aufeinander zu. Sie sieht wirklich genauso aus wie auf dem letzten Foto, das sie mir geschickt hat. „Willkommen auf den Bahamas! Schön daß ihr da seid! Schau, ich habe mir extra ein T-Shirt mit der Aufschrift „Bodybuilding“ angezogen, damit du mich auch ganz bestimmt erkennst!“ Mark wartet draußen am Wagen – im Parkverbot.
Wir verstauen unsere Taschen im Kofferraum des schwarzen Camaro – und sind bei dieser schwülen Hitze unendlich dankbar dafür, daß dieses Auto mit einer Klimaanlage ausgestattet ist! Als erstes zeigen die beiden uns einen ihrer Lieblingsstrände. Auf Silver Cay, ganz in der Nähe des Crystal Cay Marine Parks. Es ist wirklich nicht zu fassen: Ein Traumstrand – und kein Mensch da. „Das glaubt uns zu Hause keiner!“, sage ich.
Tina und Mark kennen sich sehr gut in der Hotelszene auf der Insel aus. Sie haben selbst schon ein Hotel gemanagt. Und manches der noblen Resorts hier kennt Tina von ihrer Tätigkeit als Model her – wenn es mal als locations für ihre Modeaufnahmen gedient hat. So können wir im Laufe unserer Reise so manchen Blick „hinter die Kulissen“ werfen.
Die Tatsache, daß ich schreibe und Gerhard fotografiert, öffnet auch so manche Tür. Wären wir so schlau gewesen, unsere Visitenkarten mit in den Urlaub zu nehmen, hätten wir vermutlich noch viel mehr gesehen! Unsere beiden Freunde führen uns durchs British Colonial Hotel in Nassau. Der altmodische, etwas plüschige Charme gefällt mir. Schade, daß es von dieser Sorte Hotel nicht mehr viele gibt! Vom Park des British Colonial hat man einen tollen Blick auf die Prince George Wharf. Dort legen die großen Kreuzfahrtschiffe an. Wir zwei Landratten kommen mächtig ins Staunen. Für uns ist jedes Schiff wie eine schwimmende Stadt.
„Wohnst du hier im Hotel?“ will ein Tauchlehrer von unserer attraktiven Begleiterin Tina wissen. Sie lacht und ruft zurück „Nein! Wir leben hier auf der Insel!“ – „Tatsächlich? Wo denn?“ – „Coral Harbor!“ Das passiert uns mit den beiden auf Schritt und Tritt. Die Männer schauen Tina nach und die Mädels sind hin und weg von ihrem Mann. „Hey, sexy!“ kreischen ihm welche nach und fallen vor Begeisterung fast aus dem Auto. Er grinst und nimmt’s mit Gelassenheit. Überall wird gegrüßt, gehupt und gewinkt. Und oft genug heißt es: „Ach, euch zwei kennen wir doch! Vom Bodybuilding. Ihr habt doch diesen und jenen Preis gewonnen.“ oder „Ihr seid doch Models! Ich hab euch schon mal in einer Show gesehen!“ Wir staunen. Die beiden sind ja regelrecht prominent! „Ach was! Hier kennt nur jeder jeden“, untertreibt Tina. „Es ist ein bißchen so wie auf dem Dorf. Bei uns ist sogar mal eine Postkarte angekommen, die nur adressiert war an Tina Sterling, Bahamas!“.
Unsere Freunde haben noch einen Geheimtip für uns, der vermutlich in den wenigsten Reisführern steht: Wir steigen dem Nassauer Postamt aufs Dach und genießen eine phantastische Aus-sicht über die Insel! Als nächstes geht es über die Brücke nach Paradise Island. 50 cents Zoll kostet das! Unser Ziel ist das Hotel Atlantis. „Kann man da denn einfach so reinlatschen?“ will ich wissen. „Klar. Wir sind hier nicht in Deutschland! Und außerdem kennen wir den Manager. Er ist ein Kunde von Mark.“ Als personal trainer weiht Mark seine Klienten in Geheimnisse des Bodybuilding ein. Er gibt Einzelunterricht. Wir wandern durch ein sagenhaftes Kitschparadies und werfen zwischendrin kurz mal einen Blick auf die Bühne im show room. Dort finden gerade die Proben für die Wahl der Miss Commonwealth Bahamas statt. „Eine der Kandidatinnen kennen wir. Die ist auch Model in der Agentur von Pepper Johnson!“
Gerhard und ich kommen uns in dieser Hotelanlage vor wie in Disneyland. Oder auf dem Set eines Hollywood-Films. So stellen sich die Hotelarchitekten also Atlantis vor! Künstliche Seen und Wasserfälle, Wachtürme, eine Hängebrücke … Und das Restaurant ist ein „Tempel“ mit Säulen, farbigen Deckengemälden und einer dezent grauenvollen Muschel- und-Seeschlangen-Dekoration auf dem Dach. Wir füttern die riesigen Wasserschildkröten im Bassin mit Blättern der Seetraube. Es dauert eine Weile, bis die Viecher kapieren, aber dann verschwinden die Blätter mit wenigen Bissen im Maul.
Der absolute Gipfel dieser Anlage ist ein gigantisches Aquarium, unter dem man durchgehen kann! Ohne Witz! Die Haie und die kleinen Fische schwimmen über uns hinweg! Was es nicht alles gibt! Würden wir jetzt 80 Dollar pro Person zahlen, könnten wir den ganzen Tag hier bleiben und auch die Pools benutzen. Gerhard und ich schauen uns an. Nein, das muß dann doch nicht sein. Es ist hier phantastisch zum Anschauen, Bewundern und auch ein bißchen zum Gruseln, aber bleiben oder gar wohnen wollten wir hier nicht. Überall geht es zu wie auf dem Jahrmarkt. Musik und Geschrei, daß einem die Ohren abfallen. „Wer, zur Hölle, kann sich einen Urlaub hier überhaupt leisten?“ frage ich. „Amerikaner“, meinen unsere Freunde. „Für die ist der Flug ja nicht so teuer.“
Am Strand von Pirate’s Cove erholen wir uns vom Sightseeing. Tina und Mark gehen schnorcheln. Mich bringt ja nichts und niemand dazu, mit dem Kopf unter Wasser zu gehen. Und Gerhard kann ohne Brille fast nichts sehen. Damit hat sich das Schnorcheln für uns erledigt. Wir füttern statt dessen Fische mit Keksen. Die fressen uns buchstäblich aus der Hand! Ein besonders gieriges Exemplar beißt mich sogar in den Finger. „Sergeant-Major-Fische“ nennt Mark sie, wegen der vielen Streifen. Diese zutraulichen Fische sind ja wirklich unglaublich! „Hey“, rufe ich an den Strand, „das ist das erste Mal, daß mir ein Sergeant-Major aus der Hand frißt – und dabei hatten wir die Army Base daheim in Spuckweite!“
Bei unserem nächsten Treffen am Sonntag regnet es. Wir gehen in den Ardastra-Zoo. Am Eingang sehen wir, daß wir noch viel lernen müssen: Das Couponing, beispielsweise. Tina war so schlau, die Lokalzeitung nach Coupons zu durchforsten. Den Eintritt kriegen wir zwar nicht billiger, aber immerhin gibt’s für jeden ein Getränk gratis! Wir stellen sehr schnell fest: Hier kommt man an die Tiere viel näher ran als in den heimischen Zoos. Tina, die sich vor kei-nem Tier fürchtet, krault einen Ozelot. Der läßt sich das gerne gefallen. Auf einmal schnappt er nach ihrem Regenschirm und hält hartnäckig die Trageschlaufe im Maul. Als sie ihm das Bändchen wieder abjagen will, stemmt er sich mit voller Kraft gegen die Umzäunung seines Geheges und knurrt, als wäre er mindestens ein Löwe. Es bleibt Tina nichts anderes übrig, als ihm den Regenschirm zu überlassen – und ihn auf dem Rückweg wieder abzuholen.
Wir sehen Papageien und Jaguare, Warane und Krokodile, Pfauen und Affen. Einem Kapuzineräffchen gibt Mark ein Stück bagel. Der Affe nimmt es artig in die Hand und schnuppert dran. ‚Was – nur ein trockenes Brötchen?“ scheint er zu denken, und weicht das Gebäck erst mal gründlich in seinem Trinkwasser ein, bevor er davon abbeißt. Attraktion des Tierparks ist eine Flamingoshow. Die Tiere „exerzieren“ wie auf einem Kasernenhof. Linksrum und „halt“ und rechtsrum rennen sie auf Kommando ihres Trainers durch die Arena. Zwei Jahre dauert es, bis die Vögel das beherrschen, erklärt uns der Trainer. „Denn, wissen Sie, Flamingos sind nicht gerade Raketenwissenschaftler“.
Dann tritt der Trainer mit einer Schlange vor das Publikum. Wer sie denn mal streicheln möchte, fragt er. „Hier, ich!“ ruft Tina. Uns wundert so langsam nichts mehr. „Ich war schon so oft hier, ich kenne alle Tiere persönlich“, lacht Tina – und legt sich die Schlange elegant um den Hals!
Wenn man schon auf New Providence ist, kommt man an zwei der wichtigsten Sehenswürdigkeiten nicht vorbei: Fort Fincastle und The Queen’s Staircase. Diese steinerne Treppe mit ihren 65 Stufen wurde im 18 Jahrhundert in mühevoller Kleinarbeit von Sklaven angelegt. Die Treppe ermöglichte eine schnelle Flucht vom Fort in die Stadt – wurde dazu aber nie benötigt. (Von den Forts auf der Insel wurde auch nie ein Schuß abgegeben.) 100 Jahre nach ihrem Bau erhielt die Treppe zu Ehren der Königin Victoria ihren Namen. Das erzählen uns zwei einheimische Tourguides, die vom Tourismus-Ministerium eingestellt wurden, aber für ein Trinkgeld immer dankbar sind.
Es erweist sich übrigens als sehr clever, an einem Sonntag herzukommen. Da ist kaum etwas los. An den Werktagen, wenn alles voller Souvenirhändler ist, kann man hier vor lauter Leuten kaum treten. Über die Brücke gehen wir dann hinüber zum Paradise Island. Dort haben unsere Freunde wieder einen besonderen Insider-Trick auf Lager: Wir marschieren einfach ganz frech durch das Hurricane Hole Hotel durch – und schon stehen wir mitten im Yachthafen. Da gibt’s Boote aller Rassen und Klassen. Und überall wird mit Feuereifer der Putzlappen geschwungen. Sieht aus, als sei dieses Freizeitvergnügen der Reichen und Einflußreichen ziemlich arbeitsintensiv. Mehr putzen als Nutzen? Wäre nix für uns! Wo wir doch schon unsere schwäbische Kehrwoche hinlänglich hassen! „Die Putzerei ist ja doof. Aber fahren würde ich mit so einem Boot schon mal ganz gern!“, sage ich leichtsinnigerweise. Da ahnen wir ja noch nicht, wie weit die Kontakte der Sterlings wirklich reichen! „Mal sehen“, meinen sie. „Aber jetzt müssen wir euch unbedingt noch was Historisches zeigen!“
Und wir fahren weiter zum Versailles Garden und dem French Cloister. Das französische Kloster ist in dieser Umgebung wirklich ein verblüffender Anblick. Es wurde im 13. Jahrhundert von Augustinermönchen in der Nähe von Lourdes erbaut. Dort hat man es Stein für Stein abgetragen, im Jahre 1962 über den Ozean verschifft und hier auf dem Hügel oberhalb der Versailles Garden wieder aufgebaut. In den Versailles Gardens selber stehen Büsten und Figurengruppen unterschiedlichster Stilrichtung und Qualität. „Das French Cloister wird gerne als Hintergrund für Hochzeitsfotos genommen“, erklärt Tina, als wir auf der Treppe im Schatten sitzen, Cola trinken und Marks geliebten Sonntagskuchen verspeisen. „Ihr wißt doch: Die Organisation People to People arrangiert komplette Hochzeiten!“
Ja, diese Materie ist uns nicht ganz fremd. Wir hatten uns selber erkundigt. Doch der angebotene Hochzeitsklamauk ist viel zu teuer, zu umständlich und zu aufwendig für unseren Geschmack. Also: forget it! Jetzt sind wir 20 Jahre lang ohne Trauschein ausgekommen, da wird’s auch weiterhin so gehen. „Ach schaut mal – der Pavillon da unten ist noch für ein Hochzeitsfoto dekoriert! Schnell, wir machen ein Foto von euch!“ Und so kommen wir zu diesem gnadenlos bescheuerten Bild: Gerhard und ich verschwitzt, ungekämmt und in Räuberzivil im romantisch dekorierten Hochzeitspavillon!
Am Abend, als wir im Cafe Johnny Canoe sitzen, stellen wir wieder einmal erfreut fest, daß man hier wirklich gerne und gut Musik macht. Schon beim Frühstück läuft ein flotter Lokalsender, der sich rühmt, The Hottest Station in the Nation zu sein. Und, die drei Jungs, die hier im Johnny Canoe live-Musik machen, die sind auch nicht schlecht. Wenn ihre vorsintflutliche Anlage sie gerade mal nicht im Stich läßt … Auf einmal klettert eine dunkelhäutige Dame von ihrem Barhocker, tuschelt mit den Musikern und greift sich das Mikrophon. Sie schmettert für eine Freundin ein „Happy Birthday, dear Goldie“ ins Publikum – mit einer so göttlichen Soulstimme, daß es uns eiskalt den Rücken runterläuft! Hatte ich zunächst befürchtet, hier zwei Wochen lang ausschließlich von geschmacksneutralem amerikanischem Fast Food und bahamischem Sea Food leben zu müssen, so werde
Bei unserem nächsten Treffen am Dienstag klappern wir die Westküste ab. Tina und Mark zeigen uns, wo ihre Auswanderergeschichte begann. Vor neun Jahren verbrachten sie ihre Flitterwochen am Cable Beach. Und waren sich schon nach wenigen Tagen darüber im klaren, daß sie künftig hier auf den Bahamas leben wollten. Vier Jahre sollte es noch dauern, bis sie alles geregelt hatten und mit Sack und Pack am Cable Beach eintrafen. Ihr erster Job war es, das Flughafenhotel Mirage zu managen. Da Tinas Familie zu Hause ein Hotel gehabt hatte, war das weiter kein Problem. Die beiden begannen, ein Haus zu bauen. Und dann bekam das Hotel einen neuen Besitzer – und der machte alsbald pleite. Aus der Traum vom Hoteljob und eigenem Haus. Beide Gebäude sind heute Ruinen, die einfach so vor sich hingammeln. Eigentlich ein Jammer!
Nach einem Abstecher zum Delaporte Point – einer traumhaften Wohngegend, für die uns allen das nötige Kleingeld fehlt – starten wir zu einer Besichtigungstour durch einige der interessantesten Hotels der Insel. Dank Marks Beziehungen gelingt es uns überall, eine kurze Führung durch die Anlage zu bekommen. Eine der luxuriösesten Anlagen ist zweifellos das mehrfach ausgezeichnete Sandals. Ein Hotel nur für Paare. Und natürlich besonders interessant für Hochzeiten und/oder Flitterwochen. Das Hotel bietet den sogenannten Wedding Moon-Service an. Sie arrangieren dort komplette Hochzeiten. Von der einfachen Zeremonie bis hin zum spektakulären Ereignis. Sie haben sogar eine eigene „Hochzeitsberaterin“.
Klingt super! Die Preise sind natürlich auch super. Da geistern auf einmal Summen von 600,- Dollar pro Nacht durch den Raum. Wahnsinn! Alles im Sandals wirkt überaus professionell durchgestylt und -organisiert. Da wird sicher nichts dem Zufall überlassen. Wir sind beeindruckt. Ich bin völlig hingerissen von dem Restaurant Baccarat. Niemals hätte ich ein solches Jugendstil-Design auf den Bahamas erwartet! Aber wahrscheinlich würden wir im „Ernstfall“ doch eher meist im Cricketers, sitzen dem gemütlich-düsteren englischen Pub des Hotels. Locker, bunt und fröhlich wirkt dagegen der Compass Point Beach Club mit seinen bonbonfarbenen Holzhäuschen. Auch das war ein Geheimtip von Tina, die hier einmal als Statistin für einen Spielfilm gearbeitet hat. In diese knallige karibische Farbenpracht habe ich mich auf der Stelle verliebt. Schade nur, daß die herrlich romantischen Baumhäuschen keine Klimaanlage haben!
Hinter dem South Ocean Beach Resort, wo die verschiedenen Häuser Blumennamen haben, gehen wir an den Strand. Hier hat das Meer sogar ein paar Wellen! Oben im Norden ist das Wasser meist spiegelglatt.
Wenn zwei Freundinnen zusammen unterwegs sind, bleibt natürlich auch der Einkaufsbummel nicht aus. In der Baystreet, Nassaus berühmter Einkaufsstraße, stürmen wir die Schmuckläden. Und die gibt’s da reichlich! Zusammen mit Tina – die beim Vater in der Goldschmiedewerkstatt aufgewachsen ist – kann ich so richtig meinem Schmucktick frönen. Ein Armband aus lauter goldenen Katzen ist meine Beute. Sowas habe ich schon seit Jahren gesucht!
Da wir gerade in der Baystreet sind, schauen auch kurz in der Model-Agentur LOOK vorbei, die Tinas „Ersatzmami“ Pepper Johnson gehört. Ungeschminkt und ihn ihren „Alltagsklamot-ten“ machen dir Mädchen keinen allzu glamourösen Eindruck auf mich. Aber als ich mir dann ihre Fotos ansehe, ist die Wirkung schon eine ganz andere. Überrascht bin ich von dem make-up-Raum. „Schmieren da etwa alle Kolleginnen im selben Make-up herum?“ frage ich entsetzt. „Na ja“, meint Tina, „ich bringe mir zwar immer mein eigenes Zeug mit, aber dann heißt’s: ‚Ach, kannst du mir mal dies oder das leihen?‘ Und dann benutzt man doch wieder alles gemeinsam.“ – „Igitt!“
Durch den Strawmarket hasten wir im Eiltempo. Hier werden die Strohtaschen und -Hüte verkauft, die auf den Family Islands hergestellt werden. (Manches wird allerdings auch aus Kostengründen aus Taiwan importiert …) Außerdem gibt’s natürlich T-Shirts, Schmuck und Kitsch aller Art in Hülle und Fülle. Ein bißchen zu viel Rummel für unseren Geschmack! Ich mag auch nicht ständig angesprochen werden. Klar, die Leute wollen Geld verdienen. Aber mich schlägt diese Taktik eher in die Flucht.
Zurück an unserem Hotelstrand riskieren wir endlich die lange angepeilte Jet-Ski-Fahrt. Bei uns in Deutschland braucht man für so ein „Wassermoped“ einen Führerschein. Hier darf jeder fahren, der will. (Hier kümmert sowieso niemanden nichts!) Sehr viel anders als auf unserem Motorrad daheim kann das hier ja nicht sein, denke ich, und steige fröhlich hinten auf. Ja, Pustekuchen! Nach wenigen Metern ist alles klatschnaß, und ich rutsche auf dem Sozius herum wie auf Schmierseife. Nicht ich verlagere mein Gewicht, sondern mein Gewicht verlagert sich ganz automatisch. Und ich kann nichts dagegen tun. Pech für den Fahrer, weil mich das zu einer völlig unberechenbaren Last macht. „Das nächste Mal fahre ich allein!“ knurrt Gerhard prompt. Oh ja – von mir aus gern!
Der Donnerstag steht wieder ganz im Zeichen der Tiernarren. Wir besuchen den Crystal Cay Marine Park – dessen 30 m hohen Beobachtungsturm wir von unserem Hotel-Balkon aus sehen können. Hier gibt’s Seesterne, Muscheln und Seegurken zum Anfassen. Carmen, eine der Angestellten, nimmt sogar einen der kleinen Nurse-Sharks aus dem Becken, damit wir feststellen können, wie sich seine Haut anfühlt. Wir Schmirgelpapier! Schnell kommt der kleine Hai wieder ins Becken zurück, damit er keinen Schaden nimmt. Durch die Glasfenster des Aquariums sehen wir, wie ein Taucher die Rochen, Haie und sonstigen Meeresbewohner füttert. Schon komisch: Da schwebt der Taucher im Wasser, Auge in Auge mit einem glotzäuigen Riesenfisch, der einfach nicht glauben kann, daß der Behälter nun leer und die Mahlzeit beendet ist!
„Gleich kommt eine besondere Attraktion“, verkündet Tina. „Die Fütterung der Rochen! Mark und ich hatten mal eine Jahreskarte. Da waren wir so oft es ging da, um die Rochen zu füttern!“ – „Ja wie? Füttern wir die etwa selber?“ – „Na klar! Die Rochen kommen am Beckenrand hoch. Dann nimmst du so einen glitschigen Tintenfisch, drückst die Nase von dem Rochen ein bißchen vom Beckenrand weg, und dann gibst du ihm den Fisch. Unterhalb von seiner Nase hat er die Mundöffnung. Der Fisch muß immer zwischen Rochen und Wand ‚eingeklemmt‘ sein, damit er ihn auch kriegt.“ Als wir an das Rochen-Becken kommen, scheinen die Tiere schon zu wissen, daß nun die Fütterungszeit naht. Sie flattern aufgeregt am Beckenrand entlang und strecken dabei die Flossen aus dem Wasser, daß es nur so spritzt.
Wie sich so ein Rochen wohl anfühlte? Ich greife ins Becken und berühre vorsichtig eine Flosse. „Huch – das ist ja wie nasses Fensterleder!“ Schon kommt die Tierpflegerin mit einem Eimer voller Squids. Ein bißchen Überwindung kostet es mich schon, die schlüpfrigen Tintenfische anzufassen. Aber die Fütterung der „Stingrays“ – die ich bislang allenfalls aus dem Fernsehen gekannt habe – macht wirklich tierischen Spaß. Danach sind wir klatschnaß und stinken mörderisch nach Fisch. Und noch eine ganze Weile nach der Fütterung kommen die Rochen an den Beckenrand und schauen nach, ob’s nicht doch noch einen Nachschlag gibt.
Eine deutschsprachige Stadtrundfahrt durch Nassau, die wir gleich zu Anfang bei unserer Reiseleitung gebucht haben, bringt Gerhard und mir nichts wesentlich Neues. Das meiste haben uns unsere Freunde schon gezeigt. Und dank Marks phänomenalem Gedächtnis für Zahlen und Fakten haben wir auch einen Großteil der Informationen bereits bekommen. Bemerkenswert finde ich die Aussage der Fremdenführerin, daß die Bahamas „ein sehr emanzipiertes Land“ seien. Will man einen Kredit, meint sie, schickt man am besten die Frau zur Bank. Da sind die Chancen größer. „Wirklich gute Geschäfte oder Hotels hier werden von Frauen geführt“, erklärt sie uns. Na, das hört frau doch gern!
Bei einem Bummel über den Fischmarkt sehen wir, wie die berühmten bahamischen Conch-Muscheln gleich am Strand zu leckerem Salat verarbeitet werden. Doch Mark hat uns gewarnt: „Lieber nicht essen! Du weißt nie, wie sauber das Wasser ist, mit dem sie die Muscheln spülen. Oder wie lang die Viecher schon tot am Marktstand liegen!“ Und er zählt uns ein halbes Dutzend seiner Bekannten auf, die nach Genuß eines solchen Salats vom Fischmarkt an einer Lebensmittelvergiftung erkrankt sind.
Aus Briefen und von Fotos wußten wir, daß Tina und Mark eine zeitlang im örtlichen Tierheim, der Bahamas Humane Society ausgeholfen hatten. Tiere füttern und Gehege sauber-machen. Sie haben immer noch gute Kontakte zu den Mitarbeitern im Heim, und können wir am Freitag nachmittag mal einen Blick ins Katzenhaus werfen, obwohl Besucher eigentlich nur samstags Zugang haben. „Damit ihr euch wieder mal richtig anmaunzen lassen könnt“, meint Mark. „Ihr vermißt doch sicher eure Katzen daheim!“. Wir schließen die Tür des Katzenhauses hinter uns und dürfen die Tiere sogar für einen Moment aus ihren „Käfigen“ lassen, sie streicheln, auf den Arm nehmen und mit ihren spielen. Sie genießen die Aufmerksamkeit sichtlich und wollen mit dem Schnurren gar nicht mehr aufhören. Am liebsten würden wir gleich welche mit nach Hause nehmen!
Das Tierheim ist zwar einfach ausgestattet, aber den Tieren scheint es gut zu gehen. Das Heim nimmt nicht nur Notfälle, sondern auch Pflegetiere auf, und es hat eine eigene Tierklinik. Man bemüht sich, die Leute dazu zu bewegen, ihre Hunde und Katzen kastrieren zu lassen. Das ist ja auch sinnvoll. Verwilderte Katzen, wie in vielen südeuropäischen Ländern, haben wir zwar nirgends gesehen, aber streunende Hunde gibt es jede Menge!
Darüber, was sie am Sonntag mit uns vorhaben, schweigen sich unsere Freunde beharrlich aus. „Eine Überraschung“ heißt es immer nur geheimnisvoll. Zunächst einmal statten wir dem Gold’s Gym einen Besuch ab, dem Fitness-Studio, in dem Tina und Mark dreimal die Woche trainieren. Doch Tina drängt alsbald zum Aufbruch. Um 13:00 Uhr müssen wir an einem bestimmten Ort sein, erklärt sie. Was führen die zwei nur im Schilde? „Port New Providence“ verkündet das Schild, als wir schließlich am Ziel sind. Dort wartet Roger auf uns, ein Kunde von Mark — mit drei Freunden und mit seinem Boot. Er hat erfahren, daß wir uns für eine Fahrt interessieren, und nun hat uns einfach alle eingeladen! Rund zehn Meter lang ist sein Boot. Mit zwei Außenbordmotoren und insgesamt 450 PS. An diesem Sonntag veranstaltet eine Brauerei eine Party auf Rose Island. Und alles, was Rang und Namen und Yacht oder Boot hatte, macht sich auf den Weg dorthin. Und wir jetzt auch! „So ’ne Art Booze-Cruise“ (Schnapsfahrt), spottet Tina.
Später haben wir die Veranstaltung dann aus gegebenem Anlaß in „Bruise-Cruise“ umbenannt: Fahrt der blauen Flecken. Gerhard und ich sitzen vorne im Boot. Roger fährt, was die Maschine hergibt. Mit 55 mph brettert er übers Meer. Bei spiegelglatter Wasseroberfläche ist das einfach phantastisch! Doch sobald ein paar Wellen kommen, geht die Kiste vorne hoch wie ein wildgewordenes Pferd und kracht dann mit Wucht wieder aufs Wasser. Da braucht man schon eine gesunde Wirbelsäule! Ich habe das Gefühl, meine wird zusammengestaucht wie eine Zieharmonika. Uns schleudert es in dem Boot hin- und her, daß wir danach handtellergroße blaue Flecken an den Armen und auf dem Rücken haben. Mark erzählt uns hinterher, daß selbst die hartgesottenen Jungs, die mit an Bord waren, bei dieser Fahrt Angst gehabt hätten. Als wir am Ziel ankommen, liegt da bereits Boot an Boot vor Anker. Am Strand steht ein riesiges Festzelt, die Musik plärrt, und es ist die Hölle los.
Ich muß grinsen, denn unser Reiseführer lobt Rose Island als einsame Robinson-Insel aus. Doch Volksfest hin oder her – mit einer Getränkedose in der Hand im kühlen Wasser stehend läßt es sich echt aushalten. Ich werde daran denken, daß man so auch seine Sonntage verbringen kann, wenn ich das nächste mal wieder ein Wochenende am Bügelbrett verbringe. Im Ausland fällt mir immer erst so richtig auf, wie pingelig deutsch ich eigentlich bin. Mir gefallen zum Beispiel die mustergültig angelegten und penibel gepflegten Parks von Cable Beach. – Und wenn noch einmal ein Hotelgast hergeht und beim Frühstücksbuffet erst alle Croissants prüfend abtastet, ehe er dann doch keins nimmt, dann werde ich ausfallend! Ich glaube, ich würde mich nicht zum Auswandern eignen.
Am Dienstag besuchen wir Coral Harbor im Süden der Insel. Den Ort, am unsere Freunde wohnen. Als Tierfreunde kommen wir natürlich nicht an einem Reitstall vorbei. Auf dem Anwesen der blonden Sue kommt man sich vor wie im Paradies. Pudel, Dobermänner, Hühner, Katzen und Pferde scheinen sich dort problemlos miteinander zu vertragen. Ein Leben auf so einem Reiterhof könnte ich mir auch vorstellen. Auch wenn manche Kunden nicht ganz einfach zu nehmen sind, wie Sues amüsanten Anekdoten zu entnehmen ist. Wir wandern am Strand von Coral Harbor entlang.
Hier im Süden ist der Strand noch natürlicher als im touristisch voll erschlossenen Norden. Breite Sandstrände sucht man hier vergebens. Hier wachsen die Bäume buchstäblich bis ins Wasser. Bei Ebbe, erklären unsere Freunde, könne man durch das flache Wasser bis zum nächsten unbewohnten Cay rübermarschieren. Aber leider sind wir ausgerechnet bei Flut hierhergekommen! „Bei unserem nächsten Besuch, vielleicht“, schlage ich vor. Durch den Wald gehen wir wieder zum Ausgangspunkt zurück. Im Bikini durch den Wald – und keinen Menschen getroffen! Zu Hause wäre das undenkbar!
Eine „Abschiedsvorstellung“ ganz besonderer Art wird uns am letzten Abend unseres Urlaubs geboten. Mark hat von seinem Kunden, dem Hotelmanager, vier Freikarten. für die „Sunsation!“-Show im Hotel Atlantis bekommen. Der Mann hatte gehört, daß die Sterlings Besuch aus Deutschland haben und hatte ganz spontan die Idee mit den Karten. Fasziniert streifen wir durch das Spielcasino des Hotels – verspielen aber selber nur ein paar cents – und lassen uns dann von den Sängern und Tänzern, einer unglaublichen Lasershow und atemberaubenden Kostümen in eine paradiesische Wunderwelt entführen. Leider war das Fotografieren nicht erlaubt. Wir hätten dieses einmalige Erlebnis gerne mit unseren Freunden zu Hause geteilt. Auf dem Heimweg von der Show fahren wir noch einmal an der Prince George Wharf vorbei. Wir hätten so gerne ein paar der riesigen Kreuzfahrtschiffe bei Nacht gesehen. Eindrucksvoll beleuchtet kennen wir sie bislang nur von Postkarten. Aber wir haben leider Pech. Gerade an unserem letzten Abend ist kein einziges Schiff im Hafen. Da werden wir wohl wiederkommen müssen …!